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Verkehrshaus-Direktor Martin Bütikofer ist neuer Präsident der Luzern Tourismus AG. Er will die Innerschweiz als Ausgangspunkt für Tagesausflüge in die ganze Schweiz positionieren.
Sie sind nun Präsident der Luzern Tourismus AG, deren Einzugsgebiet rund um den Vierwaldstättersee Jahr für Jahr mehr Touristen anzieht. Was bleibt für Sie da noch zu tun?
Martin Bütikofer: Zu tun gibt es immer. Ein gutes Produkt weiter zu entwickeln ist sogar schwieriger, als ein neues aufzubauen. Vor dieser Herausforderung steht die Luzern Tourismus AG. Die Region rund um den Vierwaldstättersee kommt in der Tat bei den Touristen und Ausflüglern gut an, die Zahlen machen es deutlich: Alleine die Stadt wird jährlich von mehr als 8 Millionen Personen aus dem In- und Ausland besucht. Unsere Aufgabe ist es, an der Angebotsqualität zu feilen, damit sich die Besucher hier wohlfühlen und wiederkommen. Gleichzeitig muss es gelingen, die Authentizität der Region zu wahren. Wegen ihr reisen ja die Leute hierher.
Welche Ziele setzen Sie sich?
Unser Ziel ist eine Hub-Funktion der Region. Ein Ausgangspunkt, von wo aus Touristen Tagesausflüge in die Region oder die ganze Schweiz unternehmen. So lässt sich die Aufenthaltsdauer der Gäste verlängern. Luzern ist dafür mit der zentralen Lage und Flughafennähe bestens geeignet und das ÖV-Angebot im ganzen Land gut. Mit einem Durchgangsbahnhof Luzern wäre es natürlich noch besser.
... und die qualitativen Ziele?
Eine hohe Servicequalität, gelebte Leidenschaft in der Tourismusbranche, Wertschätzung für die Gäste und eine intensive Zusammenarbeit der verschiedenen Anbieter stehen für mich im Mittelpunkt. Sehen Sie, wenn eine vierköpfige deutsche Familie Tickets für eine See-Rundreise samt Ausflug auf die Rigi kauft, kostet sie der Trip vielleicht 500 Franken. Das ist viel Geld. Dafür erwartet sie zu recht Topqualität. Dazu gehört eine gute Infrastruktur, die von sauberen Toiletten bis hin zu attraktiven Schiffen und Bergbahnen reicht. Davon profitieren nicht nur die deutsche Familie, sondern auch die Einheimischen.
Martin Bütikofer (58) ist Direktor des Verkehrshauses der Schweiz in Luzern. Er trat am Dienstag an der Generalversammlung der Luzern Tourismus AG die Nachfolge von Ferdinand Zehnder (Hotel de la Paix) als Verwaltungsratspräsident an. «Ich bin stolz darauf, mich als gebürtiger Luzerner für den Tourismus einsetzen zu können. Es ist ein Privileg, eine Destination weiterzuentwickeln, die jedes Jahr Millionen von Besuchern anzieht», sagt er. Die Luzern Tourismus AG vermarktet den Tourismus für die Kantone Luzern, Schwyz, Uri sowie Ob- und Nidwalden. Die Zahl der Hotellogiernächte stieg 2018 in der Stadt Luzern um 4,2 Prozent auf knapp 1,4 Millionen. In der Region Luzern-Vierwaldstättersee (ohne Stadt) betrug das Wachstum 5,9 Prozent. Dort summierten sich die Logiernächte auf 3,86 Millionen. Zum Wachstum beigetragen haben in erster Linie Gäste aus den USA und aus Indien. (rr)
Das Bürgenstock-Resort ist seit eineinhalb Jahren offen, in Andermatt kommt das Feriendorf-Projekt gut voran, und in Engelberg sowie Luzern saniert der chinesische Investor Yunfeng Gao zwei Traditionshäuser. Wie verändert das gehobenen Hotelsegment den Tourismus in der Innerschweiz?
Zuerst einmal ist es ein sehr gutes Zeichen, wenn grosse ausländische Tourismusgesellschaften in der Innerschweiz so viel Geld investieren. Sie würden es nicht tun, wenn sie kein Vertrauen in diesen Standort hätten. Der stand bei den vorausgegangenen Abklärungen in Konkurrenz mit zahlreichen Destinationen der ganzen Welt. Die ersten eineinhalb Jahre des Bürgenstock-Resorts etwa verdeutlichen zudem, wie sehr es auch bei den Schweizer Gästen gut ankommt.
Wie wirken sich die neuen Angebote auf die Wertschöpfung aus?
Diese und weitere Projekte wie das Park Hotel in Vitznau oder auch neue Hotels in Luzern tragen wesentlich zur gestiegenen Wertschöpfung bei. Davon profitieren von den Handwerkern bis zu den Metzgern viele kleine und grössere Betriebe. Es handelt sich nicht um Billigangebote, für den der starke Franken ohnehin eine hohe Hürde bildet, sondern um Angebote, die sich an das Premiumsegment wenden – Qualität, nicht Masse. Die Gasthäuser im Vier- und Fünfsternbereich schaffen natürlich auch selbst Arbeitsplätze, die jungen, einheimischen Talenten eine Chance bieten.
Vor ein paar Jahren veröffentlichte Luzern Tourismus die Logiernächte-Rekorde noch mit Stolz. Heute werden sie fast schon mit Scham kommentiert. Was ist geschehen?
Die Zahl der Logiernächte sagt alleine noch nicht viel aus. Entscheidend ist, in welchem Verhältnis zum Ertrag sie stehen. Da stellen wir Fortschritte fest. Zum einen ist es in der Region Luzern-Vierwaldstättersee gelungen, in der Nebensaison – im Spätherbst und im Winter – eine bessere Auslastung hinzubekommen. Zum andern lassen sich die Hotelzimmer zu besseren Preisen vermarkten. Im vergangenen Jahr stieg der durchschnittliche Zimmererlös pro Gast um 2,4 Prozent auf mehr als 143 Franken. Das entspricht in etwa dem schweizerischen Durchschnitt und liegt nur 24 Franken hinter Zürich. Wer ein Hotel betreibt, sieht sich stets mit hohem Investitionsbedarf konfrontiert. Er ist darum auf angemessene Einnahmen angewiesen. In Luzern ist die Auslastung der Hotels mit 70,6 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt in der gesamten Schweiz mit 52,4 Prozent erfreulich hoch.
Es ist der Gruppentourismus, der optisch in der Stadt Luzern und auf den Berggipfeln dominiert. Was bringt er der Region wirtschaftlich?
Man darf die Tourismusregion nicht auf den Schwanenplatz in Luzern oder die Spitzenzeiten auf der Rigi reduzieren. Der optische Eindruck täuscht ohnehin: Nur 20 Prozent der Gäste reisen in Gruppen an, 80 Prozent sind Individualgäste.
Braucht es die Gruppenreisen dann überhaupt noch?
Der Gruppentourismus sorgt bei den Bahnen und Schifffahrtsgesellschaften für eine Grundauslastung auch an regnerischen Tagen, wenn die Tagesgäste lieber zu Hause bleiben. Diese Anbieter wären ohne die Grundauslastung durch die Gruppen nicht in der Lage, in Bahnsanierungen oder in neue Schiffe zu investieren. Von den im Schuss gehaltenen Transportmitteln profitieren auch die Einheimischen.
Würde sich an den Massenaufläufen zwischen Kapellbrücke und Löwenplatz mit mehr Individualgästen etwas ändern? Auch wer alleine oder in kleinen Gruppen unterwegs ist, will die Sehenswürdigkeiten sehen.
Ja, das ist so. Die Individualgäste sind in Kleinbussen unterwegs, und es stimmt: Auch sie wollen Kapellbrücke, Löwendenkmal und eine Bergspitze sehen. Die historische Altstadt, der See und die Berge ziehen die Gäste an. Viele von ihnen haben lange gespart, um sich eine Europareise zu leisten und auf dem Titlis ein Selfie zu machen.
Kann Luzern Tourismus eine Entwicklung hin zu Individualreisen überhaupt steuern? Die Reisenden entscheiden ja in China, Indien oder den USA, wie sie Europa besuchen.
Die Reiseart hängt stark vom Entwicklungsstand der Touristen-Herkunftsländer ab. Von der Reise- und Sprachgewandtheit der Gäste. Dort, wo Auslandreisen keine lange Tradition haben – etwa in China – sind Gruppenreisen noch weit verbreitet. Doch die Tendenz ist sinkend. Die Amerikaner und Japaner reisten vor dreissig Jahren auch vorwiegend in Gruppen. Sie sind heute in grosser Mehrheit auf eigene Faust unterwegs. Das Reiseverhalten insgesamt lässt sich aber nur bedingt steuern. Zumal mit Social Media eine neue Kontaktform das Reisegeschäft stark beeinflusst. Ein verschicktes Selfie vor der Kapellbrücke löst bei den Freunden und andern Adressaten mehr Aufmerksamkeit aus als jeder noch so professionell gestaltete Ferienprospekt.
Die Touristen verteilen sich bei ihren Kurzaufenthalten immer stärker auf Hotels ausserhalb Luzerns über die ganze Region. Handelt es sich um eine gewünschte Entwicklung?
Ja, durchaus. Es gehört zu den Zielen der Luzern Tourismus AG, die ganze Region an der Wertschöpfung teilhaben zu lassen. Es hilft zudem, die Innerschweiz als Ausgangspunkt für Tagesausflüge in andere Landesteile zu positionieren. Die Zusammenarbeit hat in den zurückliegenden Jahren grosse Fortschritte gemacht, man hilft sich gegenseitig.