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Die CEOs der Grossbanken waren im vergangenen Jahr omnipräsent in der Wirtschaftsberichterstattung, wie eine neue Auswertung zeigt. Auch ein Airline-Chef schafft es in die Top-5. Doch eine Gruppe fehlt.
Es ist ein Fotofinish der beiden Schweizer Grossbanken – mit der Credit Suisse als Gewinnerin, wobei ihr diese Spitzenrangierung wohl lieber erspart geblieben wäre. Denn Tidjane Thiam, bis Ende Februar Chef der CS, war 2020 der am häufigsten erwähnte CEO einer Schweizer Firma in der hiesigen Medienberichterstattung. Er bringt es auf 2876 Artikel. Gleich dahinter folgt Sergio Ermotti, bis vergangenen Herbst UBS-Chef (siehe Tabelle am Schluss).
Zu diesem Schluss kommt eine Analyse dieser Zeitung anhand der Schweizer Mediendatenbank. Diese archiviert publizierte Artikel von Schweizer Zeitungen, Webseiten und Magazinen. Die Resultate – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – geben einen Eindruck, welche Persönlichkeiten besonders von öffentlichem Interesse waren.
Thiams starke Medienpräsenz hat aber nicht bloss mit den Leistungen seiner Bank zu tun. Im Gegenteil. Für medialen Wirbel sorgte vor allem der Grund für seinen Abgang. Ihm wurde die Bespitzelung von Iqbal Kahn zum Verhängnis. Der Banking-Shootingstar wechselte im Vorjahr von der einen auf die andere Seite des Paradeplatzes und heuerte bei der UBS an. Regelmässig kamen neue Details der Affäre ans Licht.
Doch Thiam verschwand auch nach seinem Rücktritt nicht aus den Schlagzeilen. Im Oktober sagte er gegenüber der «New York Times», dass er sich in der Schweiz ungerecht behandelt gefühlt habe. Zudem sei er mehrfach mit Rassismus konfrontiert gewesen. Der Ivorer erzählte von einer Geburtstagsparty bei CS-Präsident Urs Rohner, bei der ein schwarzer Comedian auf der Bühne einen Hauswart spielte, der den Boden kehrte und sang. Und später traten Kollegen Rohners mit Afro-Perücken auf. Thiam war der einzige schwarze Gast in der Gesellschaft.
Die CS sorgte darauf mit einer halbherzigen Entschuldigung dafür, dass die Episode zu weiteren Artikeln führte. Sie sagte «sorry», wollte aber nicht eingestehen, dass Rohners Geburtstagsprogramm rassistisch war. Mit dieser Haltung bewies sie - im Jahr von «Black Lives Matter» - wenig Sensibilität.
Im Blätterwald raschelte es auch bei der Ernennung von Thiams Nachfolger Thomas Gottstein, der es in der Medienrangliste auf Platz 3 schaffte. Das Sesselrücken bei der UBS, mit dem Rücktritt von Sergio Ermotti und dem Stellenantritt des Holländers Ralph Hamers (Platz 5) generierte ebenfalls viele Interviews und Portraits.
Als einziger Nicht-Banker schafft es Swiss-Chef Thomas Klühr in die Top 5. Kein Wunder: Die Luftfahrtindustrie war 2020 wie kaum eine andere Branche von der Corona-Krise getroffen. Bilder der gegroundeten Swiss-Flotte machten die mediale Runde. Es folgte ein politisches Hickhack um Staatshilfe. Hinzu kam, dass Klühr im September seinen Rücktritt per Ende Jahr bekanntgab. Auf ihn folgt Anfang 2021 der Schweiz-Belgier Dieter Vranckx.
Was in der Analyse der Mediendatenbank ebenfalls zum Ausdruck kommt, ist der eklatante Mangel an Frauen in CEO-Positionen von grossen Firmen. Auf Rang 11 liegt zwar Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher. Sie profitierte aber auch von der politischen Berichterstattung und ihrer Rolle als SVP-Nationalrätin. Erst weiter hinten folgen die CSS-Chefin Philomena Colatrella (Rang 22), BKW-Chefin Suzanne Thoma (24) und Jelmoli-Chefin Nina Müller (31).
Erst kürzlich kam eine Studie des Beratungsunternehmens «Heidrick & Struggle» zum Schluss, dass der Frauenanteil in Schweizer Chefetagen gerade einmal 2 Prozent beträgt. Weltweit steht bei 5 Prozent der analysierten Firmen eine Frau an der Spitze. Fortschritte seien hierzulande keine zu verzeichnen. So sei erstaunlich, wie viele Schweizer Konzerne nach wie vor keine einzige Frau in der Unternehmensleitung hätten. Besserung könnte das neue Aktienrecht bringen, das 2022 in Kraft treten dürfte. Dieses sieht eine Frauenquote von 20 Prozent in der Geschäftsleitung vor.