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Wirtschaft
Die fehlenden Abnehmer aus Gastronomie und Catering setzen den regionalen Fleischproduzenten stark zu. Das Fleisch einzufrieren, ist der letzte Ausweg.
«Man kann für viele in der Branche von einer Katastrophe sprechen», sagt Markus Roten, Präsident des Regionalverbands Zentralschweiz der Schweizer Fleischbranche. Es gebe zwar in der Coronakrise auch positive Aspekte: So laufe der Detailhandel gut bis sehr gut. Und es gebe innovative Betriebe, die – um Ausfälle auszugleichen – erfolgreich einen Lieferservice aufgebaut hätten. «Der ganze Party- und Gastroservice aber, der für viele Metzger wichtig ist, ist komplett auf null gegangen», analysiert Roten.
Firmen, die in diesen Bereichen tätig seien, hätten teils Millionenlager, die sie nun zurückfahren müssten. «Viele versuchen noch, einander zu helfen und neue Abnehmerkanäle zu finden, etwa indem einer, der mehr im Detailhandel tätig ist, nun Fleisch vom anderen bezieht», so Roten. «Aber das genügt nicht, das Fleisch muss deshalb eingefroren werden.»
So beispielsweise bei der Metzger Gabriel AG in Wolfenschiessen im Kanton Nidwalden, die viele regionale Restaurants beliefert. «Der Gastrobereich ist um 80 Prozent zurückgegangen», sagt Tommy Gabriel von der Geschäftsleitung. Spitäler würden zwar noch beliefert, das Militär und einige Restaurants, die auf Take-away umgestellt hätten. «Aber was sind zwanzig Take-away-Menus im Vergleich zu 100 Plätzen. Wir haben volle Lager und müssen jetzt einfrieren», sagt Gabriel.
Eine Herausforderung, so Tommy Gabriel, sei aber nicht nur, dass zu viel Fleisch da sei, sondern auch, dass weiterhin Fleisch nachkomme. «Wir arbeiten seit Jahren mit Bauern in der Region zusammen», so Gabriel. «Die könne nicht einfach nicht mehr schlachten.» Die Tiere seien vor Monaten gezüchtet worden und seien jetzt bereit. «Und diese Bauern könne nicht einfach mal so der Migros zehn Tiere vorbeibringen, weil im Detailhandel weiterhin gut verkauft wird.» Einen Monat lang gehe dies vielleicht noch gut, sagt Gabriel. Dann werde es aber schwierig.
Bereits jetzt drastisch die Schlachtungen von gewissen Tieren zurückgefahren hat der grösste Fleischverarbeitungsbetrieb in der Zentralschweiz, die Frischfleisch AG in Sursee. «Wir verkaufen beispielsweise fast kein Kalbfleisch mehr», sagt deren Chef Urs Kunz. Vor allem die Gastronomie sei ein grosser Abnehmer davon. Vorhandene Vorräte würden deshalb grösstenteils eingefroren und die Schlachtungen drastisch reduziert. «Die Landwirtschaft will es zwar weiterverkaufen, aber wenn wir eine Produktion von 500 bis 600 Tonnen pro Woche haben und ich 200 Tonnen davon direkt ins Lager fahren muss, bringt das auch nichts», so Kunz. Da gehe es auch um die Liquidität der Firma.
Wenn weniger geschlachtet wird, hat das Auswirkungen auf die Bauern. Gerade für jene Bauern, die stark auf die Fleischbranche ausgerichtet seien, sagt Thomas Rickenbacher, Präsident des Zuger Bauernverbands. «Es kann zwar ein paar Tage zugewartet und dem Metzger entgegengekommen werden, das Schwierige ist aber, dass nicht absehbar ist, wie lange der aktuelle Zustand anhält.» Auch in Bezug darauf, falls der Bauer nun als Reaktion auf die tiefere Nachfrage weniger Jungtiere aufmäste, denn dieses Fleisch könnte dann fehlen, wenn alles wieder normal sei. Zudem habe so eine Massnahme dann wiederum negative Auswirkungen auf die Getreidebauern, die weniger Futter verkaufen. «Wir sitzen derzeit eben alle im gleichen Boot», so Rickenbacher.
Bei der Frischfleisch AG in Sursee geht grundsätzlich 15 Prozent der Produktion in die Gastronomie, alles andere an Detailhändler oder grosse Produktionsfirmen. Der Detailhandel laufe derzeit zwar gut, sagt Frischfleisch-Chef Urs Kunz, es werde tendenziell aber eher günstiges Fleisch verkauft. «Hackfleisch, Geschnetzeltes oder Ragout. Die Leute sparen, weil sie ihren Job verloren haben oder sonst Zukunftsängste haben.»
Wird die aktuelle Krise einen Einfluss auf den Fleischpreis haben? Ob der Preis für Fleisch grundsätzlich zurückgehe, werde sich noch zeigen, sagt Markus Roten vom Verband. So falle zwar der ganze Tourismus weg, dafür würden Familien aber wieder öfters zu Hause essen. «Dieser Umstand wird sich im Detailhandel auch positiv im Ostergeschäft bemerkbar machen.» Zwar würde es vermutlich eher kleinere Essen geben, da Auswärtige nicht gut eingeladen werden könnten, in der Summe würden diese ja dann aber für ihr eigenes Essen auch Lebensmittel benötigen.
Vorübergehend, so denkt er, werde es wahrscheinlich auf Grund der ganzen Krise aber zu einem Überangebot von Schlachtvieh auf dem Markt kommen. «Was aber schnell wieder ins Gegenteil wechseln kann, wenn Gastronomie, Kantinen und der Tourismus wieder hochgefahren werden», so Roten.
Tommy Gabriel, der Metzger aus Wolfenschiessen, jedenfalls rechnet mit einem Preisverlust von 30 Prozent bei seinem eingefrorenen Fleisch.