US-Präsident
Vor dem WEF-Besuch: Donald Trump will US-Firmen aus der Schweiz zurückholen

In der Schweiz dreht sich zehn Tage vor dem WEF-Beginn alles um Donald Trump. Er spaltet die hiesige Linke – und seine Steuersenkungen machen den Bundesrat nervös: Die Regierung fürchtet um bis zu drei Milliarden Franken Einnahmenausfall, weil US-Firmen abzuwandern drohen.

Doris Kleck, Henry Habegger und Pascal Ritter
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Die Meldung, dass Donald Trump ans WEF nach Davos kommt, hat einen regelrechten Tsunami ausgelöst.

Die Meldung, dass Donald Trump ans WEF nach Davos kommt, hat einen regelrechten Tsunami ausgelöst.

EPA

Kein Tag ohne «breaking news» zu Donald Trump. Diejenige vom Freitag lautete: Der US-Präsident hat Haiti und Länder Afrikas als «Shitholes» (Dreckslöcher) bezeichnet – und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Für Schweizer Verhältnisse einen Tsunami hat die News vom Dienstag ausgelöst: Trump kommt nach Davos ans Weltwirtschaftsforum (WEF). Die Meldung versetzte die politische und mediale Schweiz die ganze Woche über in Aufregung. Wie lange bleibt er? Wo übernachtet er? Was isst er? Und vor allem: Wen trifft er? Fragen über Fragen.

Als Erstes bemühte sich Bundespräsident Alain Berset (SP) um ein Treffen. Ob es klappt und ob weitere Bundesräte Berset begleiten, wird derzeit in Bundesbern intensiv diskutiert. Die Wünsche sind deponiert. Viel zu besprechen mit Trump hätte allen voran Finanzminister Ueli Maurer (SVP). Der US-Präsident hat nämlich in berauschendem Tempo geschafft, was der Bundesrat seit Jahren erfolglos versucht: Das System der Unternehmensbesteuerung umzukrempeln.

Hochkarätige Delegation: Das sind Trumps wichtigste Leute in Davos:

Jared Kushner, Berater Der 37-jährige Berater und Schwiegersohn des Präsidenten gehört zum engsten Kreis um Trump. Überraschend: Er reist ohne seine Frau Ivanka nach Davos.
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Wilbur Ross, Handelsminister Als Zuständiger für die amerikanischen Handelsbeziehungen dürfte Wilbur Ross in Davos ein gefragter Mann sein.
Kirstjen Nielsen, Heimatschutzministerin Die eine der beiden US-Ministerinnen in Davos ist erst seit Oktober vergangenen Jahres im Amt. Sie diente bereits George W. Bush als Beraterin.
Rex Tillerson, Aussenminister Seine Teilnahme überrascht – stand der einstige Chef des Erdölkonzerns ExxonMobil doch vor kurzem noch auf der Abschussliste.
Elaine Chao, Transportministerin Auch die zweite Frau in der Delegation der USA gehörte bereits der Bush-Administration an. Sie ist die erste asiatisch-amerikanische Frau in einem Ministeramt.
Steven Mnuchin, Finanzminister Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker führt die Delegation des Präsidenten in Davos an. Er soll der Welt Trumps «America First»-Strategie nahebringen.

Jared Kushner, Berater Der 37-jährige Berater und Schwiegersohn des Präsidenten gehört zum engsten Kreis um Trump. Überraschend: Er reist ohne seine Frau Ivanka nach Davos.

Keystone

Steuersenkungen in den USA haben auch bei uns Folgen

Vor Weihnachten hat der US-Kongress Trumps Prestigevorhaben verabschiedet. Der Steuersatz für Unternehmen sinkt von 35 auf 21 Prozent. Von Bedeutung für US-Unternehmen in der Schweiz ist zudem die Einführung einer «Base Erosion and Anti-Abuse Tax», eine Steuer auf konzerninternen Dienstleistungen sowie Zins- und Lizenzzahlungen.

Amerikanische Firmen mit hiesigen Ablegern könnten sich überlegen, einzelne Aktivitäten zurück in die USA zu verlegen. Damit hätte Trump ein wichtiges Ziel erreicht. Die Schweiz hingegen würde nicht nur meist attraktive Jobs verlieren, sondern auch Steuersubstrat. US-Konzerne gelten als Wachstumsmotor für die Schweizer Wirtschaft. Avenir-Suisse-Ökonom Marco Salvi sagte gegenüber dem «Blick», rund 8 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts BIP würden von ihnen erwirtschaftet.

Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen sei daran, die Auswirkungen auf die Schweiz zu analysieren, sagt Sprecher Frank Wettstein. Die US-Steuerreform kommt für die Schweiz zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, weil die künftige Ausgestaltung des Schweizer Steuersystems unklar ist. Finanzminister Maurer hat am vergangenen Mittwoch den Bundesrat über den Stand der Steuervorlage 17 orientiert – dem Nachfolgeprojekt der Unternehmenssteuerreform III. Der Bundesrat teilte danach mit: «Durch den internationalen Trend der Senkung der Unternehmenssteuern hat sich der dringende Handlungsbedarf noch bestärkt.» Das Parlament soll die Steuervorlage 17 bereits im Herbst fertig beraten – das wäre fast schon Trumpsches Tempo.

In Bern kursieren Zahlen, dass die amerikanische Reform die Schweiz teuer zu stehen kommen wird. Bundesratsnahe Kreise sprechen von Steuerausfällen für den Bund von zwei bis drei Milliarden Franken. Bundesratssprecher André Simonazzi dementiert die Angabe nicht. Er hält fest, dass die US-Steuerreform kurz behandelt worden sei: «Es wurden keine Entscheide getroffen. Ich gebe keine weiteren Auskünfte. Die Beratung im Bundesrat ist vertraulich.»
Lange wird die offizielle Schweiz nicht mehr zu den Auswirkungen der Reform schweigen können. Antworten verspricht die Steuerverwaltung in der Botschaft zur Steuervorlage 17, die im März verabschiedet wird. Antworten verlangen aber auch Parlamentarier: Die Nationalräte Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP/BL) und Martin Bäumle (GLP/ZH) haben Interpellationen eingereicht. Und der Solothurner CVP-Ständerat Pirmin Bischof erwartet an der nächsten Sitzung der Wirtschaftskommission Einschätzungen zur US-Reform von Finanzminister Ueli Maurer.

Das WEF-Logo – von unserem Karikaturisten Silvan Wegmann leicht modifiziert.

Das WEF-Logo – von unserem Karikaturisten Silvan Wegmann leicht modifiziert.

AZ

Demonstration in Bern mit «hohem Gewaltpotenzial»

Nicht nur die Regierung zerbricht sich zurzeit den Kopf darüber, wie man aus dem Besuch des US-Präsidenten Kapital schlagen kann. Das Trump-Fieber hat auch die Linke erreicht. Die Anti-WEF-Bewegung, die in früheren Jahren zu Tausenden nicht nur demonstriert, sondern sich auch Strassenschlachten mit der Polizei geliefert hatte, hat in den letzten Jahren stark an Dynamik verloren. Der Besuch von Trump heizt die Stimmung nun wieder an. Aktivisten rechnen mit grösserem Andrang an der Anti-WEF-Demo an diesem Samstag in Bern. Die Behörden rüsten sich gegen mögliche Krawalle. Vor dem Bundeshaus wurden Gitter aufgebaut und die Journalisten aus dem Medienzentrum vis-à-vis angewiesen, die Storen herunterzulassen. Es müsse «von einem hohen Gewaltpotenzial ausgegangen werden».

Während beim Bund die Schotten dichtgemacht werden, verbreitet die Stadtregierung Gelassenheit wie selten vor einer unbewilligten Demonstration. Sicherheitsvorsteher Reto Nause (CVP), der sonst keine Gelegenheit auslässt, um sich über unbewilligte Demonstrationen auszulassen, hält sich stark zurück. Und der grüne Stadtpräsident Alec von Graffenried gibt sich demonstrativ gelassen. Er spricht von einer politischen Kundgebung und zeigte gegenüber «nau.ch» «grosses Verständnis» für den Anti-Trump-Protest.

Die Juso mobilisieren, die SP zögert

Wie eine gut informierte Quelle sagte, bestehen informelle Kontakte zwischen den Organisatoren der Demonstration und den Stadtbehörden. Der Insider rechnet darum nicht mit Ausschreitungen. Mittlerweile haben auch die Berner Jungsozialisten angekündigt, an der Demonstration teilzunehmen.

Die Mutterpartei tut sich schwer damit, auf den Protestzug aufzuspringen. Die Bündner Sozialdemokraten konnten sich noch nicht dazu durchringen, eine Demonstration in Davos oder Chur anzumelden. Zurzeit ist man mit den Juso und den Grünen im Gespräch. Ein Entscheid wird am Dienstag fallen, wie der Bündner SP-Präsident Philipp Wilhelm auf Anfrage sagt. Klar ist, dass die SP bei den Organisatoren der nationalen Anti-Trump-Demonstration zum WEF-Auftakt am 23. Januar in Zürich nicht willkommen ist. «Bevor die SP den Trump-Besuch nicht klar verurteilt, wollen wir sie auch nicht auf unserem Aufruf», sagt ein Sprecher der «Bewegung für den Sozialismus» auf Anfrage. Den Sozialisten stösst sauer auf, wie sich SP-Exponenten öffentlich zu Trump äusserten. Nationalrat Tim Guldimann etwa sagte, der Trump-Besuch sei «gut für die Schweiz». Positiv äusserte sich auch SP-Parteipräsident Christian Levrat in der «Nordwestschweiz» und «Südostschweiz».

Die Bewilligung für die Demonstration in Zürich liegt auf dem Tisch von Sicherheitsvorsteher Richard Wolff. Wahrscheinlich ist, dass sich dessen Alternative Liste der Demonstration anschliesst.