WALD: Wenn das Holzen nicht mehr rentiert

Der starke Franken macht der Wald- und Holzbranche zu schaffen. Nicht nur Arbeitsplätze sind bedroht. Die Zukunft der hiesigen Holzveredelung steht auf dem Spiel.

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Waldarbeiten mit einer Holz-Erntemaschine im Sädelwald in Luzern. (Bild: Pius Amrein / Neue LZ)

Waldarbeiten mit einer Holz-Erntemaschine im Sädelwald in Luzern. (Bild: Pius Amrein / Neue LZ)

Bernard Marks

Frische Luft, zwitschernde Vögel und gepflegte Wanderwege, so lieben Schweizer ihren Wald. Doch die Ruhe trügt. Seit 1990 schreiben die heimischen Forstbetriebe rote Zahlen. Ihre Verluste gehen in die Millionen. Allein im Jahr 2012 betrug das Defizit aller Forstbetriebe 58 Millionen Franken. Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik verbesserte sich das Ergebnis 2013 nur marginal auf einen Verlust von 43 Millionen Franken.

«Es ist eigentlich eine tragische Situation, obwohl Holz am Bau nachgefragt ist wie nie, ist eine kostendeckende Waldbewirtschaftung nicht möglich», sagt Werner Hüsler (50) vom Verband der Luzerner Waldeigentümer. Trotz Bauboom ist gemäss Zollstatistik die Ernte des in der Schweiz wichtigsten Sortiments, dem Nadelstammholz, seit 2007 um 24 Prozent gesunken. Seitdem sind neben vielen kleinen Betrieben auch grosse Holzverarbeiter verschwunden wie zum Beispiel die Papierfabrik Biberist (2011), das Grosssägewerk Domat/Ems (2010) und Pavatex Fribourg (2014). Auch die Cham Paper Group hat ihre Papierproduktion aus der Schweiz nach Italien verlagert.

Preise erneut gefallen

Der Grund für diese Entwicklung sind die seit Jahren fallenden Preise für Holz und der immer stärker werdende Franken. «Mit dem Wegfall der Frankenstützung durch die Nationalbank hat sich die Situation für die hiesige Waldwirtschaft nochmals verschärft», sagt Hüsler. In der Zollstatistik für das erste Quartal 2015 sind die ersten Spuren der jüngsten Frankenaufwertung zu sehen: Die Preise für Schnittholz sind im Ausland um bis zu 20 Prozent gesunken. Mehr Schnittholz aus dem grenznahen Ausland kommt auf den Millimeter genau geschnitten in die Schweiz. Die günstigen Importe bringen die Schweizer Waldwirtschaft in Schwierigkeiten. Regionale Verarbeiter und Sägereien stehen damit noch stärker im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern, die auf Euro-Niveau produzieren. «Den grösseren Teil ihres Margenausfalls kompensieren die Verarbeiter, indem sie die bereits tiefen Einkaufspreise gesenkt haben», sagt Hüsler. Preiseinbussen, die der Waldeigentümer nicht weitergeben kann.

Das führt zu rückläufigen Holzernten. Die Dachorganisation der Schweizer Wald- und Holzwirtschaft Lignum rechnet für das laufende Jahr mit einem weiteren Rückgang der Holzernte auf 1,9 Millionen m3 (siehe Grafik). «Wir ernten nur das, was wir müssen», bestätigt Walter W. Andermatt, Präsident vom Waldwirtschaftsverband Zug. Weniger Holzernte bedeutet nicht nur weniger Arbeit für die Angestellten. Wenn in der Schweiz weniger Holz abgebaut und mehr importiert wird, haben zudem die heimischen Holzverarbeiter Probleme. So sind laut Andermatt die ersten beiden Stufen der Holzwertschöpfungskette in akuter Gefahr.

Die Stimmung in der Holzbranche ist deshalb angespannt. Wie sehr, zeigt eine spontane Umfrage unter den Mitgliedern von Pro Holz Schwyz Ende März. Über die Hälfte der Mitglieder des Vereins, der Firmen aus Waldbewirtschaftung, Holzbau bis zu Architekten und Bauherren vereint, erwarten Umsatzrückgänge. Rund die Hälfte der Pro-Holz-Schwyz-Mitglieder wollen den Margenverlust mit Preisanpassungen kompensieren.

Die Kleinen im Markt haben Mühe

Mit Preissenkungen reagiert auch die Schilliger Holz AG in Küssnacht. «Die Kunden haben sich daran gewöhnt, auf Währungsschwankungen zu reagieren», sagt Ernest Schilliger. Er führt mit seinen Cousins das Familienunternehmen in der 5. Generation. «Wir haben in diesem Jahr viele Absagen von Kunden bekommen», sagt er. Auch der Export, Schilliger liefert fast 40 Prozent des Schnittholzes ins Ausland, sei schwierig geworden. «Wir mussten deshalb die Preise für heimische Holzproduzenten um 10 bis 15 Prozent zurücknehmen», sagt er. Rund 250 000 m3 Rundhölzer verarbeitet die Sägerei überwiegend für die Bau- und Verpackungsindustrie. Sägereien wie Schilliger geraten trotz ihrer Grösse unter Kostendruck. «Aber vor allem die Kleinen im Markt haben Mühe, auf die Währungsschwankungen zu reagieren», so Schilliger. Auch er bestätigt: «Die Wertschöpfungskette im Holzmarkt der Schweiz ist in Gefahr.»

Auch der Luzerner Holzverarbeiter Kronospan musste auf die Frankenstärke mit Preisabschlägen reagieren. «Wir haben die Preise um bis zu 15 Prozent nach unten angepasst», sagt Jürg Meier, kaufmännischer Direktor von Kronospan Schweiz. Die Firma mit Sitz in Menznau produziert mit 400 Mitarbeitenden 370 000 m3 Spanplatten pro Jahr und 17 Millionen Quadratmeter Laminatfussboden. Der Exportanteil der Firma beträgt 75 Prozent. «Unser Holzbedarf für das laufende Jahr ist trotz des enormen Margendrucks hoch», sagt Meier. Kronospan verarbeitet derzeit 75 Prozent Holz aus der Schweiz. «Doch unser Ziel sind 100 Prozent», sagt Meier. Doch bei den aktuellen Marktpreisen scheint das nur schwerlich erreichbar.

Der Konsument ist gefordert

Holz gilt in der Schweiz als Industriegut und ist frei handelbar, geniesst also keinen Grenzschutz wie etliche landwirtschaftliche Produkte. «Letztlich ist entscheidend, dass der Konsument wieder Schweizer Holz verlangt, nur, das passiert zu wenig», sagt Werner Hüsler. Besonders in der Verantwortung stehe dabei die öffentliche Hand. «Gemeinden und Kantone sind gefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen und Projekte in Schweizer Holz zu realisieren», sagt er. Genauso wichtig sei die Zusammenarbeit in der gesamten Holzkette, vom Hobelwerk bis zum Schreiner muss die Anwendung/Verarbeitung von Schweizer Holz als Wettbewerbsvorteil gesehen werden. «Es darf nicht dazu kommen, dass das Holz aus Schweizer Wäldern mehrheitlich als Energieträger verfeuert wird und in Rauch aufgeht», sagt Hüsler. «Unser Wald steht bei uns vor der Tür und nicht in Osteuropa», sagt Andermatt. Und nur ein genutzter und vitaler Wald sei ein sicherer Wald und biete Erholung und Schutz vor Erosionen, Lawinen und Hangrutschen.

Gemeinden und Kanton sind gefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen und Projekte in Holz beziehungsweise in Schweizer Holz zu realisieren.

Holzwirtschaft der Schweiz (Bild: Grafik: web; Quelle: Lignum)

Holzwirtschaft der Schweiz (Bild: Grafik: web; Quelle: Lignum)