Nach den Krebsmitteln sind es nun mehrere Antibiotika, die von der Novartis-Tochter Sandoz nicht geliefert werden können. Bundesbehörden wollen die Ursachen für die Engpässe angehen.
«Medikamenten-Knappheit» ist zum Unwort für Sandoz wie auch für viele Schweizer Patienten geworden.
«Die Engpässe bei den Antibiotika sind ein extrem unglücklicher Zufall», sagt der Präsident der Vereinigung der Pharmafirmen in der Schweiz, Walter Hölzle. «Grundsätzlich sind die Lieferausfälle und -engpässe sehr selten», wiegelt er ab. Allerdings ist es nicht nur Sandoz, die Schwierigkeiten mit der Medikamentenversorgung hat: Auch bei Roche (etwa mit dem Anämiemedikament Mircera) oder dem US-Konzern Pfizer (zum Beispiel beim Leukämie-Mittel Daunoblastin) kommt es weltweit zu Engpässen.
Verschiedene Gründe
«Die Lage hat sich eindeutig verschärft», sagt Ueli Haudenschild vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung. Die Lieferschwierigkeiten sind immer häufiger und auch länger – und sie treten bei immer mehr Medikamenten auf. Dafür gibt es verschiedene Gründe:
Bei Nachahmer-Medikamenten tobt ein Preiskampf, sodass Firmen wie Sandoz gezwungen sind, so günstig wie möglich zu produzieren. Umgekehrt haben die Originalhersteller keinen Anreiz für die Produktion nach Patentablauf.
Fast jedes Jahr gibt es bei den Pharmaunternehmen neue Sparprogramme. Bei Roche, Novartis und anderen Konzernen geben sich externe Berater die Klinke in die Hand: Consultingfirmen, die sonst Banken oder Konsumgüterhersteller beraten, machen Vorschläge, wo in der Medikamentenproduktion weiter gespart werden kann.
Die Produktion eines Arzneiwirkstoffes wird aus Effizienzgründen nach Möglichkeit auf ein Werk konzentriert, sodass bei einem Ausfall gleich die gesamte Kapazität betroffen ist.
Die Lager sind reduziert worden, dies gilt nicht nur für die Pharmafirmen, sondern auch für die Medikamentenvorräte einiger Spitäler.
Die Rohstoffe werden von externen Zulieferern aus Indien oder China bezogen, wo es häufiger zu Verunreinigungen kommen kann.
Die Aufsichtsstellen kontrollieren schärfer, die US-Behörde FDA gibt sich nicht wie früher meist mit der Prüfung von Papieren im Büro zufrieden, sondern die Inspekteure gehen in die Produktionsanlage.
Versorgungsrisiken anpassen
Nun wird der Schweizer Staat aktiv. «Wir sind dabei, die Palette der Medikamente, die im Pflichtlager gehalten werden müssen, den aktuellen Versorgungsrisiken anzupassen», sagt Haudenschild. Das bedeutet, die Industrie wird verpflichtet, für mehr Medikamente Zwangsvorräte anzulegen, die nur nach Einwilligung des Bundes angetastet werden dürfen.
Das geht Gesundheitspolitikerin Bea Heim nicht weit genug: «Die Erweiterung der Pflichtlager entschärft das Problem erst einmal. Aber das kann nicht die Lösung sein», so die Solothurner SP-Nationalrätin. Sie fordert mehr Verantwortung vonseiten der Unternehmen für die Versorgungssicherheit und will das Patentrecht abändern: «Längerfristig müssen wir die Erteilung eines Patentes für ein Medikament an die Bereitschaft knüpfen, wenn nötig für eine Übergangszeit weiter zu produzieren, auch nach Patentablauf.»