Startseite
Wirtschaft
Die Öffnung des grenzüberschreitenden Eisenbahnmarkts führt zu bizarren Resultaten: So dürfen Reisende in Italien zum Beispiel einen österreichischen Zug nicht benutzen und umgekehrt sind italienische Tickets im ÖBB-Zug nicht gültig.
Pordenone im italienischen Friaul: Rund 52 000 Einwohner, viele kleine und mittlere Betriebe, eine kleine, aber feine mittelalterliche Altstadt. Wer hier einen Zug nach Udine, Triest oder Venedig besteigen will, braucht viel Geduld. Verspätungen sind an der Tagesordnung. Auch an einem Freitag Ende Juni heisst es über Lautsprecher, der Zug um 12.42 Uhr nach Venedig fahre erst 15 Minuten später ab. Kurz danach sind es bereits 25 Minuten.
Was nicht angekündigt wird: Gemäss elektronischer Anzeigetafel in der Schalterhalle fährt um 12.51 Uhr ein weiterer Zug nach Venedig – betrieben von der Österreichischen Bahn (ÖBB). Er kommt von Wien. Pünktlich rollt er ein. Mehrere Personen, darunter der Schreibende, steigen ein. Ein italienischer Kondukteur komplementiert alle sofort und unmissverständlich aus dem Wagen. «Sie dürfen diesen privaten Zug nicht benutzen», sagt er: «Hier darf nur ausgestiegen werden.» Warum erklärt er nicht. Er sagt nur: «Den Grund dafür verstehe ich auch nicht.» Zu machen ist nichts. Es gilt auf den verspäteten Regionalzug von Trenitalia zu warten.
Schutz des Regionalverkehrs
Möglich macht der täglich geführte Zug der ÖBB die 2010 erfolgte Öffnung des Markts im grenzüberschreitenden Personenverkehr in der EU. Sie fördert die Liberalisierung, um Verkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Allerdings kann dieser Zugang eingeschränkt werden, wenn ein grenzüberschreitender Zug von der öffentlichen Hand subventionierte, regionale Angebote konkurrenziert. Bei den ÖBB ist man nicht glücklich darüber, dass Reisende auf italienischem Boden den Zug nicht benützen dürfen, sagt ein Insider.
Den Zug gibts seit vergangenem Dezember. Er verlässt Wien-Meidling um 6.30 Uhr und kommt um 14.05 Uhr in Venedig an. Um 15.59 fährt er zurück. Dabei hält er an den touristisch attraktiven Destinationen Udine, Pordenone und Treviso. ÖBB-Sprecher Stephan Posch sagt: «Diese IC Züge sind ausschliesslich für den internationalen Verkehr zugelassen.»
Für die Züge würden «Globalpreis-Tickets» verkauft, die zusätzlich zum Fahrpreis auch eine Sitzplatzreservierung beinhalten. Im Zug erhielten Reisende grundsätzlich kein Ticket: «Ein Binnenverkehr in Italien ist in diesen Zügen nicht vorgesehen.»
Dafür böten Trenitalia ein Angebot mit günstigen Preisen. Italienische Tickets seien in den ÖBB-Zügen nicht gültig. Das Gleiche gilt auch für die Intercity-Busse der ÖBB, die mehrmals täglich von Klagenfurt nach Venedig fahren und auch in Udine einen Halt einlegen. In deren Fall könne den Österreichern laut Experten gar die Lizenz entzogen werden, falls diese in Italien Reisende mitfahren lassen.
Keine Verbote in der Schweiz
Wegen der Marktöffnung könne es unterschiedliche Anbieter auf grenzüberschreitenden Linien geben, sagt Eva Böckle, Pressesprecherin der Gemeinschaft Europäischer Bahngesellschaften: «Der Anbieter entscheidet über den Service, den er anbieten möchte.» Für den Kunden bedeute dies: «Man braucht das richtige Ticket für den richtigen Zug.»
Nur: Ein Reisender hat keine Wahl, wenn eine Bahngesellschaft auf ihrem Gebiet die Konkurrenz ausschliesst. Von Trenitalia war dazu keine Stellungnahme zu erhalten. Bei Zügen der Deutschen Bahn, die ins Ausland fahren, gebe es keine solchen Einschränkungen, bestätigt Sprecher Heiner Spannuth. Dies gilt auch für die Schweiz. SBB-Sprecher Daniele Pallecchi sagt: «Ein französischer TGV oder ein deutscher ICE ist in den Schweizer Fahrplan eingebunden.» Diese Züge seien Teil des Taktfahrplans zwischen Basel und Zürich oder Basel und Bern. Die entsprechenden Billetteinnahmen der Reisenden in der Schweiz werden unter den Bahngesellschaften abgerechnet. Darin enthalten ist auch die Abgeltung für die Benutzung der schweizerischen Bahninfrastruktur wie der Geleise.
Eine Ausnahme gibt es. Pallecchi sagt: «Bei Nachtzügen, etwa dem City Night Line der Deutschen Bahn, ist dies anders. Sie dürfen nicht von Reisenden benützt werden, die von Zürich nach Basel fahren.» Dabei gehe es darum, die Nachtruhe der Fahrgäste zu schützen, so Spannuth: «Ein permanenter Wechsel in den Schlafabteilen wäre dem Komfort abträglich.» Deswegen gebe es zwischen bestimmten Halten die Möglichkeit nicht, ein- und kurz danach wieder auszusteigen. Kommentar rechts