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Die Bundesbahnen verkündeten gestern den grössten Stellenabbau seit Jahrzehnten – 1400 Stellen bis zum Jahr 2020. Ein notwendiger Schritt, sagen die einen, völlig überzogen, die anderen
Noch ist die Bewerber-Rubrik auf der SBB-Homepage prall gefüllt und bunt gemischt: Wer sich heute bei den Schweizerischen Bundesbahnen bewerben will, findet auf deren Internetseite eine Auswahl von 110 Jobs. Eines der jüngsten Inserate, frisch von Donnerstag: Die SBB suchen «angehende Zugverkehrsleiterinnen/Zugverkehrsleiter». Diese überwachen das Schienennetz und stellen Signale und Weichen «für täglich Tausende von Zügen». Qualifiziert für den Job ist, wer unter 40 ist, eine dreijährige Berufslehre oder Matura in der Tasche hat und zwei Landessprachen spricht. Eine achtmonatige Intensivausbildung und los gehts.
Leicht dürfte es den Bundesbahnen nicht fallen, die offene Stelle zu besetzen. Nicht nach der Ankündigung von Donnerstag. 1400 Jobs, erklärte Konzernchef Andreas Meyer in Bern, werden bis zum Jahr 2020 abgebaut. Betroffen sind vor allem die Bereiche Administration und Verwaltung – aber eben auch «Berufsgruppen, die für den zuverlässigen und sicheren Betrieb der Bahn unentbehrlich sind», klagt die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV). Und nennt als Beispiel: «Zugverkehrsleiterinnen und -leiter».
Um es klarzustellen: Der Jobabbau soll laut SBB «wenn immer möglich über natürliche Fluktuationen und Pensionierungen erfolgen». Die Bahn verspricht, die Stellenreduktionen sozialverträglich zu gestalten. Natürliche Fluktuation hiesse, dass keine Kündigungen ausgesprochen werden müssten, sondern Positionen nach Wechseln oder Pensionierungen nicht mehr neu besetzt würden. Die Aufregung ist trotzdem gross.
Zwar ist nicht neu, dass die SBB sparen müssen – auch beim Personal. Dass Jobs wegfallen werden, ist seit vergangenem November klar. Damals lancierte SBB-Chef Meyer sein Sparprogramm «Railfit 20/30», das er von den Unternehmensberatern von McKinsey ausarbeiten liess. Damals war allerdings noch von 900 Jobs die Rede. Dass nun gleich 500 Arbeitsplätze zusätzlich wegfallen sollen, erwischte am Donnerstag selbst Bundespolitiker auf dem falschen Fuss (siehe am Ende des Artikels).
Aber auch der SEV und dessen Gewerkschaftskollegen empörten sich. Ein Schuldiger wurde dabei recht schnell ausgemacht: McKinsey. Die schneidigen Unternehmensberater hätten ihr übliches Programm durchgezogen – und das laute: Stellen abbauen. Dem SEV schwante vor Monaten bereits Böses: Schon bei der Ankündigung von Railfit 20/30 im letzten November habe man sowohl die einseitige Ausrichtung auf einen massiven Stellenabbau als auch die Wahl der Beraterfirma McKinsey kritisiert, «die dafür bekannt ist, dass sie ausschliesslich auf Abbau fixiert ist», liess die Gewerkschaft am Donnerstag wissen. Nun hätten sich «die schlimmsten Befürchtungen bestätigt». Als «völlig verfehlt», bezeichnete die Gewerkschaft den Plan.
Pro-Bahn-Präsident Kurt Schreiber relativierte indes den Entscheid der SBB: Grundsätzlich sei die Reduzierung positiv, denn die SBB hätten in den letzten Jahren in der Verwaltung «massiv Stellen aufgebaut». Die Abbaupläne müssten nun zwar «mit Mass» durchgeführt werden, seien an sich jedoch verantwortbar. Jedes Unternehmen müsse schauen, dass es seine Kosten im Griff behält.
Schreiber warnte indes vor Kürzungen an der falschen Stelle: Bei Zugbegleitern etwa dürfe nicht gespart werden – im Gegenteil: hier müsste sogar ausgebaut werden. «Schalter dürfen ebenfalls nicht geschlossen werden», fordert er. Dass die Sparmassnahmen ohne merklichen Qualitätsverlust über die Bühne gehen – das sei nun die Aufgabe der SBB und von deren Chef Andreas Meyer.
Dieser gab sich am Donnerstag denn auch alle Mühe, den Kundennutzen des Programms herauszuheben. «Die Billettpreise müssen stabil bleiben oder sogar sinken», sagte er. Ziel sei, dass der Bahnkunde nichts vom Kostensparen mitbekommt.
In der Tat sind die SBB in ihren Möglichkeiten durchaus eingeschränkt – was nicht zuletzt die Verhandlungen mit Preisüberwacher Stefan Meierhans vor einer guten Woche zeigten. 50 Millionen Franken rang Meierhans den Transportunternehmen ab. In dieser Höhe wurden Preiserhöhungen zurückgenommen. Auch wenn Konsumentenschützer mit dem Ergebnis nur mässig zufrieden waren – für die SBB war es ein neuerlicher Fingerzeig, dass die Billettpreise nicht unbegrenzt in die Höhe geschraubt werden können.
Hinzu kommt, wie SBB-Chef Meyer am Donnerstag betonte, ein künftiges Missverhältnis von staatlichen Zuschüssen und notwendigen Ausgaben. Letztere würden aufgrund der steigenden Passagierzahlen in einem Masse zunehmen, das mit Staatsgeld nicht gedeckt werden könne. Und da die Bahn selbst immer weniger Gewinn einfährt – zuletzt waren es 20 Millionen Franken weniger als im Vorjahr –, muss eben gespart werden – unter anderem am Personal.
Leer wird es künftig trotzdem nicht werden auf der Inserateseite der SBB — thematisch jedoch einseitiger. Denn parallel zum Abbau der 1400 Stellen über verschiedene Konzernbereiche hinweg sollen 200 neue Jobs im Personenverkehr entstehen.