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Bei der Zimmervermittlungsplattform Airbnb häufen sich Fälle, in denen Wohnungsbesitzer heimlich Kameras installieren und ihre Gäste ausspionieren.
Schimmelpilze, kaputte Heizung, fehlende WC-Deckel – in Ferienwohnungen findet man die abenteuerlichsten Zustände vor. Was ein Airbnb-Gast aber jüngst in einer Wohnung sah, ist in keinem Standard-Katalog vermerkt. In der Raumecke neben der Gardinenstange entdeckte er ein merkwürdiges Gerät, das er zunächst für einen Bewegungsmelder hielt. Als er das ominöse Objekt wegnahm und genauer inspizierte, sah er, dass es sich um eine internetfähige Kamera handelte. Jason Scott, der beim Internet Archive arbeitet, postete auf Twitter das Foto seines Kollegen, das den Corpus Delicti zeigte. Der Wohnungseigentümer wurde inzwischen von der Plattform verbannt, Airbnb erstattete dem Kunden die Übernachtungskosten zurück.
Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Im Oktober entdeckte ein Ehepaar aus Indiana in einer Ferienwohnung in Longboat Key in Florida (die über 40 positive Bewertungen auf Airbnb erhielt), dass in ihrem Schlafzimmer eine Kamera installiert war. Die Kamera war diskret im Rauchmelder versteckt und direkt auf das Bett gerichtet. Mit der Kamera wurde der Aufenthalt des Paares gefilmt. Der Mann verständigte daraufhin die örtliche Polizei, welche die gesamte Computerausstattung – Festplatten, Laptops, PCs und Speicherkarten – beschlagnahmte. Der Wohnungseigentümer ist mittlerweile wegen «Video-Voyeurismus» angeklagt worden.
Die britische Zeitung «Observer» berichtete von einem weiteren Fall in einer Wohnung im kanadischen Waterloo, die von acht Personen am vergangenen Silvester angemietet wurde. Eine Frau fand im Schlafzimmer, in dem sie mit ihrem Freund übernachtete, im Regal eine an einer Korbtasche befestigte Kamera, die in Richtung Bett justiert war. Offensichtlich wollte der Besitzer das Paar beim Sex filmen. Als die Gruppe die Wohnung daraufhin durchkämmte, fand sie zwei weitere Kameras – eine war in der Küche, eine andere im Wohnzimmer direkt unter dem Fernseher.
Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen, zumal nicht jeder Fall publik wird. Die deutsche Touristin Yvonne Schumacher, die mit ihrem Freund und im Dezember 2013 eine über Airbnb gebuchte Wohnung in Irving in Kalifornien bezog, machte eines Abends eine seltsame Entdeckung: Als ihr Partner zum Abendessen ein paar Kerzen anzünden wollte, sah er in der Regalwand ein blinkendes Licht, das sich als eingeschaltete Videokamera entpuppte.
Die ferngesteuerte Kamera nahm dabei auch Ton auf. Schuhmacher verklagte daraufhin den Zimmervermittler Airbnb vor einem Gericht in San Francisco. Ihr Anwalt rügte eine Verletzung der Privatsphäre. Seine Mandantin habe sich über die Dauer des Aufenthalts arglos verhalten und sei nackt durch die Wohnung gelaufen. Auch seien vertrauliche Gespräche aufgezeichnet worden. Ein Airbnb-Sprecher sagte damals, man nehme die Privatsphäre «extrem ernst».
Das Portal «Mashable» hat derweil eine Handreichung veröffentlicht, wie man versteckte Kameras entlarven kann – auch dort, wo man sie zunächst nicht vermutet, etwa in Schrauben oder Weckern. Wer Zweifel habe, solle die Batterien wechseln oder ein Handtuch über das verdächtige Gerät hängen. Doch kann das die Lösung sein? Das Problem sind nicht allein versteckte Kameras, sondern all die Kameras, die mehr oder weniger offensichtlich in Wohnungen installiert sind.
Smart-TVs, Tablets, smarte Kühlschränke, Staubsaugroboter – an jeder Ecke lauern Videokameras, von denen der Verbraucher nicht weiss, ob sie gerade aktiviert sind und sich Dritte – etwa durch einen Hack – unbefugten Zugriff verschaffen. Wikileaks enthüllte, dass die CIA von ihrer Frankfurter Zentrale aus mit einem Hackertool Smart-TVs von Samsung anzapfte und in einen Fake-Off-Modus schaltete, der dem Nutzer suggerierte, er hätte den Fernseher abgeschaltet, obwohl er an war. Die Frage ist, was noch privat sein soll, wenn in Wohnungen immer mehr Sensoren und Kameras installiert werden.
Amazon hat kürzlich den Dienst Key gestartet, der es Paketboten erlaubt, Päckchen direkt im Hauseingang abzulegen. Der Paket-Drop-off wird per Videokamera dokumentiert. Der Kunde kann sich live in die Cloud-Kamera einschalten oder nach der Lieferung einen Clip anschauen – zur Sicherheit, dass der Kurier keine Gegenstände entwendet. Auch Airbnb-Besitzer, die das digitale Türsystem installiert haben, könnten sich unter dem Vorwand, die Paketsendung zu verfolgen, in den Stream einklinken und heimlich ihre Gäste überwachen. Ein Albtraum.
Die Kameras bedienen einerseits einen dem Menschen innewohnenden Voyeurismus. Andererseits nähren sie aber auch eine fatale Überwachungsparanoia. Wenn man hinter jeder Öffnung und Wand eine Kamera wittern muss, ist der Erholungsfaktor schnell vorbei.