Laut einer Studie will eine Mehrheit der Arbeitnehmer nach der Coronakrise Homeoffice beibehalten. Nun reagieren Arbeitgeber, wie das Beispiel von Also aus Emmen zeigt.
Mit den ersten wirtschaftlichen Lockerungen kehrten diese Woche zahlreiche Angestellte erstmals seit langem wieder ins Büro zurück. Zwar gilt weiterhin die bundesrätliche Weisung, dass im Homeoffice arbeiten soll, wer kann. Doch das Abflachen der Ansteckungskurve verleitet einige Arbeitgeber dazu, das bisher harte Homeoffice-Regime zumindest etwas zu lockern.
Mittlerweile sind die Arbeitnehmer aber auf den Geschmack gekommen. Eine aktuelle Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz hat ergeben, dass mehr als 70 Prozent der 333 Befragten sich im Homeoffice wohl oder sehr wohl fühlen. Sie möchten diese Art der Arbeitsorganisation auch nach der Coronakrise beibehalten. «Die Arbeitgeber werden darauf reagieren müssen und ich vermute, dass sie das auch wollen, weil sie den Nutzen für sich und ihre Mitarbeiter erkennen konnten», sagt Professorin Sylvia Manchen Spörri, Leiterin des Studiengangs Business Psychology an der Hochschule Luzern.
Tatsächlich scheint nun bei manchem Arbeitgeber ein Umdenken stattzufinden. Beispielsweise bei Also in Emmen. Anfang Woche hat der börsenkotierte Logistikkonzern und Technologieanbieter zwar begonnen, die Büropräsenz schrittweise wieder zu erhöhen – doch das alte Regime der fast 100-prozentigen physischen Präsenz ist bald Geschichte, wie der Chef der Schweizer Niederlassung Tom Brunner erklärt. «Bislang waren die meisten der rund 200 Büroangestellten im Emmen der Meinung, dass sie unmöglich von zu Hause aus arbeiten können. Nun aber ist es plötzlich möglich.» Auch für Brunner selbst war Homeoffice bisher kein regelmässiges Thema. Die Coronakrise habe für ein Aha-Erlebnis gesorgt. «Ich war erstaunt, wie effizient ich arbeiten konnte – trotz Kinder im Haushalt.» Die Forschung bestätigt das, wie Professorin Sylvia Manchen Spörri sagt: «Effizienz und Produktivität steigen in der Regel bei der Arbeit zu Hause.»
Bei Also haben die Mitarbeiter regen Kontakt mit Lieferanten und Geschäftskunden. «Es gibt bei uns viele Sitzungen und ich war skeptisch, ob dies auch von zu Hause aus möglich sein würde. Doch die Eigenverantwortung und die Disziplin sind hoch. Bis heute hat sich kein Kunde oder Lieferant beschwert und das Feedback der Angestellten ist gut», sagt Brunner.
Was für Also neu ist, gilt für andere Arbeitgeber seit längerem. So zog etwa das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC Ende 2018 mit hundert Angestellten von der Luzerner Werftestrasse in neue Büros oberhalb des Luzerner Bahnhofs. Speziell dabei: PwC bezog im Bahnhof bewusst eine kleinere Fläche als früher, weil viele Angestellte häufig unterwegs beim Kunden sind oder auch von zu Hause aus arbeiten.
Der Sitzleiter von PwC Luzern Norbert Kühnis sagt, man habe dank diesem Konzept zu Beginn der Coronakrise praktisch nichts umstellen müssen: «Wir waren von Tag eins an bereit.» Viele Bauherren, die Büros in der Region planen, liessen sich in den letzten Monaten das PwC-Konzept erklären. «Wir stellen fest, dass ein grosses Interesse daran besteht», so Kühnis.
Für Tom Brunner ist klar, dass Also nicht mehr zurück zum alten Regime übergeht. Mittelfristig werde es in Emmen nur noch eine Minimalbesetzung geben. «Ein Drittel der Belegschaft wird alternierend im Homeoffice sein.» Zwingen werde man sicher niemanden. «Es gibt Angestellte, die sich bei der Arbeit zu Hause nicht wohl fühlen, das muss man selbstverständlich berücksichtigen.» Finanzielle Überlegungen stünden dabei nicht im Vordergrund, sagt Brunner: «Es ist nicht so, dass wir nun die frei werdende Fläche vermieten können.» Vielmehr wolle man als Arbeitgeber für Fachkräfte attraktiv bleiben.
Professorin Sylvia Manchen Spörri ist überzeugt, dass die Coronakrise zu mehr Homeoffice führen wird. «Arbeitgeber konnten jetzt experimentieren und man war fehlertoleranter, das hat sie vorwärtsgebracht.» Eine veraltete Führungskultur, wonach genau kontrolliert wird, wer wann wo ist und was er macht, sei nicht mehr zeitgemäss. «Vertrauen ist das Zauberwort», sagt sie.
Aufholpotenzial sieht sie insbesondere bei kleineren Unternehmen. Selbst in Branchen, wo man es nicht unbedingt erwarten würde, sei Homeoffice aufgrund der Digitalisierung denkbar. Sie macht ein Beispiel: «Ein Automechaniker kann Ferndiagnosen auch von unterwegs über den Laptop stellen.»
Trotz der aktuellen Euphorie gibt die Professorin aber zu bedenken, dass im Homeoffice auch Gefahren lauern. So sei etwa wichtig, dass die Daten gut geschützt seien. «Ein grosses Problem ist auch, dass man zu Hause tendenziell mehr arbeitet als im Büro.» Pausen seien deshalb essenziell.
Letztlich sei eine gute Balance zwischen Homeoffice und physischer Präsenz wichtig. «Gerade in kreativen Berufen ist ein regelmässiger informeller Austausch beim Kaffee wichtig.» Und manchmal braucht man ganz einfach den Kontakt zu den Kollegen. «Homeoffice kann für viele eine Herausforderung sein; gerade junge Leute, die vielleicht alleine wohnen, vermissen nach längerer Zeit im Homeoffice den Austausch», sagt auch Norbert Kühnis von PwC. Professorin Sylvia Manchen Spörri plädiert deshalb für gemeinsam im Team definierte Zeitfenster, während denen man vor Ort sein sollte.