Wo sich Verantwortung für die Wirtschaft auszahlt

Bis vor zehn Jahren genossen die Banken eine immense und mehrheitlich positive mediale Aufmerksamkeit. ­ In der Finanzkrise wurde diese Resonanz zum Bumerang für die ganze Wirtschaft. Eine neue Studie zieht Lehren daraus.

Daniel Zulauf
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28. Januar 2009: Demonstration gegen UBS-Boni am Zürcher Paradeplatz. (Bild: Archivbild: Andreas Meyer/Keystone)

28. Januar 2009: Demonstration gegen UBS-Boni am Zürcher Paradeplatz. (Bild: Archivbild: Andreas Meyer/Keystone)

Die Grösse und die wirtschaftliche Bedeutung der Grossbanken für die Schweiz hat sich mit der Finanzkrise etwa halbiert. Das Land hat deren Schrumpfkur aber mehr als nur gut verdaut. Vielmehr hat die Gewichtsverlagerung den Wirtschaftsstandort auch widerstandsfähiger gegen Reputationsschäden gemacht. Diesen Schluss legt eine Studie des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) der Universität Zürich und der Basler Beratungsfirma Comms­Lab nahe. Die Suva hat die Studie aus Anlass ihres 100-jährigen Bestehens unterstützt und herausgegeben.

Die Autoren erforschen die öffentliche Wahrnehmung der Schweizer Wirtschaft und ihrer einzelnen Sektoren seit Jahren anhand eines speziellen Index, der die Intensität der Berichterstattung in den Medien mit der Bewertung der einzelnen Ereignisse verrechnet. Die Methode folgt der Logik, dass Schlüssel­ereignisse in einem Umfeld mit generell starker Medienresonanz die Reputationsdynamik auch langfristig bestimmen.

Negativ gefärbte Berichte über die Finanzbranche

Die Finanzwirtschaft dominierte die Schweizer Wirtschaftsmedien nicht erst nach Ausbruch der Finanzkrise, sondern die Branche und insbesondere ihre beiden grössten Repräsentanten sorgten schon vorher mit spektakulären Rekordzahlen für eine weit überproportionale Resonanz in der Berichterstattung. Vereinfacht gesagt, drehte sich in jenen Jahren der Superlative fast jeder zweite Zeitungsartikel im Wirtschaftsteil der Schweizer Presse um die Finanzbranche.

Die immense Popularität der Branche erwies sich in den Jahren des Niedergangs als Bumerang für die ganze Wirtschaft. Vor zehn Jahren, als die UBS vom Staat gerettet werden musste, erreichte der Reputationsindex der Schweizer Wirtschaft einen Tiefstand. Jeder sechste Medienbericht über die Wirtschaft war zu jener Zeit negativ gefärbt – natürlich vorwiegend aufgrund der Banken, deren zweifelhafte Berühmtheit in den Medien bis dahin sogar noch weiter gestiegen war.

Der Rufschaden wirkte lange nach. Erst ab 2017 war die Berichterstattung über die Schweizer Wirtschaft wieder tendenziell positiv und nicht mehr eindeutig negativ gefärbt (2018 ist die Reputation wieder in den negativen Bereich zurückgefallen). Die Folgen des Reputationsproblems sind bekannt. 2013 stimmte die Schweizer Bevölkerung mit einer Zweidrittelmehrheit der Abzocker-Initiative zu. Die intensive Nein-Kampagne der Wirtschaft unter Führung des Dachverbandes Economiesuisse blieb ebenso wirkungslos wie die Taktik des Parlamentes, den Volksentscheid über Jahre hinauszuzögern. Die Vertrauens­krise gegenüber der Wirtschaft führte im Februar 2014 auch zur Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative. Economiesuisse hat sich von diesen Niederlagen bis heute nicht erholt.

Dass 2010 Johann Schneider-Ammann als Vertreter und Präsident des Schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie-Verbandes Swissmem als neuer Wirtschaftsminister in den Bundesrat berufen wurde, erscheint im Rückblick schon fast wie programmiert. Die Industrie verzeichnete einen starken Reputationsgewinn, allein schon deshalb, weil sie weit genug von der Finanzbranche entfernt war.

Pharma-, Maschinen- und Luxusindustrie gewinnen

Seit dem letzten Frankenschock im Januar 2015 reicht die Abgrenzung vom Bankensektor allein aber nicht mehr aus, um den Ruf aufzupolieren. Honoriert werden unspektakuläre, aber als stabil wahrgenommene Geschäftsmodelle, die nicht zuletzt mit kompetenter Unternehmensführung verbunden werden. Zu den Reputationsgewinnern gehören klassische Schweizer Erfolgssektoren wie die Luxusgüterbranche, die Maschinen- oder die Pharmaindustrie. Die Branchen stehen für eine starke Wirtschaft, die sich mit ihren Exporten auf ausländischen Märkten behaupten können und damit auch im Stande sind, im eigenen Land Arbeitsplätze zu schaffen.

Reputationsverlust bedeutet Einbusse von Macht

Es sind die Branchen, die in der öffentlichen Meinung für so etwas wie «volkswirtschaftliche Verantwortung» stehen. Auch national orientierte Banken und Assekuranzfirmen haben ihr Profil als verantwortungsvolle Unternehmen über die Beziehung klarer Positionen in wichtigen gesellschaftlichen und politischen Themen im Inland (etwa Altersvorsorge) geschärft. Dass diese Branchen auch an der Börse besser abschneiden, ist im Rückblick wenig überraschend, obschon die Autoren der Studie bemüht waren, Rückkoppelungseffekte auf die Reputation zu neutralisieren.

Interessant ist die Erkenntnis, dass die verzerrte öffentliche Wahrnehmung einzelner Branchen ein Risiko für die Reputation der ganzen Wirtschaft darstellen kann, wenn diese Branchen eine überdimensionierte Bedeutung erlangen. Ein Reputationsverlust bedeutet für die Wirtschaft eine Einbusse der Deutungsmacht und damit ein Verlust an Einfluss auf die Gestaltung der Politik und der Regulierung.