Trotz Frankenstärke investiert die Krienser Firma Curaden in den Ausbau einer Fabrik in St. Gallen. Dort werden seit August Spezialzahnbürsten hergestellt.
Livio Brandenberg
Viele Schweizer Unternehmen verlagern seit Januar ihre Produktion – und auch andere Geschäftsaktivitäten – ins Ausland, überall muss gespart werden, so scheint es. Just in dieser Zeit eröffnet die Krienser Dentaltechnik- und -pflegefirma Curaden AG im sanktgallischen Degersheim eine Fabrik, in der Zahnbürsten hergestellt werden. Curaden ist spezialisiert auf Zahnpflege, Umsatzträger ist die Spezialzahnbürste der Marke Curaprox – jährlich verkauft Curaden über 25 Millionen Stück in über 60 Länder (siehe Box). In Degersheim wird schon seit Anfang August produziert, Ende der Woche wurde die Fabrik von Curaden-Inhaber und CEO Ueli Breitschmid sowie COO Marco Zavalloni offiziell eröffnet.
In die Schweizer Produktion investieren, wenn der Druck am grössten ist – der Franken ist nach wie vor überbewertet: Wie geht das auf? «Der Entscheid, in Degersheim Zahnbürsten selber zu produzieren, ist schon im Sommer letzten Jahres gefallen», sagt Ueli Breitschmid. Doch schlussendlich spiele das gar keine Rolle, ergänzt der Luzerner Unternehmer sogleich. «Wichtig ist die Qualität – diese wird sich durchsetzen», sagt er. Ausserdem sei die Schweiz ein guter Standort, sofern die Produktionsabläufe stark automatisiert seien. Das sei in Degersheim der Fall. Geschaffen wurden in Degersheim sieben Stellen, bei Bedarf kommen zwei bis sechs weitere dazu.
Dieses antizyklische Investment passt zu Ueli Breitschmid, der in Meggen Biowein produziert und dem diverse Immobilien gehören, die er unter anderem dem Zentralschweizer Gastronomieunternehmen Sinnvoll Gastro vermietet. Er ist bekannt dafür, unkonventionell zu denken und zu handeln.
Für den Aufbau und den Betrieb der Fabrik in der Ostschweiz wurde im letzten Januar die Tochterfirma Curaplast AG gegründet. Mit dieser Gründung vollzog Curaden den Schritt vom reinen Händler von Zahnbürsten zum Produzenten – ein Meilenstein in der über 60-jährigen Geschichte der Firma.
Geführt wird Curaplast von Marco Zavalloni, der vor gut zwei Jahren zum Unternehmen stiess. Er war es, der seinen Chef Ueli Breitschmid überzeugte, einen eigenen Produktionsstandort in der Schweiz aufzubauen. Laut Marco Zavalloni war die Abhängigkeit von bislang einem einzelnen Produzenten der Hauptgrund für den Schritt. Denn Curaden liess seine Zahnbürsten seit Beginn der Produktion 1993 von den Ebnat-Bürstenwerken in Ebnat-Kappel herstellen. «Als ich zu Curaden kam, haben wir im Rahmen einer Risikoanalyse verschiedene Produkte und Lieferanten analysiert», erzählt Zavalloni. «Aufgrund der grossen Nachfrage war schnell klar: Die Curaprox-Spezialzahnbürste ist strategisch enorm wichtig.»
Was dem neuen COO auch auffiel: Die riesigen Mengen stammten von einem einzigen Lieferanten, den Ebnat-Bürstenwerken in Ebnat-Kappel. Der Schluss der Analyse war eindeutig: Das Risiko, mit nur einem Lieferanten aufgestellt zu sein, ist zu gross. Sollte es – etwa wegen einer Naturkatastrophe oder eines Brandes – einen Stillstand in der Ebnat-Fabrik geben, wäre das für Curaden verheerend. «Ausserdem sagten mir die Ebnat-Verantwortlichen, dass man mit den Kapazitäten für die Herstellung der Curaprox-Zahnbürsten an die Grenzen stosse. Da sagte ich: ‹Wir brauchen einen weiteren Partner oder einen eigenen Produktionsstandort›», blickt Marco Zavalloni zurück.
Für dieses Vorhaben stellte Inhaber Breitschmid Marco Zavalloni gut 10 Millionen Franken zur Verfügung und liess ihm freie Hand bei der Suche und der Planung. Einzige Vorgabe war, Maschinen und Infrastruktur anzuschaffen, um 10 Millionen Zahnbürsten im Jahr herstellen zu können. Geplant sind 12 Millionen Bürsten pro Jahr. Mit zwei Mitarbeitern mehr und drei Arbeitsschichten sind bis zu 25 Millionen möglich. Laut Zavalloni verzeichnet Curaden bei den Bürsten momentan eine Wachstumsrate von 10 bis 20 Prozent. Und: Die Expansion nach Asien ist aufgegleist. Um die Nachfrage decken zu können, wird Ebnat weiter ein wichtiger Partner von Curaden bleiben.
Auf das Areal mit Produktionshallen in Degersheim stiess der Curaden-COO durch Zufall. Die Eigentümerfamilie wollte das Gelände und die Fabrikhallen möglichst rasch verkaufen, so fand man sich schnell. Nach knapp einem Jahr stand die neue Produktionsstätte in Degersheim. Dort sollen nicht nur Handzahnbürsten, sondern ab November auch elektrische Schallzahnbürsten hergestellt werden. Das Areal in Degersheim ist bei weitem noch nicht ausgelastet: Breitschmid erstand rund 5000 Quadratmeter, wovon 2500 noch bebaubar sind. «Wir möchten weitere Hallen bauen, um weitere strategisch wichtige Produkte selber herzustellen», sagt Marco Zavalloni. «Der Standort Degersheim ist eine Investition in die Zukunft. Wir stehen zum Werkplatz Schweiz und sind überzeugt, dass hier zu konkurrenzfähigen Preisen produziert werden kann», sagt Zavalloni.
Ueli Breitschmid bestätigt: «Wenn es wie geplant läuft im neuen Werk, dann werden wir die Produktion von anderen Produkten – etwa einem neuen Schnuller, der aktuell noch in China hergestellt wird – nach Degersheim holen. Das könnte in knapp zwei Jahren bereits der Fall sein.»