ZENTRALSCHWEIZ: Negative Folgen für die Lieferkette

Die USA sind nach Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz. Die Präsidentschaftswahlen werden denn auch von den hiesigen Konzernchefs gespannt verfolgt. Einzelne warnen und fürchten negative Folgen.

Maurizio Minettimaurizio.minetti@luzernerzeitung.chmaurizio Minettimaurizio.minetti@luzernerzeitung.ch
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Einblick in die BioPharma, einer Tochtergesellschaft von MSD. Bild: Dominik Wunderli (Werthenstein, 20. Mai 2015)

Einblick in die BioPharma, einer Tochtergesellschaft von MSD. Bild: Dominik Wunderli (Werthenstein, 20. Mai 2015)

Trump oder Hillary? Diese Frage stellen sich auch viele Unter­nehmer aus der Zentralschweiz. Unter dem Strich – so kann man es aus den Aussagen von Wirtschaftsvertretern herauslesen – würde man sich mehrheitlich Hillary Clinton wünschen, da mit ihr keine bösen Überraschungen zu erwarten sind. Der Protektionismus von Donald Trump wird als Bedrohung für die globale Wirtschaft betrachtet.

Hinter vorgehaltener Hand ist der Tenor klar – explizit Stellung nehmen wollen aber nur die wenigsten der angefragten mittelgrossen bis grossen Zentralschweizer Firmen. «Über den Ausgang der Wahl spekulieren wir nicht», heisst es etwa beim Roche-Konzern, der in Rotkreuz über 2000 Leute beschäftigt. Zurückhaltung auch beim Messerhersteller Victorinox aus Ibach oder beim Ebikoner Lifthersteller Schindler: «Wir möchten uns zu politischen Themen und Spekulationen infolge der US-Präsidentschaftswahl nicht äussern.» Der Flugzeughersteller Pilatus erwirtschaftete letztes Jahr in Nordamerika einen Umsatzanteil von rund 20 Prozent, zur Auswahl zwischen Donald Trump und Hillary Clinton heisst es aber auch aus Stans: «Dazu möchten wir uns nicht äussern.» Die Schweigsamkeit ist verständlich. Kein Unternehmen möchte sich die Erfolgschancen verbauen, sollte die oder der Unliebsame doch noch an die Macht kommen.

Wichtiger Wachstumsmarkt

Die Vereinigten Staaten sind nach Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz, und das Handelsvolumen zwischen den beiden Nationen steigt. Weil wegen der Euroschwäche die EU als Absatzmarkt an Attraktivität verloren hat, spielt Amerika neben Asien eine immer wichtigere Rolle für Schweizer Unternehmen. Selbst der inzwischen beigelegte Steuerstreit hat die Beziehungen nicht nachhaltig ramponiert.

Zur politischen Entwicklung will sich zwar auch der Rüstungs- und Technologiekonzern Ruag nicht äussern. Doch betont die Firma die Stellung der USA als Wachstumsmarkt. 2015 setzte Ruag in Nordamerika 212 Millionen Franken um; im Vorjahr waren es 196 Millionen gewesen. Ab 2017 produziert die Raumfahrtdivision Ruag Space in Alabama Raketenbauteile. Am Standort in Decatur sollen bis 2019 rund 100 Stellen entstehen. Und dies, ohne dass dafür Stellen in Emmen verloren gehen. Auch Dätwyler baut in den USA aus. Der Altdorfer Industriezulieferer will in den kommenden zwei Jahren im US-Bundesstaat Delaware mehr als 100 Millionen Franken in ein neues Werk für die Fertigung von Elastomerkomponenten für die Pharmaindustrie investieren. Auch in diesem Fall bedeutet die Expansion in den USA keinen Abbau für den heimischen Markt: Die Elastomerkomponenten wurden bisher in Belgien gefertigt. Insgesamt erwirtschaftet die Dätwyler-Gruppe in Nord- und Südamerika 180 Millionen Franken Jahresumsatz, wobei der Schwerpunkt in den USA liegt. Dies entspricht rund 15 Prozent des Konzernumsatzes. Dätwyler-Sprecher Guido Unternährer sagt, dass unabhängig vom Ausgang der Wahlen die Firma «keine nachhaltigen Veränderungen in den bearbeiteten Branchen» erwartet. Dätwyler beliefert die US-Automobil- und die Gesundheitsindustrie mit Dichtungskomponenten. Für beide Kundengruppen verfügt Dätwyler über je eine eigene Produktions- und Vertriebsstätte vor Ort.

Für die Gesundheitsbranche dürfte der US-Markt in Zukunft allerdings schwieriger werden. Hillary Clinton will eine Senkung der Medikamentenpreise verordnen, und Donald Trump will das Krankenversicherungssystem Obamacare abschaffen. Pharmafirmen könnten dann wohl we­niger Medikamente an ärmere Amerikaner verkaufen. Wenn die Pharmabranche leidet, könnte entlang der Lieferkette auch der Zulieferer Dätwyler leiden.

Diese Überlegung ist auch beim Luzerner Medikamentenhersteller MSD Merck Sharp & Dohme ein Thema. Nicht nur ist das Mutterhaus Merck & Co. in New Jersey domiziliert, auch macht das Geschäft in den USA fast die Hälfte des gesamten globalen Umsatzes von MSD aus. MSD-Sprecherin Angelika März äussert sich diplomatisch: «Das Gesundheitswesen stellt in beiden Wahlkampagnen ein wichtiges Thema dar. Unabhängig vom Ausgang der Wahlen wird sich MSD weiterhin dafür einsetzen, ihre Medikamente und Impfstoffe für die Menschen, die diese benötigen, zugänglich zu machen.»

Landis + Gyr fürchtet die «Mexiko-Mauer»

Und dann gibt es sie doch noch, die klare politische Aussage. Sie kommt vom Zuger Stromzählerhersteller Landis + Gyr. Rund die Hälfte des Konzernumsatzes macht Landis + Gyr in Amerika, davon den dominierenden Teil in den USA. Von 6036 Beschäftigten weltweit sind 1528 in dieser Region angestellt. Die Produkte, die Landis + Gyr in den USA verkauft, werden zwar schwergewichtig dort entwickelt – die Fertigung findet aber in Mexiko statt. Donald Trump will bekanntlich eine Mauer zwischen den USA und Mexiko bauen lassen, um so die illegale Einwanderung einzudämmen. Firmensprecher Thomas Zehnder sagt dazu: «Wenn – auch im übertragenen Sinn – die beiden Länder von einer Mauer getrennt werden sollten, dürfte dies auch den Warenverkehr sicherlich nicht positiv beeinflussen.» Insofern beobachte man bei Landis + Gyr die Situation aufmerksam, man entwickle derzeit aber keine vorausgreifenden Krisenszenarien. Diese Strategie dürfte für die meisten anderen Zentralschweizer Firmen auch ihre Gültigkeit haben.

Maurizio Minetti