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Am 1. November ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB) von den Finanzmarktaufsehern als systemrelevant eingeschätzt worden. Wenn die Bank jetzt rasch und richtig handelt, wird sie entscheidend gestärkt werden.
Seit dem 1. November ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB) von den Finanzmarktaufsehern als systemrelevant eingeschätzt worden. Das klingt deutlich abstrakter als das griffige «too big to fail»-Prädikat der angelsächsischen Bankenwelt. Die englische Umschreibung bringt es auf den Punkt: Wenn eine entsprechend eingestufte Bank pleite geht, droht der Wirtschaft und dem Staat mindestens einen beträchtlichen Schaden.
Bei der UBS und der Credit Suisse ist der Fall vergleichsweise einfach: Ihre Bilanzen sind mit 1049 Milliarden bzw. 895 Milliarden Franken mehr als doppelt so gross, wie das Bruttoinlandprodukt der Schweiz. Sie müssten auf jeden Fall gestützt werden, wenn was Grosses passiert.
Die ZKB ist mit ihren 150,7 Milliarden daneben fast ein Zwerg. Sie hat mit einer Staatsgarantie sowie mit den drei Triple-A-Ratings der führenden Agenturen. Das ausgewiesene Eigenkapital liegt bei 8,8 Milliarden. Daraus leitet sich ein Leverage Ratio, ein Schulden-zu-Eigenkapitalverhältnis von 6 Prozent ab, gut doppelt so viel wie bei den Grossbanken.
Aber das genügt heute nicht mehr. Denn erstens ist die Bilanzsumme seit 2008 um ein Drittel gestiegen. Grund ist der Immobilienboom. Wenn der Immobilienmarkt aufgrund nachlassender Zuwanderung, steigender Zinsen oder einem andersweitig ausgelösten Rückgang der Wirtschaft einbricht, kommt die ZKB in die Bedrouille. Die Immobilien konzentrieren sich zudem um Zürich, dadurch bestehen grössere geografische Klumpenrisiken als beispielsweise bei der Raiffeisen-Bank. Und diese Risiken hängen miteinander zusammen, sie «korrelieren». Damit können sich eigentlich kleinere, begrenzte Probleme hochschaukeln und zu einem viel zu grossen Problem anwachsen.
Zudem sind die schönen Ratings tückisch: Sie basieren auf der Staatsgarantie. Dahinter stehen die Steuerzahler. Ohne diese Garantie hätte die ZKB ein sogenanntes «Stand-Alone»-Rating von vielleicht AA mit negativem Ausblick.
Schliesslich ist eine moderne Ausgestaltung der Eigenkapitalbasis überfällig. Das Gesellschaftskapital umfasst lediglich 1,925 Milliarden Franken. Den Grossteil des Eigenkapitals, gut 6,3 Milliarden, stellt die sogenannte «Gewinnreserve». Mit diesem Püfferchen könnten zwar kleinere Pannen ausgebügelt werden, ohne dass das «harte» Eigenkapital angegriffen wird und die Staatsgarantie abgerufen werden muss. Aber die Bankenaufseher sehen es heute lieber, wenn klare Verhältnisse herrschen und «sauberes» verlustabsorbierendes Eigenkapital, ohne weitere, nur unter speziellen Bedingungen wandelbare Kapitalsorten wie ewig laufende nachrangige Obligationen usw. vorgehalten wird.
Nun ja, das ist alles nichts Neues. Warum kommt die Aufsicht erst jetzt?
Das liegt einerseits an der Gesetzgebung. Die entsprechenden Gesetze gibt es erst seit knapp zwei Jahren. Und die Aufseher hätten eine Menge damit zu tun gehabt, erst mal die beiden Grossbanken als systemrelevant zu erklären und sich entsprechend argumentativ abzusichern, wie aus Aufseherkreisen zu hören ist. Die Aufseher entkräften zudem jetzt den Vorwurf der Grossbanken, die kleineren Banken würden weniger hart angefasst und hätten somit Wettbewerbsvorteile.
Andererseits haben sich auch einige äussere, von einer Bank nicht steuerbare Parameter in den letzten 12 Monaten verschoben: Die Zuwanderung flacht ab, es mehren sich Anzeichen einer «weichen Landung» auf dem Immobilienmarkt und alleine die Grossbankenregulierung wird die Schar potenzieller Käufer von teuren Wohnungen in und um Zürich dezimieren.
Der Ball liegt jetzt bei der ZKB. Wenn sie - zusammen mit dem Kantonsrat - richtig und rasch reagiert, ihr Eigenkapital modernisiert und aufstockt, kann sie sich zukünftig damit rühmen, weltweit die wohl kleinste Bank mit dem Prädikat «systemrelevant» zu sein. Als Auszeichnung, nicht als Makel.