Zusatzschichten und Samstagsarbeit: Corona kurbelt die Produktion von Zentralschweizer Firmen im Medizinalbereich stark an

Viele Unternehmen, die Komponenten für Medizinalgeräte herstellen, mussten ihre Produktionskapazitäten in den letzten Wochen stark erhöhen.

Evelyne Fischer
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Zur Bewältigung der Coronakrise sind zahlreiche Produkte und Dienstleistungen von Firmen aus der Zentralschweiz im Medizinalbereich besonders gefragt. Eine Auswahl von Unternehmen aus unserer Region, die derzeit in gewissen Geschäftsbereichen eine speziell hohe Nachfrage feststellen:

KNF Flodos, Sursee: Der Pumpenhersteller gibt Vollgas

Sie stehen in Spitälern rund um den Globus und sind im Kampf gegen das Coronavirus von grosser Bedeutung: Analyse-, Beatmungs- und Desinfektionsgeräte. Viele von ihnen haben eines gemein: Sie enthalten Komponenten der in Sursee ansässigen KNF Flodos AG. Nämlich Membranpumpen, die Flüssigkeiten respektive Gase befördern.

Ein Mitarbeiter von KNF Flodos bei der Endkontrolle einer Pumpe.

Ein Mitarbeiter von KNF Flodos bei der Endkontrolle einer Pumpe.

Bild: PD

KNF Flodos, gegründet 1987, ist laut eigenen Aussagen der führende Lieferant solcher Pumpen. Weltweit beschäftigt die Gruppe 850 Mitarbeiter in rund 20 Unternehmen. In Sursee und Reiden sind zwei der fünf Entwicklungs- und Produktionsstandorte angesiedelt. Pumpen «made in Sursee» wurden mit grosser Wahrscheinlichkeit gar ins Notspital von Wuhan geliefert. CEO Boris Aenishänslin sagt: «Im Bereich Medtech, der 40 Prozent unseres Umsatzes ausmacht, beobachten wir seit Anfang März eine starke Bestellungszunahme.» Jährlich stellt KNF Flodos 600'000 Pumpen her; China, USA, Deutschland und Japan zählen zu den wichtigen Exportmärkten. Prognosen dazu, wie stark sich Corona auf die Produktion auswirken wird, macht Aenishänslin keine. «Dafür ist es noch zu früh.»

Aufgrund der Pandemie mussten die Betriebsabläufe innert Kürze umgekrempelt werden. Als hierzulande die ersten Fälle auftauchten, war klar: «Wo immer möglich, müssen wir den digitalen Weg gehen», so Aenishänslin. «95 unserer 180 Angestellten in Sursee schickten wir von heute auf morgen ins Homeoffice. Schwieriger war die Situation der 80 Mitarbeiter in der Produktion.» Um die Abstandsregeln sowie Hygienemassnahmen einhalten zu können und zugleich die höhere Nachfrage zu bewältigen, hiess die Lösung: zusätzliche Schichten. «In der Regel fahren wir ein- bis zweischichtig, nun haben wir die Angestellten auf drei Schichten verteilt und leisten Samstagsarbeit.» Um die physischen Kontakte möglichst zu reduzieren, werde darauf geachtet, dass sich die Schichten nicht überlappen. Nimmt die Nachfrage weiterhin stark zu, müsste sich KNF Flodos entsprechend anpassen. «Ich bin zuversichtlich, dass wir auch dann auf die Flexibilität unserer Angestellten zählen könnten», so Aenishänslin. «Sie wissen um die Wichtigkeit ihres Einsatzes und sind motiviert.»

Eine Herausforderung bleibt die Sicherstellung der Lieferkette. Betroffen ist unter anderem der Nachschub von Elektromotoren. «Wir arbeiten mit Zulieferern, die für uns extra eine Produktionslinie laufen lassen, obwohl der Rest des Betriebes stillgelegt ist», sagt Aenishänslin. «Wir setzen aber alles daran, die Hersteller der nun so dringend benötigten Geräte weiterhin zuverlässig zu beliefern.»

Axetris, Kägiswil: Infrarotquellen fürs Beatmungsgerät

Sie sind winzig und haben auf einer Fingerspitze Platz, leisten aber Grosses: Infrarotquellen, Bestandteil von jedem Beatmungsgerät. Entsprechend rund läuft es derzeit in der Produktion von Axetris in Kägiswil, einer Firma mit 140 Angestellten, die auf Mikrotechnologie spezialisiert ist. «Die Produktionszahlen von Infrarotquellen für Beatmungsgeräte haben sich im ersten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahr verzehnfacht», sagt Sprecherin Andrea Zimmermann.

Eine Axetris-Angestellte mit einer Infrarotquelle in der Hand.

Eine Axetris-Angestellte mit einer Infrarotquelle in der Hand.

Bild: PD

Die Vorjahreszahlen gibt Axetris nicht preis. Klar ist indes: «Die Nachfrage nach Infrarotquellen wird heuer 100'000 Stück übersteigen.» Die Teilchen werden nach Deutschland, Österreich, China und in die USA exportiert.

Distillerie Diwisa, Willisau: Desinfektionsmittel statt Schnaps

Aussergewöhnliche Zeiten bei der Diwisa: Seit Ausbruch der Coronakrise ist die Destillerie in die Herstellung von Desinfektionsmitteln eingestiegen. «Über 80'000 Liter haben wir bereits produziert», sagt Geschäftsführer Adrian Affentranger. Abgefüllt wird in 10-
Liter-Bidons sowie 2- und 1-Liter-Petflaschen. Von Hand.

Brennereikolonne zur Herstellung von Ethanol.

Brennereikolonne zur Herstellung von Ethanol.

Bild: PD

Zwischen 10 und 15 Angestellte kümmern sich derzeit um die Herstellung von Desinfektionsmittel, anfänglich spannte man laut «Willisauer Bote» gar bis zu 30 Mitarbeiter dafür ein. Geliefert wird das Produkt unter anderem an Spitäler, Spitex-Organisationen und Apotheken. Via Onlinehandel lassen sich die Literflaschen für 34,90 Franken erwerben.

Kunststoffprofis GmbH, Luzern: Virenschutz ist gefragt

Sei’s im Lebensmittelladen, in der Apotheke oder beim Arzt: Wo es derzeit Kundenkontakte gibt, sind die durchsichtigen Plexiglasscheiben gefragt.

Das Geschäft mit Plexiglaswänden läuft.

Das Geschäft mit Plexiglaswänden läuft.

Bild: PD

Entsprechend rund läuft es aktuell bei der Luzerner Kunststoffprofis GmbH, einem KMU mit zehn Angestellten, das laut eigener Aussage seit über 30 Jahren ein führender Betrieb in der Kunststoffverarbeitung ist. «Wir fertigen seit jeher Spuck- und Niesschutzwände für die Gastronomie an und haben nun einen Virenschutz entwickelt», sagt Inhaberin Claudia Mauderli. Standardartikel seien ab 90 Franken erhältlich. Wie gross der Absatz des Virenschutzes ist, kann Mauderli derzeit nicht beziffern. «Gezählt wird nach der Krise. Nun müssen wir liefern.»

Medela, Baar: Riesiger Ansturm auf Absaugpumpen

Medela ist vielen wegen ihrer Milchpumpen und dem Stillzubehör ein Begriff. Im Kontext der Coronakrise ist jedoch verstärkt der medizinische Geschäftsbereich gefragt. Die Baarer Firma mit lokal 440 Angestellten hat daher die Produktion für chirurgische Absaugpumpen und Sekretsauger erhöht. Um eine Verbreitung des Virus im Spital durch das zentrale Vakuumsystem zu verhindern, wird empfohlen, Lungensekrete von maschinell beatmeten Coronapatienten mit mobilen Geräten abzusaugen. «Innert Kürze sind Anfragen für unsere Vakuumpumpen exponentiell angestiegen», sagt CEO Annette Brüls. «Wir haben die Produktion mehr als verdreifacht und zwei Schichten eingeführt.»

Bei Medela wird nun in zwei Schichten produziert.

Bei Medela wird nun in zwei Schichten produziert.

Bild: PD

Maxon, Sachseln: Mikromotoren für Medizinalbereich

Die Antriebe von Maxon bewegen nicht nur Langstreckenflieger und Raumfahrzeuge: Mikromotoren des Konzerns finden sich auch im Spitalumfeld. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach Mikromotoren für Beatmungsgeräte, Atemschutzmasken und die Laborautomation. «Aktuell konzentrieren wir uns voll und ganz auf die Unterstützung jener Unternehmen, die Anwendungen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie benötigen», sagt Maxon-Sprecher Stefan Roschi. Die Kapazität der globalen Produktion habe bisher nicht ausgebaut werden müssen. Wie viele Mitarbeiter in solche Projekte involviert sind, gibt Maxon nicht bekannt. In Sachseln sind insgesamt über 1200 Angestellte tätig.

Blick in die Medizinalabteilung von Maxon.

Blick in die Medizinalabteilung von Maxon.

Bild: PD