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Zwei prominente Finanzspezialistinnen treten bei der Ethos-Stiftung unter Protest zurück. Scharfe Kritik an Präsident Dominique Biedermann wird laut.
Diese Woche kam es zu einem Eklat bei der Anlagestiftung Ethos. Françoise Bruderer und Monika Roth sind per sofort aus dem Ethos-Stiftungsrat beziehungsweise dem Verwaltungsrat von Ethos Service ausgetreten. Mit dem Doppelrücktritt verliert Ethos zwei profilierte Finanzspezialistinnen: Bruderer ist Geschäftsführerin der Pensionskasse der Schweizerischen Post und verantwortet ein Portfolio über 16 Milliarden Franken; Roth ist eine bekannte, auf Compliance-Fragen spezialisierte Anwältin, Professorin und Verfasserin zahlreicher Fachbücher.
Wie aus dem Umfeld der beiden zu vernehmen ist, verlassen sie die Stiftung aus Protest. Sie werfen Ethos-Präsident Dominique Biedermann ein zunehmend eigenmächtiges Handeln und einen autoritären Führungsstil vor. Er soll sich wie ein «kleiner Napoleon» aufführen und Ethos wie sein eigenes Familien-KMU betrachten.
Biedermann war lange CEO von Ethos und wechselte vor zwei Jahren direkt in den Verwaltungsrat. Biedermanns Ehefrau sitzt in der Geschäftsleitung. Das sei lange einigermassen gut gegangen, da die beiden mit dem damaligen Präsidenten Kaspar Müller ein Gegengewicht hatten. Mit Biedermanns Wechsel auf den Präsidenten-Stuhl habe sich das Governance-Problem aber verschärft. Der neue CEO Vincent Kaufmann ist ein Zögling von Biedermann. Der Ethos-CEO befinde sich in einer schwierigen Situation: Er ist der Chef der Frau seines Vorgesetzten.
Die Stiftung, die sich als Vorkämpferin für ethische Standards in Unternehmen sieht und an Generalversammlungen den Managern gerne die Leviten liest, hat nun einen Eklat um die eigene Governance am Hals. «Biedermann predigt Wasser und trinkt Wein», heisst es aus dem Umfeld von Bruderer und Roth. In der Tat würde Ethos eine solche, mit Interessenkonflikten behaftete, Konstellation wohl in anderen Unternehmen verurteilen. Auch ein direkter Wechsel vom CEO-Posten ins Präsidium widerspricht den Regeln guter Unternehmensführung.
Bruderer und Roth war dies schon seit längerem ein Dorn im Auge, wie aus ihrem Umfeld tönt. Sie gingen davon aus, dass Biedermann als Präsident bald nach einem Nachfolger suchen würde. Mehrfach sollen sie versucht haben, auf die Einleitung eines Nachfolgeprozesses hinzuwirken. Bruderer wollte einen Antrag einbringen, der Biedermann verpflichtet hätte, «innert nützlicher Frist» einen Nachfolger zu suchen. Doch Biedermann habe dieses Anliegen einfach vom Tisch gewischt.
Da Roth und Bruderer mit ihrer Tätigkeit für Ethos einen immer stärkeren Konflikt mit ihrem Wertesystem und ihren Grundprinzipien sahen, haben sie sich entschieden, die Stiftung per sofort zu verlassen. Werder Roth noch Bruderer wollten sich zu den Gründen ihres Ausscheidens äussern.
«Ich kann bestätigen, dass es diese Austritte gegeben hat», sagt Ethos-Präsident Dominique Biedermann auf Anfrage. Er habe diese Entscheide nicht erwartet, auch seine beiden Vizepräsidenten nicht. «Roth und Bruderer haben einen wertvollen Beitrag geleistet, wir sind sehr enttäuscht über ihren Austritt.» Die Gründe für die Austritte seien ihm jedoch nicht bekannt, sagt Biedermann.
Dass die Doppel-Rolle des Ehepaars Biedermann zu den Austritten geführt hat, kann sich Biedermann nicht vorstellen. Es sei zwar eine Tatsache, dass seine Frau in der Geschäftsleitung sei und er Präsident. Aber sie seien fast seit der Ethos-Gründung vor 20 Jahren dabei. «Ethos hat schon lange Massnahmen gegen mögliche Konflikte getroffen.» So dürften seine Frau und er zum Beispiel nicht gemeinsam unterschreiben und seine Frau vertrete Ethos nie gegenüber den Medien.
Es sei auch nicht zutreffend, dass er nur für eine Übergangsfrist von zwei oder drei Jahren als Ethos-Präsident vorgesehen gewesen sei. «Das ist nicht korrekt. Ich wäre nie für lediglich zwei Präsidenten-Jahre schon mit 58 Jahren als Direktor von Ethos zurückgetreten.» Eine solche Übergangslösung sei nie geplant gewesen, in keinem Protokoll.
Ethos-Direktor Vincent Kaufmann betont auf Anfrage, für einen selbstherrlichen Führungsstil gebe es bei Ethos gar keinen Raum. «Die Pensionskassen können via die Ethos-Stiftung als Aktionäre über den Verwaltungsrat der Ethos-Service AG bestimmen», sagt Kaufmann. Zudem habe Ethos Services einen eigenen Auditausschuss, der ebenfalls eine Kontrollfunktion habe.