Bestatter Ruchti: «Auf Wiedersehen sagt man mir nur ungern»

Johannes Ruchti (44) aus Horw ist Organisator der Luzerner Bestattermesse. Für ihn ist der Tod weder böse noch negativ.

Roger Rüegger
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Johannes Ruchti in der Gärtnerei Heini, wo die 1. Schweizer Bestattungsmesse stattfindet. (Bild: Eveline Beerkircher, Luzern, 29. Oktober 2019)

Johannes Ruchti in der Gärtnerei Heini, wo die 1. Schweizer Bestattungsmesse stattfindet. (Bild: Eveline Beerkircher, Luzern, 29. Oktober 2019)

Passend zum Thema erinnere ich Sie, dass morgen der Rest Ihres Lebens beginnt. Ist das nicht beklemmend?

Johannes Ruchti: Für mich nicht. Auf meinem Arbeitspult steht eine Sanduhr. Sie gibt mir täglich zu verstehen, dass ich nicht ewig lebe.

Der Tod und der Bestatter sind eng verbunden. Wie erleben Sie dies im Alltag?

Verschieden. Interessant ist es, wenn ich ein Altersheim betrete. Viele Leute drehen sich von mir ab. Manche geben mir nicht die Hand, und auf Wiedersehen sagt man mir höchst ungern.

Als Sympathieträger punktet man in Ihrem Beruf nicht?

Es täuscht. Die TV-Serie hat Positives bewirkt. Einmal war ein Kunde in meinem Geschäft. Als sein Telefon klingelte, sagte er aufgeregt: «Stell Dir vor, ich bin beim Bestatter.»

Ich finde es schon schräg, wenn Ihre Kunden ans Telefon gehen. Nehmen Sie den Tod eigentlich ernst?

Sehr sogar. Aber er bedeutet mir nichts. Der Tod ist nicht negativ oder böse. Nicht einmal in Märchen wird er hässlich dargestellt. Er verändert, aber das wissen wir alle.

Ja schon. Sehr. Als ich Sie nach mehreren Versuchen nicht erreichte, befürchtete ich das Schlimmste.

Keine Sorge, mir geht es gut.

Sind Sie derart beschäftigt?

Es kommt vor, dass ich mit Arbeit ausgefüllt bin und keine Anrufe annehme. Etwa, wenn ich auf dem Friedhof zu tun habe.

Eben, Sie sind ja in einem krisensicheren Geschäft. Sehe ich das richtig?

Gestorben wird immer, wenn Sie das meinen. Aber es gibt auch zusehends mehr Bestattungsunternehmen.

Ist es deshalb Zeit für eine Bestattungsmesse?

Es gab einfach noch nie eine in Luzern.

Wozu braucht es die?

Weil der Tod mehr als nur die Bestattung mit sich bringt. Ich finde, man muss auf die Hinterbliebenen eingehen. Kurz nach dem Ableben eines Menschen ist der Schmerz bei denen, die ihm nahe standen, am grössten. Gerade in dieser Situation ist es wichtig, Abschied zu nehmen und loszulassen. Aber vielen bleibt keine Zeit zum Trauern.

Logisch, weil sich die Hinterbliebenen um die Beerdigung kümmern müssen.

Ich finde, man sollte sich zu Lebzeiten Gedanken über die Bestattung anstellen und es den Hinterbliebenen einfacher machen. Denn viele sind völlig überfordert, alleine von den administrativen Angelegenheiten.

Deshalb bieten Sie die komplette Planung von Bestattungen an. Allerdings online. Ist das nicht unpersönlich?

Mit einem Klick auf unserer Website ist man alle administrativen Sorgen los, was das Organisieren nach einem Todesfall betrifft. So bleibt Zeit für Abschied und Trauer. Man bestellt zwar online, die Beratung ist aber persönlich.

Die Mexikaner haben einen ungezwungenen Umgang mit dem Tod. Am 1. November feiern sie auf dem Friedhof mit den Verstorbenen. Streben Sie einen ähnlichen Umgang auch hier an?

Man sollte vielmehr das Leben, das vor dem Tod geführt wurde, hervorheben und wenn es vorbei ist, sich mit einem Lächeln an die Verstorbenen erinnern.

Sei haben ein fiktives Interview mit dem Tod geführt. Das ist teilweise lustig, kann aber Gefühle verletzen. Was trieb Sie bei der Fragerei an?

Das Tabu zu brechen erachte ich als wichtigen Schritt. Eine Bestattung sollte nicht schwarz und düster sein. Der Tod kann auch positiv sein, manche Menschen sehnen sich nach ihm.

Wie nahe kam er Ihnen?

Sehr nahe. Als Kind wurde mein Blinddarm operiert. Dabei kam es zu Komplikationen. Die Ärzte hatten mich abgeschrieben.

Was haben Sie gesehen?

Ich hatte kein Nahtoderlebnis.

An der Messe stellt ein Medium Jenseitskontakte her. Das ist doch bloss Show?

Einige glauben, dass dies möglich ist, andere nicht. Ich befasse mich mit dem Thema. Die Energien Verstorbener bestehen weiter. Das Medium kann sie lesen. Für mich ist das seriös. Ich will niemanden überzeugen, biete aber eine Plattform.

Was bietet die Messe noch?

Eine Wanderausstellung mit Trauer-Tattoos oder Trauer-Legos. Das Wiener Bestattungsmuseum hat diese entwickelt. Mit den Lego-Bausteinen kann man Kinder spielerisch mit dem Thema Tod vertraut machen. Ich baute mit meinen Kindern kürzlich ein Krematorium.

Sie sind auch Polizeibestatter und sehen Bilder, die wir uns nicht vorstellen wollen. Etwa Opfer von Gewalt, wo es nichts schönzureden gibt. Ist Humor für Sie eine Hilfe zur Verarbeitung und zur Ablenkung?

Das ist ein Ventil und für mich persönlich wichtig. Feuerwehr, Polizei, Angehörige von Opfern, sie alle werden von Seelsorgern betreut. Wir Bestatter nicht. Wenn wir sie bräuchten, wären wir im falschen Beruf.

Ihre Frühbuchaktion im Mai hat viel Empörung ausgelöst. Können Sie das verstehen?

Für einen Moment brach eine Welle über mich herein. Es war ein Hype, sogar auf dem Friedhof wurde ich darauf angesprochen. Ich war das schwarze Schaf der Branche, hauptsächlich aus Sicht der Mitbewerber.

In Ihrer Branche schon fast schmeichelhaft. Haben Sie Kunden gefunden, die von der Aktion profitieren?

Anhand der Klickzahlen und Anfragen hat die Aktion zumindest zum Nachdenken angeregt.

Hinweis: Die 1. Bestattungsmesse der Schweiz findet am 10. November in der Gärtnerei Heini in Luzern statt. Weitere Informationen: www.funus-bestattungsmesse.ch

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