Jetzt geht es plötzlich schneller und umfassender als erwartet. Nach acht Wochen Lockdown können wir ab dem 11. Mai einen grossen Schritt in Richtung Normalität machen, wie der Bundesrat am Mittwoch entschieden hat.
Restaurants dürfen wieder Gäste bedienen. Museen, Bibliotheken und Archive öffnen ihre Türen. Im Breiten- und Spitzensport sind Trainings auch in (Klein-)Gruppen wieder möglich. In den Mittel- und Hochschulen dürfen Prüfungen angesetzt werden. Sogar die Landesgrenzen werden wieder durchlässiger. Dies alles unter Auflage von speziellen Abstands- und Hygieneregeln.
Die Entwicklung ist gut nachvollziehbar. Trotz bekannten – und fragwürdigen! – Unschärfen der Statistiken: Die Neuerkrankungen sinken sukzessive. Der Plan zur Verflachung der Ansteckungskurve und damit zur Aufrechterhaltung der medizinischen Notversorgung ist aufgegangen. Wir kehren damit rascher in den Normalmodus zurück als etwa Italien, aber auch später als zum Beispiel Dänemark.
Der Bundesrat hat richtig entschieden, dass er nicht bis Juni mit weiteren Öffnungsschritten zugewartet hat. Denn die Folgen des Lockdowns für die Wirtschaft sind schon jetzt massiv und sie werden bei den Unternehmen und in den staatlichen Kassen noch jahrelang spürbar sein. Die Auswirkungen sind zu lange unterschätzt worden. Hier fehlte der (politische) Mut zu rascheren Korrekturen im laufenden Regime. So wie etwa auch bei den Schulschliessungen, als deutlich wurde, dass Kinder als Krankheitsüberträger kaum eine Rolle spielen. Oder bei Spitälern und Arztpraxen, wo wirtschaftliche Probleme offenkundig wurden aufgrund der zu starken Fixierung auf Notfälle.
Natürlich, im Nachgang und von aussen betrachtet ist Kritik einfach. Insgesamt haben der Bundesrat und seine Behörden aber sehr vieles richtig gemacht. Es mussten innert Kürze einschneidende Entscheide gefällt werden in einer noch nie dagewesenen Situation.
Gemessen an dieser äusserst schwierigen Aufgabe hat die Exekutive pragmatisch gehandelt und ruhig kommuniziert.
Die nun erfolgten Entscheide für weitere Lockerungen sind erfreulich, insbesondere in der kurzfristigen Perspektive. Doch was heisst das auf weite Sicht? Die Folgen von Covid 19 werden noch sehr lange spürbar sein. Die Pandemie ist noch immer akut, unser aller Alltag wird noch über viele, viele Monate von diesem sich unglaublich schnell ausbreitenden Virus geprägt bleiben. Hygienemassnahmen, Schutz der Risikopersonen, Beschränkungen von Personenzahlen, eingeschränkte Reisemöglichkeiten und und und. Heisst auch: Wir müssen lernen mit diesem Virus zu leben.
Wir tun also gut daran, die vorhandenen Eindämmungsmöglichkeiten noch besser zu nutzen – auch dies ein bundesrätlicher Plan –, um die Ausbreitung möglichst im Griff zu halten. Etwa indem die Ansteckungswege der Erkrankten so zuverlässig wie möglich verfolgt werden. Oder indem sich alle Personen mit Symptomen, nicht nur gefährdete, testen lassen können. Die bisherigen Erfahrungen zeigen klar, dass der Verlauf der Pandemie beeinflussbar ist. Das ist eigentlich schon viel und es stimmt optimistisch, dass wir so eigenverantwortlich einen bedeutenden Teil der Normalität zurückholen können. Ja, auch müssen. Denn bis ein Impfstoff vorhanden ist, der global einsetzbar ist, wird es noch Monate dauern.
Ergo können wir nicht über eine derart lange Zeit unsere ganze Lebenswelt auf Winterschlaf halten.
Das wäre sowieso fatal für die Wirtschaft und damit für die existenzielle Beschäftigungslage von uns allen. Es wäre indes auch fatal für unsere physische und psychische Gesundheit, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für kranke, ältere und vor allem für ganz alte Menschen.
Darum: Schauen wir vorwärts. Pflegen wir die Beziehungen und die Dinge, die uns wichtig sind. Debattieren und Streiten wir wieder über Sinn und Unsinn von (bundesrätlichen und behördlichen) Massnahmen und erzielen so taugliche Lösungen. Schmieden wir auch Reisepläne. Wir können und müssen das alles – mit der gebotenen Vorsicht und Disziplin – auch mit aktiven Corona-Einschränkungen tun. Bleiben wir dabei flexibel und wahren unbedingt die Verhältnismässigkeit. Glauben wir an Fleiss, Innovationskraft und Widerstandsfähigkeit. Gerade diese Tugenden haben in der Geschichte unseres Landes zu sozialer Sicherheit, politischer Stabilität und ökonomischer Prosperität geführt. Es gibt ein Leben nicht nur nach der Coronakrise, sondern auch mit ihr. Höchste Zeit, dass wir uns dorthin bewegen.