Immer mehr Tourismusorte lancieren Festivals. Eine neue Studie der Hochschule Luzern kommt zu einem interessanten Schluss.
Nun also Daniel Barenboim. Nachdem die Berliner Philharmoniker zur Eröffnung der Andermatt Concert Hall Mitte Juni 2019 aufspielten, wird Barenboim zum Auftakt des «Andermatt Music Winter Festivals 2020» (15. bis 18. Januar 2020) im Resort von Samih Sawiris in den Urner Bergen in die Tasten greifen. Passend zum Beethoven-Jahr (2020 wäre der Musiker 250 Jahre alt geworden), spielt Barenboim vier Klaviersonaten des berühmten Komponisten: Nummer 15 in D-Dur, Opus 28 (pastoral), 3 in C-Dur, Opus 2 und 24 in Fis-Dur, Opus 78. sowie die Sonate Nummer 30 in E-Dur, Opus 109. Sawiris erfüllt sich damit einen Traum. Doch es geht noch um mehr.
Das «Andermatt Music Winter Festival» und sein Pendant im Sommer sollen für zusätzliche Gäste ausserhalb der Hochsaison sorgen. «Wer will im Januar schon in Andermatt Ferien machen? Schnee hat es dann auf jeden Fall, doch nur Skifahren wollen die Gäste heute auch nicht, Golf spielen kann man definitiv nicht mehr, also braucht es andere Unterhaltung», sagt er. Das Rezept heisst: klassische Musik von internationalem Format. Sawiris betont:
«Andermatt darf nie wie andere Destinationen zu einer Geisterstadt ausserhalb der Spitzenzeiten werden – auch nicht für eine Woche.»
Dieses Bestreben steht auch hinter der Konzertserie «Classic with a View», die im vergangenen Frühling erstmals auf dem Bürgenstock über die Bühne ging. Im Resort hoch über dem Vierwaldstättersee setzt man jedoch nicht auf grosse Namen, sondern auf hoffnungsvolle Nachwuchstalente.
Kulturelles Leben auf den Berg bringen will auch das Bürgenstock-Festival (21. bis 25. Januar 2020). Hinter dem kleinen, aber feinen Festival steht nicht das Resort, sondern eine von ihm unabhängige Stiftung, die von der Familie Peter Frey im Jahre 2002 ins Leben gerufen worden ist. Das Spezielle dabei: Der Festivalauftakt findet seit ein paar Jahren in Zürich, im Kaufleuten, statt, mit Stars der Klassikszene. 2020 werden Yuja Wang (Klavier) und Thomas Hampson (Bariton) zusammen mit anderen Musikern Stücke von Ludwig van Beethoven, Darius Milhaud, George Gershwin und Cole Porter zum Besten geben. Das Festival geht also dort hin, wo ein Teil der Gäste herkommt. Die restlichen Kammermusikkonzerte finden dann in der Villa Honegg statt – mit 70 Zuschauerinnen und Zuschauern in schon fast einem exklusiven Rahmen.
Sind solche Festivals der Mühe eigentlich wert? Eine neue Studie des Instituts für Tourismuswirtschaft der Hochschule Luzern bietet interessante Anhaltspunkte dazu. Zusammen mit Event Analytics hat das Institut anhand des «Zermatt Unplugged» die touristische Bedeutung von Festivals untersucht.
Das Fazit: Festivals können das Geschäft in der Nebensaison befruchten. «Zermatt Unplugged» zog im Frühjahr 2018 total 33000 Besucherinnen und Besucher an; 9 Prozent davon stammten aus der Zentralschweiz. 26000 von ihnen besuchten mindestens ein Konzert und generierten fast ebenso viele Logiernächte (total 24000). Im Durchschnitt verbrachten die Gäste 1,9 Tage im Walliser Bergdorf. Über die Hälfte, 54 Prozent, reisten mit dem öffentlichen Verkehr an. Die Bruttowertschöpfung belief sich gesamtschweizerisch auf 21,1 Millionen Franken, davon fiel ein Drittel, nämlich 7,4 Millionen Franken, in der Region an.
Noch mehr ins Gewicht fällt: Wer schon mal da war, kommt mit grösster Wahrscheinlichkeit wieder. 63 Prozent der Besucher sind Wiederholungstäter. Und ebenfalls bemerkenswert: Entscheidend für eine hohe Zufriedenheit (Werte über 85 Prozent) war nicht nur das Staraufgebot und die Qualität der Konzerte, sondern auch die Hilfsbereitschaft beziehungsweise Qualität der Mitarbeiter, die Dekoration und das Festivalgelände. Mit grossen Namen alleine ist es also nicht getan.
Rolf Furrer (39) ist Geschäftsführer von «Zermatt Unplugged» und weiss: Ein Rock-/Popfestival ist nicht das gleiche wie ein Klassik-Zirkel, auch wenn in Zermatt die Musiker ihre Songs ausschliesslich mit akustischen Instrumenten vortragen. «Aber grundsätzlich können die Ergebnisse auch für andere Festivals stehen», sagt der ehemalige Schlagzeuger der Luzerner Band Hecht und schiebt nach: «Entscheidend für den Erfolg von ‹Zermatt Unplugged› ist, dass das Festival eng mit der Destination verbunden ist und auf deren Qualitäten aufbaut: Natur, Hotellerie, Gastronomie, Bahn-Infrastruktur und so weiter.» Es brauche die Zusammenarbeit aller Leistungsträger. Dies ist eine Lektion, den der Tourismus in der Schweiz an anderer Stelle auch schon lernen musste.
Hinweis: Weitere Informationen zu den Festivals gibt es unter: buergenstock-festival.ch, andermattmusic.com, zermatt-unplugged.ch.