Geschichte
«Ein archäologischer Glücksfall»: Seltener Töpferofen aus Römerzeit kommt bei Surseer Baustelle zum Vorschein

Die Luzerner Kantonsarchäologie hat in Sursee einen Ofen ausgegraben, in dem die Römer Becher, Teller oder Flaschen töpferten. Der Fund gibt Überraschendes über die Lebensart der damaligen Menschen preis.

Lisa Zimmermann
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Angela Bucher, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Kantonsarchäologie Luzern, zeigt Keramikscherben in der Ausgrabungsstätte in Sursee.

Angela Bucher, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Kantonsarchäologie Luzern, zeigt Keramikscherben in der Ausgrabungsstätte in Sursee.

Bild: Dominik Wunderli (30. August 2022)

Für Laien ist es ein schlichter, bräunlich verfärbter Kreis in der Erde. Auffallend sind höchstens die zwei mal drei parallel angeordneten Löcher in dessen Mitte. Für die geschulten Augen der Kantonsarchäologie Luzern jedoch ist es ein wichtiger Fund, der bei einer Baustelle an der Chrüzlistrasse in Sursee gemacht wurde. Denn hierbei handelt es sich um Überreste eines rund 1900 Jahre alten Töpferofens aus der Zeit der Römer.

Die Ausgrabung läuft seit rund einem halben Jahr. Die Kantonsarchäologie arbeitet hierfür mit der Firma Prospect zusammen. Auf der rund 700 Quadratmeter grossen Fläche plant die Hoch- und Tiefbau AG unter der Leitung von Paul Fuchs einen Neubau. Als das Vorhaben bekannt wurde, war das Interesse der Kantonsarchäologie geweckt. Angela Bucher, wissenschaftliche Mitarbeiterin, sagt: «Wir gingen davon aus, dass wir auch hier römische Spuren finden werden.»

Sursee hatte schon damals Zentrumsfunktion

Denn bereits in den 1990er-Jahren fanden Archäologinnen und Archäologen hier Überreste aus dem Römischen Reich. Schon damals war bekannt, dass Sursee ein Vicus war, eine römische Siedlung mit kleinstädtischem Charakter. Der wirtschaftliche Schwerpunkt lag in gewerblicher Produktion, im Handwerk, Handel und in Dienstleistungen. Bucher:

«Sursee hatte bereits in der Zeit des Römischen Reichs eine Zentrumsfunktion. Das bisher erforschte Siedlungsareal richtete sich entlang einer Hauptstrasse aus. Diese verlief ähnlich wie die heutige Bahnhofstrasse.»

Kurz vor Grabungsschluss sei es zur überraschenden Entdeckung gekommen: Das Team stiess auf einen Töpferofen. Und zwar den ersten derart gut erhaltenen Töpferofen im ganzen Kanton – Bucher spricht von einem «archäologischen Glücksfall».

Keramikscherben, die beim Töpferofen gefunden wurden.

Keramikscherben, die beim Töpferofen gefunden wurden.

Bild: Dominik Wunderli (30. August 2022)

Scherben geben Hinweis auf hergestellte Produkte

Auf den ersten Blick ist der Ofen, wie beschrieben, nur schwer zu erkennen. Bei der Vertiefung in der Erde handelt es sich um die damalige Arbeitsgrube, wo das Feuer entfacht wurde. Der Kreis mit den Löchern war der Ort, wo Keramik gebrannt wurde. Darüber befand sich eine Kuppe, welche die Hitze im Ofen speicherte.

Anhand der schwarzen und roten Verfärbungen des Lehms ist zu sehen, dass an dieser Stelle grosse Hitze herrschte. Unter dem Lehmkreis befand sich ein Hohlraum, der mit heisser Glut gefüllt wurde. So stieg die Hitze durch die Löcher auf und brannte die Keramik.

Anhand von Keramiküberresten konnten die Archäologinnen und Archäologen schlussfolgern, dass in ihm unter anderem Becher, Teller, Flaschen und Schüsseln gebrannt wurden. «Die Scherben geben uns auch Hinweise über die Prägung der damaligen Gesellschaft – wie ‹römisch› die Bevölkerung war – und was die Bevölkerung gebraucht hat», sagt Bucher.

Denn bevor die Römer ihr Reich nach Norden ausbreiteten, lebten in der heutigen Schweiz die Kelten. Bemerkenswert ist, dass die ausgegrabenen Keramikreste keltische Merkmale aufweisen. Dies, obwohl die Römer zu jener Zeit schon über den Schweizer Landesteil herrschten. Bucher erklärt:

«Diese Erkenntnisse zeigen, dass die Bevölkerung immer noch stark an ihren keltischen Traditionen festhielt und sich erst im Wandel der Zeit der römischen Kultur fügte.»

Der Töpferofen wird nun gezielt abgebaut. «Die Bergung wäre zu aufwendig, da wir nicht wissen, wie stabil er ist», sagt Bucher. Ergänzend fügt Petra Ohnsorg, Archäologin der Prospect GmbH, hinzu: «Alle Funde werden mit Zeichnungen, Messungen und Beschrieben genaustens dokumentiert.» Danach ist die Arbeit der Archäologinnen vorerst zu Ende – und jene der Bauherrschaft kann beginnen.

Petra Ohnsorg und Christian Auf der Maur von der Firma Prospect.

Petra Ohnsorg und Christian Auf der Maur von der Firma Prospect.

Bild: Dominik Wunderli (30. August 2022)