Luzern
Das Luzerner Männerhaus nimmt neu auch Väter mit ihren Kindern auf

Neuer Standort mit neuem Angebot. Der Verein Zwüschehalt bietet Männern und Vätern in Not eine Unterbringung.

Roger Rüegger
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Stefan Kuster und Manfred Schneeberger beim Einrichten am neuen Standort.

Stefan Kuster und Manfred Schneeberger beim Einrichten am neuen Standort.

Bild: Eveline Beerkircher, (Luzern, 18. August 2022)

Das Männerhaus in Luzern hat sich jüngst neu positioniert. Die Einrichtung ist Mitte Juni an einen neuen Standort innerhalb der Stadt gezogen. Das frei stehende Gebäude mit den acht Zimmern ist eine Bereicherung. «Mit der grösseren Kapazität ist es uns nun endlich möglich, das Angebot den Bedürfnissen unserer Bewohner anzupassen beziehungsweise auszubauen», schildert Manfred Schneeberger, Leiter des Vereins Zwüschehalt Luzern, die neue Ausgangslage.

Die Institution, die neben Luzern auch Häuser in Bern und Zürich betreibt, bietet unter anderen Männern und Vätern, welche ihre Wohnung – aus welchem Grund auch immer – verlassen müssen oder wollen, eine temporäre Unterbringung. Bis jetzt verfügte das Männerhaus in Luzern über eine 5,5-Zimmer-Wohnung. «Wir hatten nicht mehr ausreichend Platz. Die Nachfrage ist gross, aber wir konnten diese nicht abdecken. So war es nicht möglich, dass Väter ihre Kinder bei sich aufnehmen konnten.»

Eine unbefriedigende Situation sei dies gewesen, unterstreicht Schneeberger. Dies, weil der Bedarf beachtlich sei. «In der zweiten Jahreshälfte musste ich fünf Schutz suchenden Männern eine Absage erteilen, die für sich und ihre Kinder, zumindest an einzelnen Wochenenden, eine Unterbringung gebraucht hätten.»

Neue Kräfte am neuen Standort

Der Platz im Männerhaus musste während der Pandemie noch zusätzlich beschränkt werden, es war nur noch für drei Personen eine Beherbergung möglich. «In den beiden vergangenen Jahren waren wir praktisch ausgebucht. Wir mussten vielen Männern negativen Bescheid geben oder sie in andere Städte verweisen», sagt Schneeberger, der am neuen Standort mit seinem Stellvertreter Stefan Kuster Verstärkung erhalten hat. Der Bedarf nach Unterkunft und Schutz ist stets vorhanden, wenn auch nicht immer im selben Ausmass. Bemerkenswert ist, dass sich 2021 zwischen Weihnachten und Neujahr die Nachfrage nach telefonischer Beratung erhöht hat.

Im neuen Männerhaus ist nun Platz für acht erwachsene Personen. Der Standort wird wie bisher aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich kommuniziert. Die Personen können in drei Einzelzimmern, zwei Räumen mit jeweils zwei Betten sowie einem Zimmer, das mit einem Kinderbett, einem Pult mit Stuhl und einer Fläche zum Spielen ausgestattet ist, untergebracht werden. Die Einrichtung des Zimmers für Vater und Kind ist noch spartanisch, wird aber ausgebaut. Der Verein Zwüschehalt finanziert sich grösstenteils durch Spenden. Willkommen ist laut Schneeberger auch Spielzeug.

Mit der Unterbringung von Kindern hat der Verein in Bern Erfahrung. Für eine umfassende Betreuung ist ein pädagogisches Konzept entwickelt worden, das in Bern seit drei Jahren praktiziert wird. Die Kinder werden durch ausgebildete Fachpersonen begleitet. Schneeberger gibt ein Beispiel: «Wenn Kinder der Schule fernbleiben müssen, stellen wir den Kontakt zur Schule her, um allenfalls die Möglichkeit für Homeschooling anzubieten.»

Während der Leiter des Vereins Zwüschehalt Luzern bei einer Führung durch das Haus die Räume präsentiert, muss er mehrere Anrufe entgegennehmen. Ausser der Anmeldung eines Handwerkers handelt es sich ausnahmslos um Anfragen nach einem freien Platz.

Vorübergehende Unterbringung in Aussicht gestellt

Wie inszeniert wird anhand dieser Gespräche die Notwendigkeit der Einrichtung in der Region Luzern ersichtlich. Erfreulich: Einem Anrufer konnte Schneeberger eine Unterbringung in Aussicht stellen. Dies, weil ein anderer Interessent voraussichtlich in eine andere Stadt ziehen wird.

Die Bewohner, die derzeit in der Luzerner Abteilung wohnen, tun dies aus verschiedenen Gründen. «Ein junger Mann hat sich zum Beispiel aufgrund gegensätzlicher häuslicher Gewalt zu uns ins Männerhaus begeben. Er wurde von einem Ehepaar adoptiert, das bereits Töchter hat. Die Konstellation war ungünstig. Unser Bewohner stammt aus einem anderen Kulturkreis und fühlte sich ausgenutzt. Mit der Zeit verlor er den Halt, später den Job. Er musste die Familie verlassen», erklärt Schneeberger. Besagter Bewohner befindet sich nun in Zusammenarbeit mit Sozialberatungsstellen im Aufbau. Ziel ist, dass er wieder eine feste Anstellung findet und künftig alleine klarkommt. «Schwierig», so Schneeberger seufzend.

Familienvater von der Frau vor die Tür gestellt

Ein weiterer Bewohner wurde von seiner Frau aus der Wohnung geworfen, die ihrer Forderung mit einem Messer Nachdruck verlieh. Schneeberger unterstreicht, dass in vielen Ehen seiner Bewohner das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen zu erheblichen Problemen führe. Er betont auch, dass Zwüschehalt nicht nur Opfer unterbringe. «Wir werden dafür auch von verschiedenen Seiten kritisiert. Entscheidend für uns ist jedoch, dass wir Personen, die in einer Ehe oder Familie leben, einen Ausweg bieten. Das gilt insbesondere, wenn Männer aus irgendwelchen Gründen Abstand von der Familie halten müssen und es keine andere Unterbringungsmöglichkeit gibt.»

Ein bemerkenswertes Beispiel eines Bewohners zeigt, wie schnell Leute in schier ausweglose Situationen geraten können. So geschehen einem Schweizer, der von seiner Frau von heute auf morgen aufgefordert wurde, das gemeinsame Haus zu verlassen. Sie drohte ihm mit Anzeige und Gericht. Der Vater mehrerer Kinder wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Männerhaus erwies sich auf die Schnelle als einzige Auffangstation. Ein Hotelzimmer konnte er sich nicht leisten.

Das Männerhaus ist im Grunde eine Wohngemeinschaft, in die man sich nicht ganz freiwillig begibt. «Den typischen Bewohner gibt es nicht. Bei uns wohnen vorwiegend Leute aus der Mittelschicht oder Personen, deren Kosten von Sozialämtern übernommen werden», so Schneeberger. In einzelnen Fällen suchen Männer auch nur für wenige Tage eine Übernachtungsmöglichkeit, bis das Gröbste vorbei ist. Männer mit höheren Einkommen mieten sich laut Schneeberger je nach Möglichkeit eher Appartements oder wohnen im Hotel. Die Unterbringung beträgt 50 Franken pro Tag, individuell zusätzlich für Kinder. Allenfalls übernehmen Opferberatungsstelle oder Sozialämter die Kosten. Der Aufenthalt im Männerhaus sollte nicht länger als sechs Monate dauern.

Schneeberger resümiert: «Als ich 2017 hier begonnen hatte, war ich sehr blauäugig. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie sehr Frauen zu Gewalt neigen können und in welchem Ausmass sie diese gegen Männer anwenden.»

Zielgruppe des Vereins Zwüschehalt

Männer und Väter (auch mit Kindern), die physisch, psychisch oder sexuell misshandelt wurden.

Männer (ab 18 Jahren), die von ihren Familienangehörigen bedroht oder stark kontrolliert werden.

Männer, die nach einer häuslichen Auseinandersetzung die gemeinsame Wohnung verlassen müssen oder wollen. Etwa nach einer polizeilichen Wegweisung oder präventiv, um die gespannte Situation zu entschärfen.

Männer, die nach heftigen Auseinandersetzungen erschöpft und kraftlos eine Auszeit benötigen.

Quelle: www.zwueschehalt.ch