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Ein Forschungsteam der Hochschule Luzern hat Teilnehmende des Aktionsmonats, bei dem sich alles rund um die vegane Ernährung dreht, begleitet. Jetzt liegen die Studienergebnisse vor.
Plötzlich keine tierischen Produkte mehr essen — wie einfach ist das? Und wie nachhaltig ist der Veganuary? Eine Studie der Hochschule Luzern gibt Aufschluss darüber. Das Forschungsteam rund um Marcel Zbinden hat sich intensiv mit dem Aktionsmonat befasst.
Im Januar erhalten Teilnehmende von der Veganen Gesellschaft Schweiz anlässlich des Veganuary täglich einen Newsletter mit Infos, Rezepten und Tipps rund um die vegane Ernährung. Gleichzeitig lancieren Supermärkte wie Migros oder Coop neue pflanzenbasierte Produkte und rühren kräftig die Werbetrommel.
Die Hochschule Luzern hat zehn Frauen und neun Männer zwischen 21 und 52 Jahren, die davor häufig tierische Produkte assen, während des Veganuary im Rahmen einer Langzeitstudie eng begleitet. «Die Ernährung der Teilnehmenden wurde in einem Tagebuch beleuchtet, so kommen auch bei dieser eher geringen Teilnehmerzahl fast 3000 untersuchte Konsumsituationen zusammen», sagt Projektleiter Marcel Zbinden und ergänzt: «Dieses qualitative Vorgehen mit einer vergleichsweise tiefen Stichprobe, dafür einer deutlich grösseren Tiefe, eignet sich ideal dazu, Motive des menschlichen Verhaltens besser zu verstehen.»
«Am meisten erstaunt hat mich, wie nachhaltig die Ernährungsveränderungen waren», sagt Zbinden. Er hätte zehn Wochen nach dem Veganuary mit einem stärkeren Jojo-Effekt gerechnet. Eine langfristig komplett vegane Ernährung strebte niemand an, dafür eine Reduktion von tierischen Lebensmitteln – insbesondere von Fleisch, Milchprodukten, Eiern und Käse. «Ein Drittel der Befragten hat die Vorsätze eingehalten, ein weiteres Drittel gar übertroffen. Das ist ein sehr hoher Wert.» Eine Person ernährt sich nun sogar vegan, eine weitere fast ausschliesslich.
Die hohe Quote hängt wohl damit zusammen, dass die Gruppe während des Monats deutlich mehr hilfreiche als hemmende Faktoren zur veganen Ernährung erlebte. Von über 900 Kommentaren zu verschiedensten Essenssituationen waren fast zwei Drittel positiv:
«Vor zehn Jahren hätte das noch ganz anders ausgesehen», ist Zbinden überzeugt. Heute machten die vielen Ersatzprodukte und die Akzeptanz der sozialen Umgebung eine vegane Ernährungsumstellung deutlich einfacher.
Dem Konzept hinter dem Veganuary verleiht die HSLU ein gutes Zeugnis. «Gerade um Bewusstsein zu schaffen, ist der Monat sehr wertvoll», sagt Zbinden. Es hätte aber noch mehr Potenzial. Mittels Personalisierung, einer längeren Dauer und einem anderen Wording könnte der Konsum von tierischen Produkten noch wirksamer reduziert werden.
Beim Veganuary erhalten alle Teilnehmenden den gleichen Newsletter. Laut Zbinden wäre es effektiver, die Botschaften an die Ausgangslagen anzupassen. Schliesslich unterscheidet sich diese je nach aktueller Ernährungsform, Gesundheitszustand, Motivation, Wissensstand oder sozialem Umfeld.
Dem Projektleiter schwebt eine technologiebasierte Lösung wie eine App vor, die zuerst den Status quo abholt und dann individuelle Ernährungsempfehlungen mit Menüvorschlägen sowie Verhaltenstipps liefert. «Ein auf die Bedürfnisse der einzelnen Person ausgerichteter Ansatz könnte besonders zielführend bei Leuten sein, die ihre Ernährung ändern wollen, aber Hilfe bei der Umsetzung brauchen.»
Zudem könne es sinnvoll sein, den Zeitraum für die Ernährungsumstellung zu verlängern, also länger als der eine Monat wie beim Veganuary. «Nach 60 bis 90 Tagen hat man in der Regel eine langfristige Verhaltensänderung erreicht», so Zbinden. Zudem sei ein Monat zu kurz, um eine andere Art des Kochens – weg vom klassischen Dreieck auf dem Teller bestehend auf Fleisch respektive Ersatzprodukten, Beilage und Gemüse – kennen zu lernen. «Das alles ist aber noch Zukunftsmusik», stellt Zbinden klar. «Wir sind zwar mit möglichen Praxispartnern im Gespräch, spruchreif ist aber noch nichts.»
Um mehr Menschen anzusprechen, könne es ausserdem helfen, von «pflanzenbasiert» oder «plant based» statt von «vegan» zu sprechen. «Vegan ist für viele immer noch ein Reizwort. Zudem sind die meisten nicht bereit für eine Extremumstellung. Ihnen geht es einfach um die Reduktion von tierischen Produkten, da fühlen sie sich von einem weniger strikten Framing besser abgeholt.»