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Kanton Luzern
Ein Autor wollte einen Vortrag über seine Lebensgeschichte im Stadttheater Sursee halten. Nach einer heftigen Reaktion auf Twitter wurde der Anlass nun abgesagt.
Im Stadttheater Sursee sollte Herbert Steiner am 30. September einen Vortrag halten. Der Plan war, aufzeigen, wie er es geschafft hat, schlimme Erlebnisse in seiner Kindheit zu überwinden. In der Beschreibung des Anlasses hiess es: «Herbert Steiner kam mit einem stark erweiterten Bewusstsein auf die Welt und geriet bereits als kleiner Junge in die Fänge von dunklen Kreisen. Seine Kindheit war von da an von rituellem Missbrauch und Gewalt geprägt.»
Bereits die Vernissage zu seinem autobiografischen Buch «Einfach Herbi – Mein Leben zwischen Himmel und Hölle» hat er im Stadttheater Sursee abgehalten. Das Buch handelt davon, wie er «das Schweigen gebrochen» habe. Es ist in Buchläden erhältlich – so etwa in der Esoterik-Abteilung des Buchhaus Stocker.
Die Betreiber des Twitter-Kanals «Element» haben von der Veranstaltung gehört:
Die @stadtsursee stellt dem rechten Verschwörungsideologen #Wemelinger (Steiner) das Stadttheater zur Verfügung. https://t.co/7PBBURaSi9 pic.twitter.com/ry9zVDRXPn
— element (@__investigate__) August 11, 2022
Sie bezeichnen sich als Plattform für «Recherche zu Rechtsextremismus, Anthroposophie, Reichsbürger, Korruption, Antisemitismus, Polizeigewalt» und kritisieren Herbert Steiner für die Verbreitung von «rechten Verschwörungsideologien» und «wirren Botschaften».
Für das Stadttheater Sursee war die heftige Kritik eine Überraschung: «Bei der Buchvernissage im Juni hatten wir keine negativen Reaktionen», sagt der Präsident des Stiftungsrats, Hans Ambühl. Er betont:
«Grundsätzlich sind wir für alle offen. Es müssen direkt Anhaltspunkte bestehen, dass eine Veranstaltung rechtlich nicht zulässig ist, oder gegen gute Sitten verstösst, damit wir einschreiten.»
Dies sei wichtig, um für ein breites Publikum als kulturelle Institution zur Verfügung zu stehen.
Trotzdem: «Einschlägigen Hinweisen über vermutete fragwürdige Aspekte von geplanten Veranstaltungen» gehe das Stadttheater «selbstverständlich» nach. Als Ambühl von der Kritik erfahren hat, leitete er umgehend ein Gespräch mit Betriebsleitung und Veranstalterin ein.
Nach dem Gespräch mit Ambühl hat die Veranstalterin und Herausgeberin des Buchs, Martina Amato, in Absprache mit Herbert Steiner entschieden, die Veranstaltung nicht im Stadttheater Sursee durchzuführen. Stattdessen soll der Anlass online stattfinden. Steiner dazu: «In Zeiten wie diesen müssen wir alle immer wieder flexibel bleiben und offen sein für Alternativen. Das sind wir und können auf ein grossartiges Team zählen, welches uns dabei unterstützt.»
Amato hat sich aufgrund des Gesprächs von sich aus bei der Redaktion gemeldet, um ihre Sicht darzulegen:
«Herbert Steiner erzählt in seinem Buch schlicht von seinem Leben zwischen Himmel und Hölle. So war er als Kind mitunter Opfer von rituellem Missbrauch. Leider wird das Thema oft in die Verschwörungsecke gedrängt.»
Dem pflichtet Steiner bei: «Nach über 50 Jahren habe ich den Mut gefasst, meine Lebensgeschichte in meiner Biografie ‹Einfach Herbi – Mein Leben zwischen Himmel und Hölle› zu erzählen und mit den Menschen zu teilen. Nicht mehr und nicht weniger», wie er schreibt. Auf die Frage, was Herbert Steiner von den Anschuldigungen hält, führt er aus:
«Es macht betroffen, wenn solche Vorwürfe im Raum stehen, die nichts mit dem zu tun haben, wer ich bin.»
Ein Blick auf eines der drei Facebook-Profile von Herbert Steiner – die mittlerweile gelöscht wurden – zeigt, warum sein Buch in der Esoterik-Abteilung zu finden ist: Unter dem Namen Herbi Wermelinger hat er über die als Verschwörungstheorie geltende «Neue Weltordnung» gepostet – kurz NWO-Agenda. Sichtbar auf dem Text auf der Maske von Bundesrätin Simonetta Sommaruga:
Anhänger der NWO-Agenda glauben, dass eine politische Elite nach Weltherrschaft und Kontrolle strebt. Steiner vertrat weiter die Ansicht, dass Satanisten rituellen Kindesmissbrauch begehen. Sichtbar am Beispiel einer Nachricht an Bundesrat Alain Berset, die er auf Facebook gepostet hat:
Die Theorie, dass Satanisten in der Schweiz Tausende von Kindern rituell missbrauchen, töten und ihr Blut trinken, hat in den vergangenen Jahren in coronaskeptischen Kreisen Aufschwung erhalten und wird mit der Verschwörungsbewegung QAnon in Verbindung gebracht. Wie in einer SRF-Dok zum Thema aufgezeigt wird, gibt es für die Theorie bisher keinerlei Beweise.
Der Umgang mit Personen, die im Verdacht stehen, Verschwörungstheorien nicht abgeneigt zu sein, beschäftigt zurzeit einige Kulturinstitutionen. So wurde etwa Kritik an den Wohlfühltagen in der Messe Luzern geübt. Dort werden Daniele Ganser und Peter Fitzek – trotz der Kritik – auftreten.