Die Exekutive reagiert auf das Unbehagen der Stadtluzerner Mitte-Parteien: Sie stimmt einer teilweisen Bewirtschaftung der Velostation zu. Damit könnten auch die Grünen leben, die SP hingegen kritisiert das Vorhaben.
Bis zu 1500 Veloplätze soll eine Station unter der Stadtluzerner Bahnhofstrasse einst bieten. Kommt es zur Umsetzung, wäre es das grösste Bauvorhaben für den Veloverkehr im Kanton Luzern. Obwohl die Stadtluzerner Stimmbevölkerung 2019 einem Planungskredit über 2 Millionen Franken zugestimmt hat, ist das Megaprojekt noch nicht in trockenen Tüchern; im Februar 2022 wird die Bevölkerung das letzte Wort zum Ausführungskredit haben. Und die Wogen gingen hoch, als im vergangenen September bekannt wurde, dass die Station 17 Millionen Franken kosten würde – 3,6 Millionen mehr als vormals angenommen.
Daraufhin verlangten die Mitte-Parteien CVP und GLP per Postulat, dass die Stadt zumindest in einem Teil der Velostation Gebühren erheben soll. Dies nicht zum ersten Mal: Ähnliche Anliegen scheiterten bisher an der links-grünen Mehrheit im Parlament. Dessen ungeachtet fürchten die Mitte-Politiker, dass das Verständnis der Stadtluzerner Bevölkerung für das Projekt sinkt – mit den Gebühren wollen sie die Chancen für ein Ja an der Urne erhöhen.
Auch der Luzerner Stadtrat stand Gebühren bisher kritisch gegenüber. Nun aber kommt es zu einem Umdenken; die Exekutive erklärt sich dazu bereit, ein Gebührenmodell ins Projekt aufzunehmen. Dabei schlägt der Stadtrat eine Hybridlösung vor. Beim bahnhofsnahen Sektor B mit 500 Parkplätzen soll eine Gebührenpflicht eingeführt werden, während der westliche Sektor A kostenfrei bleiben soll:
Im Bereich der Rampeneinfahrt sollen zudem ein Büro und eine Werkstatt für Kleinreparaturen eingerichtet werden. Das Personal fungiere als Ansprechperson, händige Badges und Tickets aus, repariere und putze auf Anfrage Velos oder lade E-Bikes innerhalb der Velostation auf. Der Stadtrat weist darauf hin, dass Gratis-Parkieren in Velostationen schweizweit eher eine Ausnahme sei. Ein Vergleich mit anderen Städten ergebe folgende mögliche Preisspannen:
Bei einer hohen Auslastung könne so ein jährlicher Ertrag von rund 65'000 Franken erzielt werden. In den ersten zwei Jahren hingegen will der Stadtrat auf Gebühren verzichten. Dies sei als «Eröffnungsgeschenk» gedacht. Es soll vor allem dazu dienen, die Bevölkerung daran zu gewöhnen, das Velo nicht mehr zwischen den Bäumen auf der Bahnhofstrasse abzustellen.
Der Stadtrat nimmt das Postulat teilweise entgegen. Er stimmt der geforderten Bewirtschaftung zu, lehnt aber eine vorzeitige Festlegung auf das Zutrittssystem «Velocity» ab. Das Parlament berät das Postulat am 29. April.
«Wir sind froh, dass der Stadtrat unser Anliegen aufnehmen will», sagt CVP-Fraktionschefin und Postulantin Mirjam Fries. Die teilweise Bewirtschaftung sei auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Fries gibt aber zu bedenken:
«Die geplanten Erträge fallen noch gering aus. Da muss das Potenzial für die Zukunft ausgelotet werden.»
Für einen definitiven Entscheid sei es noch zu früh. Die CVP wolle das Projekt im Gesamten beurteilen – und dabei Kosten und Nutzen abwägen.
GLP-Fraktionschef und Postulant Jules Gut zeigt sich auf Anfrage zufrieden. «Aus unserer Sicht ist das vorliegende Projekt eine
Win-win-win-Situation.» Es schaffe neue Parkierungsflächen, reduziere das wilde Parkieren am Bahnhof, schütze die Velos vor Witterung und käme auch den Transportunternehmen zugute. Obwohl das Projekt innerhalb der Partei noch nicht besprochen wurde, geht Gut davon aus, dass seine Fraktion das Projekt unterstützen wird.
Auch die FDP begrüsst die Stellungnahme des Stadtrates. Die Bereitschaft, Gebühren zu zahlen, werde bei der Beurteilung des Ausführungskredites eine entscheidende Rolle spielen, schreibt Fraktionschef Marco Baumann. Er hält fest:
«Das Projekt ist nun massiv teurer als ursprünglich gedacht, weshalb eine Gegenfinanzierung für die Nutzung unabdingbar ist.»
Eine Velostation, die nicht bewirtschaftet werde und keine Gebühren verlange, werde vielleicht durch die linke Mehrheit im Grossen Stadtrat akzeptiert, es jedoch bei der obligatorischen Volksabstimmung im Frühling 2022 schwer haben, glaubt Baumann.
Die SVP ist geteilter Meinung, wie Fraktionschef Thomas Gfeller schreibt. Die Mehrheit der Fraktion sei allerdings der Ansicht, dass eine Gebührenerhöhung durchaus gerechtfertigt sei, wenn sie einen Mehrwert biete. Dass die Velofahrer zwischen Gebühr und kostenloser Benützung wählen können, finde die SVP im Grundsatz gut.
Einverstanden mit der teilweisen Überweisung sind die Grünen. Der kostenpflichtige Teil dürfe aber nicht zu gross konzipiert werden, findet Grünen-Präsident Martin Abele. «Die Erfahrungen aus anderen Velostationen zeigen nämlich, dass sonst viele dieser Plätze leer bleiben, was wiederum auf Kosten der anderen Plätze geht.» Auch müsse die Bewirtschaftung mit einem Mehrwert einhergehen, zum Beispiel durch Bewachung oder Schliessfächer.
Die SP steht der Idee kritischer gegenüber. Die Erfahrungen mit den Smartmo-Abstellplätzen vor dem Bahnhofsgebäude hätten gezeigt, dass «Velofahrende offenbar sehr sensibel auf Kosten reagieren», schreibt SP-Grossstadtrat Nico van der Heiden. «Es wäre sehr schade, wenn die tolle Velostation dann ungenügend genutzt würde.» Um die Nutzung zu erhöhen, müsse die Stadt positive, nicht negative Anreize schaffen.
In seiner Antwort legt der Stadtrat zudem eine erste Visualisierung des Inneren der Velostation vor. Diese präsentiert sich wie folgt:
Mit einer Länge von 107 Metern ist die Velostation beinahe so lange wie die Bahnhofstrasse. Sie umfasst zwischen 1100 und 1500 Veloplätze. Das Projekt ist im Zusammenhang des Durchgangsbahnhofes zu verstehen, der die Personenfrequenz stark erhöhen wird. Während der zehnjährigen Bauzeit des Bahnhofes wäre die neue Velostation die einzige grössere Abstellmöglichkeit, die erhalten bliebe. Der grosse Bedarf nach attraktiven, witterungsgeschützten und zentralen Veloplätzen sei ausgewiesen, hält der Stadtrat fest.