40 Jahre bei der Vogelwarte: Wie die Gründung des Kantons Jura Lukas Jenni zum Traumjob verhalf

Der Wissenschaftliche Leiter der Vogelwarte Sempach verlässt im Sommer seine Arbeitsstätte, weil er pensioniert wird. Er blickt auf eine lange Karriere zurück.

Fabienne Mühlemann
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Es ist eine lange Liebesgeschichte zwischen Lukas Jenni und der Vogelwarte Sempach. Genau genommen dauerte sie 41 Jahre. In diesem Sommer geht der Wissenschaftliche Leiter des Instituts in Pension. «Natürlich ist da eine gewisse Wehmut vorhanden, wenn ich daran denke, das Institut zu verlassen», sagt Jenni. Doch er wisse, dass die Vogelwarte bei seinem Nachfolger Gilberto Pasinelli in guten Händen ist. Ausserdem verspüre er grosse Dankbarkeit, dass er für solch eine lange Zeit eine «erfüllende berufliche Tätigkeit» ausüben durfte.

Lukas Jenni blickt auf eine lange Karriere bei der Vogelwarte zurück.

Lukas Jenni blickt auf eine lange Karriere bei der Vogelwarte zurück.

Bild: Philipp Schmidli, Sempach, 17. April 2020

Seit 20 Jahren ist er in der Funktion als Wissenschaftlicher Leiter tätig – seit 2012 zudem als Vorsitzender der Institutsleitung. Eingestiegen war er 1979 als Leiter der nationalen Beringungszentrale. Doch was hielt Jenni so lange in der Vogelwarte direkt am Sempachersee? «Die Biologie der Vögel und insbesondere der Vogelzug haben mich immer begeistert», sagt er. Wie weit und lange diese kleinen Vögel fliegen können, sei einfach spannend. «Ich habe zu keinem Zeitpunkt den Drang verspürt, den Arbeitsort zu wechseln», so Jenni, der nebenher auch noch an der Uni Zürich Vorlesungen gehalten hat. Für seine wegweisenden Beiträge zur Erforschung des Vogelzugs wurde er 1995 übrigens mit dem Stresemann-Preis ausgezeichnet.

Als Kind oft mit der Natur in Kontakt

Seine Liebe zu den gefiederten Tieren entdeckte der gebürtige Basler bereits früh. «Als Primarschüler habe ich voller Eifer die vier Silva-Bände über Vögel gesammelt, in die man Bilder reinkleben konnte. Und ich habe alle abgezeichnet», erinnert sich Jenni. Mit seinem Grossvater sei er ausserdem jede Woche im Zolli Basel gewesen. Das Interesse an den Tieren verleitete ihn als Maturand dazu, ein Biologie-Studium in Basel anzufangen. «Eigentlich rieten mir alle davon ab, da die Jobaussichten als Biologe schlecht waren. Doch das stachelte mich umso mehr an, das Studium zu absolvieren», sagt der 64-Jährige lachend.

Betrachtet man den Entscheid im Nachhinein, war er gleich doppelt richtig. Denn im Studium lernte er seine Frau kennen, welche heute ebenfalls als Ornithologin an der Vogelwarte arbeitet und mit der er zwei Kinder hat. Und dank dem Studium kam er zu seinem Traumjob an der Vogelwarte. «Ich kannte das Institut bereits von meinem Engagement als Freiwilliger und konnte meine Diplomarbeit über Spechte mit Unterstützung der Vogelwarte schreiben», erklärt Jenni. Weil der damalige Leiter der Beringungszentrale 1979 in den neu gegründeten Kanton Jura zog, wurde die Stelle in Sempach frei. «Sie wollten unbedingt einen Biologen. Ich war zuerst skeptisch, weil ich doch eine Doktorarbeit schreiben wollte», sagt Jenni. Doch er sagte trotzdem zu und verfasste diese eben nachts.

Stolz auf die grosse Anerkennung

Während den letzten 41 Jahren hat sich in der Vogelwarte viel verändert. «Von anfänglich weniger als 20 Mitarbeitern sind wir mittlerweile auf über 140 Festangestellte gewachsen». Das habe mehr und grössere Projekte sowie Spezialisierungen von Fachkräften ermöglicht. «Als damaliger Chef der Wissenschaftlichen Dienste war ich zuständig für den allerersten Computer im Institut. Ich musste die Bildschirmzeiten unter den Mitarbeitern aufteilen», denkt Jenni zurück. Alles andere wurde da noch mit der Schreibmaschine verfasst. «Für den zweiten Computer mussten wir rund 10'000 Franken hinblättern.»

Am meisten stolz ist Jenni darüber, wie stark sich die Anerkennung und das Image der Schweizerischen Vogelwarte in der Bevölkerung in den letzten 40 Jahren verbessert hat. «Als zum Beispiel die Vogelgrippe vor einigen Jahren grassierte, haben viele Leute bei uns angerufen und um Auskunft gebeten», sagt er. Der Anstieg des Ansehens führe er auf die fachlich fundierte Arbeit der Vogelwarte zurück und dass Umweltthemen in letzter Zeit stark an Bedeutung gewonnen hätten. «Wir argumentieren immer sachlich und sind nicht politisch tätig. Das schätzen die Leute sehr.»

Auswirkungen von Corona auf Vögel möglich

Mit der Coronakrise wird Jenni nun in einer schwierigen Zeit abtreten. «Das Homeoffice ist auch für uns nicht einfach, alles ist schwerfälliger», sagt er. Trotzdem können mit Distanz noch viele Feldarbeiten durchgeführt werden und auch die Vogelpflege ist noch geöffnet. Etwas mehr Sorgen macht sich Jenni um die Vögel. «Das Virus selber macht ihnen nichts. Es ist eher das Verhalten der Leute, das Auswirkungen auf die Vögel haben könnte.» Wegen Corona würden sich mehr Menschen in den Naherholungsgebieten befinden und es bestehe die Gefahr, dass sie sich weniger an die Wege halten. Das könnte die Vögel stören. «Hierzu können aber noch keine gesicherten Aussagen gemacht werden», sagt Jenni.

Wegen der Pandemie konnte er sich noch kaum Gedanken machen, was er in der Pension alles unternehmen möchte. «Mein Hobby ist und bleibt die Ornithologie. Das werde ich dann einfach ohne Druck ausüben können», freut sich Jenni. Bis im Sommer will er aber noch sein neustes Fachbuch über den Gefiederwechsel der Vögel zu Ende schreiben. Und auch Arbeiten wie Archivieren und Aufräumen müssen erledigt werden. Doch eines ist klar: Obwohl er die Vogelwarte verlässt, wird seine Leidenschaft für die Vögel weiter brennen.