Arbeitsmarkt
Akuter Fachkräftemangel in der Zentralschweiz: Problem akzentuiert sich

Die Zentralschweiz gehört zu den Regionen mit dem grössten Fachkräftemangel. Gefragt sind «normale» Berufsleute. Dies geht aus einer Umfrage des Luzerner Gewerbeverbands und einer Studie der Hochschule Luzern hervor.

Alexander von Däniken
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Seit drei Jahren führt der KMU- und Gewerbeverband Kanton Luzern (KGL) unter seinen Mitgliedern eine Umfrage durch. Das KMU-Barometer hat dabei stets bei einem Begriff am heftigsten ausgeschlagen: Fachkräftemangel. Grund genug für den Verband, in diesem Jahr einen besonderen Fokus auf das Sorgenkind Nummer 1 zu legen.

Dabei hat der KGL nicht nur seine Mitglieder befragt, sondern erstmals bei der Hochschule Luzern auch eine Studie zum Thema in Auftrag gegeben. Die Resultate wurden am Donnerstagabend bei der Unternehmer-Impulsveranstaltung «Luzern 20» in der Messe Luzern präsentiert (siehe Box am Schluss des Artikels) – und bergen die eine oder andere Überraschung.

Informatiker am meisten nachgefragt

Der Fachkräftemangel ist gemäss der Hochschulstudie nur noch im Kanton Graubünden ausgeprägter als in der Zentralschweiz (ohne Zug). Gleichauf liegt die Wirtschaftsregion Zürich-Zug. Die Hochschule orientierte sich bei der Definition an den vier Indikatoren des Bundes: Deckungsgrad (Verhältnis aktuell besetzte Stellen eines Berufes und entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte), Zuwanderung (Anteil der in den letzten zehn Jahren zugewanderten Arbeitskräfte an der Gesamtzahl der Beschäftigten im entsprechenden Beruf), Arbeitslosenquote und Quote der aktuell offenen Stellen.

Ein Verdacht auf Fachkräftemangel besteht, wenn mindestens zwei der vier Indikatoren einen Mangel anzeigen. Die Bewertung lässt auch Rückschlüsse auf die Branchen zu. Der Bereich Informatik und Kommunikation, wozu auch die IT zählt, hat in der Zentralschweiz den grössten Fachkräftebedarf. Für den Kanton Luzern besonders problematisch sind auch das Baugewerbe und das verarbeitende Gewerbe.

Fast drei Viertel der Firmen persönlich betroffen

Die Hochschulstudie und die vertiefte Befragung des KGL ergänzen sich, indem 72 Prozent der 408 antwortenden Unternehmen angaben, persönlich vom Fachkräftemangel betroffen zu sein. Besonders akut ist er mit 83 Prozent bei Kleinbetrieben mit 10 bis 49 Mitarbeitern. Dabei fehlen nicht etwa Manager oder Spezialisten, sondern Berufsleute mit regulärem Lehrabschluss, also eidgenössischem Fähigkeitszeugnis. Das gaben fast drei Viertel der Firmen an.

Nun inserieren die Firmen zwar fleissig, aber in 45 Prozent der Fälle sind die Bewerber zu wenig qualifiziert oder bringen nicht die nötige Erfahrung mit. In 19 Prozent der Fälle landen keine Bewerbungen im Postfach. In 34 Prozent der Fälle haben die Unternehmen schon beide Erfahrungen gemacht.

Dass in erster Linie zu wenig Fachleute ausgebildet werden, glaubt nur ein Fünftel der befragten Firmen. Vielmehr sind sie der Meinung, dass die Fachleute nicht im Beruf gehalten werden können. Das hat laut KGL-Direktor Gaudenz Zemp vor allem zwei mögliche Ursachen: «Einerseits ist es ein gesellschaftliches Phänomen, dass man heute nicht mehr von der Lehre bis zur Pensionierung im gleichen Beruf bleibt. Andererseits bekunden vor allem Kleinstbetriebe Mühe, ihren Fachkräften berufliche Perspektiven und entsprechende Lohnerhöhungen zu bieten.»

Werkzeugkasten mit Massnahmensammlung

Die Erkenntnisse aus der Studie und der Umfrage will der KGL nicht für sich behalten. Er hat einen «Werkzeugkasten» erstellt, eine Übersicht an Massnahmen von Bund, Kantonen und Organisationen. Darin kommen zum Beispiel Massnahmen für Arbeitnehmer ab 50 Jahren vor, aber auch Brückenangebote für Schulabgänger.

«Das Ziel ist, dass sich schweizweit alle Stellen vom Werkzeugkasten bedienen und ihre Erfahrungen einfliessen lassen», sagt Gaudenz Zemp. Der KGL selbst will sich dabei an einem neuen von der Hochschule entwickelten Modell zur Fachkräftesicherung orientieren. Kürzlich hat er seine Berufs- und Branchenverbände über den Bericht der Hochschule orientiert. Die Verbände sollen nun bis Weihnachten jeweils drei Massnahmen melden, die seitens Berufs- und Branchenverband, Unternehmen und KGL prioritär umgesetzt werden sollen.

Die definitiven Massnahmen werden an der Konferenz der Präsidenten der Branchen- und Berufsverbände vom nächsten Februar definitiv verabschiedet. Als vorläufiges Fazit sagt Zemp, der Fachkräftemangel habe sich in den letzten Jahren akzentuiert.

«Darum müssen die Anstrengungen nochmals intensiviert werden. Dabei ist nun ein möglichst koordiniertes und fokussiertes Vorgehen angezeigt.»

Das können Massnahmen sein, um zusätzliche Fachkräfte zu rekrutieren, «aber auch um sie in den Betrieben zu halten oder den Bedarf an Fachkräften zu reduzieren».

Der Fachkräftemangel als grösste Sorge der Luzerner Unternehmen spiegelt sich auch im regulären KMU-Barometer des KGL wider. Gaben die Firmenverantwortlichen für das Jahr 2017 noch zu 51 Prozent an, die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern werde schwieriger, sind es für 2020 schon 64 Prozent.

Skeptischer sind die Firmen auch bei der Frage, wie sich die allgemeine Wirtschaftslage im Kanton Luzern entwickeln wird, nämlich nur noch knapp positiv. Für das eigene Unternehmen malen die Firmenchefs dann nicht so schwarz: Zwar ging auch bei der eigenen Auftragslage der Wert zurück, er liegt jedoch wesentlich höher als jener der allgemeinen Wirtschaftslage. Das gilt auch bei der Zahl der Beschäftigten, wo für 2020 ein leichter Anstieg prognostiziert wird. Bleibt zu hoffen, dass auch Fachkräfte darunter sind.

KMU sind oft Mini-Firmen

(avd) Es ist nicht übertrieben, beim alljährlichen KMU-Barometer des Luzerner Gewerbeverbands von einem Sorgenbarometer zu sprechen. Schliesslich geben die Unternehmen jedes Jahr an, welche Sorgen sie für das kommende Jahr umtreiben; zum Beispiel der Fachkräftemangel (siehe Haupttext). Am Donnerstagabend präsentierte der Verband den rund 300 Gästen aus Wirtschaft und Politik im Forum der Messe Luzern die aktuellsten Ergebnisse.

Verbandsdirektor Gaudenz Zemp stellte gleich zu Beginn klar, dass der Begriff KMU für das Luzerner Gewerbe irreführend ist: Durchschnittlich verfügt ein Unternehmen nämlich «nur» über sechs Mitarbeiter.

Finanzdirektor verteidigt umstrittene Reform

Nach der Präsentation der Umfrage nahm Finanzdirektor Reto Wyss (CVP) auf dem «heissen Stuhl» Platz. Der Regierungsrat musste sich zugleich zu den schlechteren Budgets vieler Gemeinden wegen der Aufgaben- und Finanzreform äussern: «Ich gehe davon aus, dass die Gemeinden auch dieses Mal besser abschliessen werden, als sie budgetiert haben.» Die Gemeinden «werden ihre Steuerfüsse halten können».

Was den Fachkräftemangel betrifft, verwies der Finanzdirektor auf die gewollte, tiefe Gymnasialquote. Zwar sind dieses Jahr 20,8 Prozent der Sechstklässler in ein Langzeitgymi gewechselt, das sei aber vor allem auf drei Gemeinden zurückzuführen: die Stadt Luzern, Eich und Schenkon. «Abgesehen davon ist die Entwicklung stabil», sagte Wyss.