Campingplätze werden derzeit mit Buchungen überhäuft, weil die Schweizer Bevölkerung die Ferien wohl im eigenen Land verbringen muss. Davon profitieren nicht alle in der Tourismusbranche: Städte wie Luzern werden die internationalen Gäste bei weitem nicht ersetzen können.
Badeferien am Mittelmeer oder eine Reise durch Europa? Wegen der Beschränkungen aufgrund der Coronakrise werden diesen Sommer viele Schweizer von solchen Plänen absehen. Alternativen werden hierzulande gesucht – und besonders bei Campingplätzen gefunden: «Seit einer Woche erhalte ich 50 Prozent mehr Buchungen als sonst zu dieser Saison», sagt Andreas Knüsel vom Campingplatz und Erlebnisbauernhof Gerbe in Meierskappel. Sein Campingplatz werde im Sommer wohl wie in den Vorjahren voll ausgelastet sein.
Dies erwartet auch Michael Hippler, Leiter des Lido Camping in Luzern. Wegen der Lage in der Stadt würden auf seinem Campingplatz normalerweise viele Gäste aus dem Ausland beherbergt, die nur für wenige Nächte blieben. «Jetzt buchen bei uns viele Schweizer gleich für mehrere Wochen, weshalb wir im Sommer trotz fehlender internationaler Gäste gut besucht sein dürften.»
Von einer «Reservationswelle» spricht Adrian Barmettler, Betriebsleiter des Campingplatzes Seefeld Park Sarnen. An gewissen Tagen würden bis zu 80 E-Mail-Anfragen für Verlängerungen oder Neubuchungen eintreffen.
Auch bei den Campingplätzen des Touring Clubs Schweiz (TCS) in Sempach, Horw, Buochs und Zug sind die Buchungen seit Bekanntgabe der schrittweisen Lockerungen durch den Bundesrat «stark angestiegen», wie es auf Anfrage heisst. «Da Ferien am Meer nicht stattfinden können, sind in diesem Jahr besonders Standorte an Gewässern sehr gefragt», so Oliver Grützner, Leiter Tourismus und Freizeit beim TCS.
Beim TCS sind derzeit noch Stellplätze für die Ferienzeit vorhanden. Grützner empfiehlt aber, schnell zu buchen: «Wir erwarten eine weitere grosse Welle an Buchungen, wenn der Bund das Datum für die Eröffnung der Campingplätze kommuniziert.» Der Bundesrat hat nämlich bisher offen gelassen, wann und unter welchen Bedingungen die Campingplätze wieder für Touristen öffnen dürfen. Derzeit können nur Dauermieter und Standplatzbesitzer die Campings benutzen.
Die Verantwortlichen fordern deshalb Planungssicherheit: «Es sollte sehr rasch entschieden werden, wann und wie geöffnet werden kann», so Grützner. «Die TCS-Campingplätze sind vorbereitet, um alle für den Betrieb notwendigen Schutzmassnahmen umzusetzen.» Auch der Campingplatz im Luzerner Lido ist bereit: «Wir reinigen die Einrichtungen, mähen den Rasen und führen Unterhaltsarbeiten aus, damit wir den Betrieb jederzeit hochfahren können», führt Hippler aus.
Dass Campingplätze derzeit gefragt sind, überrascht Jürg Stettler nicht. Der Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern stellt klar: «Das Reisebedürfnis ist sicher vorhanden. Die Frage ist, in welcher Form dieses befriedigt werden kann.» Dies hänge einerseits von den Ausweichmöglichkeiten ab: «Campingferien am Mittelmeer lassen sich relativ einfach durch solche an einem See in der Schweiz ersetzen», so Stettler. Daneben spiele auch die Budgetrestriktion eine Rolle – gerade weil Arbeitsplatzunsicherheiten mit der Coronakrise verstärkt worden sind. «Weil sich nicht alle eine Woche Ferien in der Schweiz leisten können, werden Tagesausflüge und Kurzaufenthalte zum Zug kommen», so Stettler.
Zudem sind gerade preiswerte Angebote gefragt, was auch die Reka spürt. Der Anbieter von Familienferien verzeichnet eine «markante» Zunahme der Buchungsanfragen für Feriendörfer und -wohnungen. Während vier Wochen bereits ausgebucht ist das Feriendorf in Sörenberg. Weitere Wohnungen in der Zentralschweiz seien noch verfügbar, so Damian Pfister, Leiter Reka-Ferien. «Für die Sommerferien ist es jedoch ratsam, bald zu buchen.»
Jürg Stettler geht davon aus, dass gerade Ferienwohnungen beliebt sein könnten, weil es dort weniger Kontakt mit anderen Leuten gibt und Distanzregeln einfach einzuhalten sind. «Auch Gebiete mit einem hohen Anteil an Zweitwohnungen könnten profitieren, weil diese Unterkünfte unter Familienmitgliedern und Freunden weitervermietet werden», mutmasst der Tourismusforscher. «Für Städte dürfte es schwieriger werden, Feriengäste anzulocken», so Stettler. «Besucht man in der Schweiz eine Stadt, macht man eher einen Tagesausflug oder übernachtet höchstens eine Nacht.» Auf Anfrage hält Luzern Hotels Präsident Conrad Meier fest: «Es kommt auf die Lockerungsbedingungen in den nächsten Tagen an, ob der Tourismus mit den mehrheitlich Schweizer Touristen ins Rollen kommt und ob es diese in die Städte zieht.»
Und welche Auswirkungen hat die Ausrichtung auf internationale Gäste, wie im Fall von Luzern? Gäste von verschiedenen Ländern hätten nicht alle die gleichen Bedürfnisse, sagt Stettler. «Wenn ein Hotel seinen Umsatz bisher nur mit asiatischen Gruppentouristen gemacht hat, dann ist das Angebot kaum auf eine Schweizer Familie zugeschnitten.» Für ihn ist klar, dass der Wegfall von ausländischen Gästen nicht komplett durch Schweizer kompensiert werden kann – zumal ihr Anteil in der Schweiz 55 Prozent ausmacht, im Kanton Luzern sogar 67 Prozent.
Für Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern, ist klar, dass die Sommermonate primär ein Geschäft mit Schweizer Touristen sein werden. Wenn keine zweite Welle des Coronavirus komme, seien aber gegen Herbst oder Ende des Jahres wieder Gäste aus dem nahen Ausland, etwa aus Deutschland oder Italien, zu erwarten. «Der Tourismus aus Asien und Übersee wird sich mit grosser Wahrscheinlichkeit erst ab 2021 zu erholen beginnen», so Stettler. (jus)
Auch Luzern Tourismus erwartet in diesem Jahr für die Stadt einen Einbruch der Logiernächte um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ob es Städte wie Luzern wegen ihrer Ausrichtung auf internationale Gäste schwieriger als andere Ferienregionen haben werden, Schweizer Touristen anzuziehen, sei noch nicht abzuschätzen, sagt Sibylle Gerardi, Leiterin Unternehmenskommunikation bei Luzern Tourismus: «Ein grosser Vorteil ist aber, dass die Region Luzern-Vierwaldstättersee mit den Bergen und dem See mehr zu bieten hat als nur die Stadt.» Um Schweizer anzulocken, wird Luzern Tourismus verstärkt den «Zentralschweizer Gutschein» bewerben, der bei über 100 Anbietern als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Zudem ist ein preislich attraktives Pauschalangebot geplant, welches Kurzferien in Luzerner Hotels mit dem Tellpass, dem Generalabo für die Zentralschweiz, kombiniert.