Ausbeutung
Menschenhandel in der Schweiz – Bund will handeln

In letzter Zeit gibt es vermehrt Frauen, die als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Opfer von Menschenhandel landen nicht nur in der Prostitution. Der Bund soll einen weiteren Aktionsplan gegen Menschenhandel lancieren.

Kari Kälin
Drucken

1. Wie verbreitet ist Menschenhandel in der Schweiz?

Man spricht auch von moderner Sklaverei: Unter Zwang, Gewalt, Täuschung oder Drohung werden Menschen angeworben, vermittelt und ausgebeutet. Menschenhandel passiert nicht nur in der Prostitution. Betroffene werden auch als billige Arbeitskraft missbraucht, etwa im Gast- und Baugewerbe, in Coiffeursalons oder Nagelstudios und Haushalten, wie das Bundesamt für Polizei (Fedpol) in einem aktuellen Bericht festhält.

Das Fedpol koordiniert den Kampf gegen Menschenhandel. Die Dunkelziffer laut Einschätzung von Experten ist hoch. Oft getrauen sich die Betroffenen nicht, die Polizei einzuschalten. Allein die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) mit Sitz in Zürich betreute in den letzten Jahren immer mehr Opfer von Menschenhandel, 2020 waren es 303. Auf der anderen Seite werden relativ wenige Täterinnen und Täter wegen Menschenhandels verurteilt. Von 2010 bis 2020 waren es jährlich zwischen 4 und 21 Personen.

2. Wer sind die Opfer?

Die meisten Opfer sind junge Frauen, die zur Sexarbeit gezwungen werden. Allerdings gibt es in den letzten Jahren vermehrt Hinweise darauf, dass Menschen auch als billige Arbeitskräfte in anderen Branchen ausgenützt werden. Bei den Opfern handelt es sich oft um niedrig qualifizierte Personen aus armen Verhältnissen und zerrütteten Familien. Die meisten stammen aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Aus dem asiatischen Raum werden vor allem Menschen aus China und Thailand ausgebeutet. In Afrika ist Nigeria ein Hotspot für Menschenhandel.

Missbraucht als billige Arbeitskraft im Haushalt: Auch das ist eine Form von Menschenhandel.

Missbraucht als billige Arbeitskraft im Haushalt: Auch das ist eine Form von Menschenhandel.

Sabine Rock/Schweizer Plattform gegen Menschenhandel

3. Wer sind die Täter und wie gehen sie vor?

Meistens handelt es sich um Männer, die aus dem gleichen Land wie die Opfer stammen. Bei Opfern aus Thailand und Nigeria nehmen oft auch Frauen eine Schlüsselrolle ein. Die Mehrheit der Täter wohnt – anders als die Opfer – legal in der Schweiz, die meisten agieren in kleineren Gruppen. Sie locken die Opfer mit falschen Versprechen in die Schweiz, stellen horrende Reisekosten in Rechnung, nehmen Ausweise weg, sind gewalttätig und sprechen Drohungen gegen die Opfer und deren Familien.

4. Was tut die Schweiz gegen Menschenhandel?

Unter Justizministerin Simonetta Sommaruga lancierte die Schweiz zwei Aktionspläne gegen Menschenhandel. Nachfolgerin Karin Keller-Sutter soll in der zweiten Hälfte dieses Jahres einen dritten vorlegen. Der Fokus liegt im Wesentlichen auf jenen Punkten, die im letzten Aktionsplan noch nicht oder ungenügend umgesetzt wurden. Ein besonderes Augenmerk soll auf die Bekämpfung der Arbeitsausbeutung gerichtet werden. «Unter anderem sollen vermehrt Arbeitsmarktkontrolleure ausgebildet und sensibilisiert werden», sagte eine Fedpol-Sprecherin.

Die Behörden gerieten in der Vergangenheit verschiedentlich in Kritik, den Opferschutz zu vernachlässigen. Anna Schmid von der Schweizer Plattform gegen Menschenhandel sagt, es hänge stark vom Engagement der Kantone ab, ob Betroffene erkannt würden und eine spezialisierte Unterstützung, professionelle Beratung und Begleitung erhielten. In einigen Kantonen funktioniere der Opferschutz sehr gut, in anderen aber nicht oder kaum. Vorbildlich seien etwa Zürich und Waadt. Der Bund will mit dem kommenden Aktionsplan den Opferschutz verbessern.

5. Was macht den Kampf gegen den Menschenhandel schwierig?

Viele Opfer erstatten keine Anzeige und leiten keine Schritte ein, um sich aus der misslichen Lage zu befreien. «Mögliche Gründe dafür sind, dass die Opfer zu sehr unter Druck gesetzt und sozial isoliert werden oder sich nicht als Opfer wahrnehmen», sagt eine Fedpol-Sprecherin. Deswegen seien Kontrollen der Polizei und der Arbeitsmarktbehörden vor Ort wichtig, um mögliche Oper zu identifizieren. Mutmassliche Opfer können für die Dauer eines strafrechtlichen Verfahrens eine Kurzaufenthaltsbewilligung erhalten – 2020 betraf dies 62 Personen. In 15 Fällen erhielten die Betroffenen eine Aufenthaltsbewilligung.