Berufsbildung
Gegen den Fachkräftemangel in der Informatikbranche: Neuer Campus in Luzern fördert Nachwuchstalente

Mit dem ICT-Campus sollen in Luzern jährlich bis zu 150 Kinder für die Informatik und andere technische Berufe begeistert werden. Damit alleine wird der Fachkräftemangel aber nicht verschwinden.

Julian Spörri
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Konzentriert bei der Arbeit: Timo, Tim und Elea am ersten Tag im neu eröffneten Campus.

Konzentriert bei der Arbeit: Timo, Tim und Elea am ersten Tag im neu eröffneten Campus.

Bild: Jakob Ineichen (Luzern, 26. Juni 2021)

Am Samstag freiwillig in die Schule gehen? Bei dieser Vorstellung dürften viele Kinder abwinken. 23 Schülerinnen und Schüler der ersten Sekundarstufe haben dieses Wochenende jedoch den Weg an den CSS-Hauptsitz in der Luzerner Rösslimatte gefunden, wo der ICT-Campus eröffnet wurde. Dieser will Talente im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie finden und fördern. Am Samstag hatten die Teilnehmenden die Aufgabe, eine Kugelbahn zu bauen und zu verkabeln, sodass ein Computerprogramm Geräusche erzeugt, wenn die Kugel bestimmte Punkte passiert. «Mir gefiel, dass wir kreativ sein und erste Erfahrungen im Programmieren gewinnen konnten», sagte Timo, der später Informatiker werden will.

Eigentlich einen anderen Berufswunsch hat Elea, die gerne im Gesundheitsbereich arbeiten möchte. Als jedoch ein ICT-Scout in ihre Schulklasse gekommen sei und ihnen einen halben Tag lang das Programmieren näher gebracht habe, sei ihr Interesse für die Informatik geweckt worden. Bisher wurde in 17 Luzerner Schulklassen ein solches Scouting durchgeführt. Qualifizierte Lehrpersonen halten dabei nach Talenten Ausschau und laden sie dazu ein, jeden zweiten Samstag bis zum Ende ihrer obligatorischen Schulzeit kostenlos den Campus zu besuchen.

Die besten Impressionen vom ersten Campustag und der Eröffnungsfeier sehen Sie hier:

Timo und Tim bauten an ihrem ersten Campustag eine Kugelbahn.
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Die Kugelbahn musste durch Kabel mit einem Computer verbunden werden.
Das Computerprogramm «Scratch» erlaubt es, Effekte wie zum Beispiel Geräusche zu erzeugen.
Im ICT-Campus in Luzern ist nicht nur Informatik Thema – auch die Vermittlung von technischen Fertigkeiten ist wichtig.
Blick in die Räumlichkeiten der CSS, wo jeden zweiten Samstag Sekundarschülerinnen und -schüler an ihren Projekten arbeiten können.
Nationalrat Franz Grüter (SVP) lässt sich die Kugelbahn von den teilnehmenden Kindern erklären.
Bereits nach drei Stunden ein eingespieltes Team: Timo, Tim und Elea.
CSS-CEO Philomena Colatrella lobte an der Eröffnungsfeier, dass beim ICT-Campus Mädchen und Buben die gleichen Chancen erhalten.
Die CSS ist Hauptsponsorin des ersten Zentralschweizer ICT-Campus.
Christoph Spöring, Leiter der kantonalen Dienststelle für Berufs- und Weiterbildung, nahm die Betriebe in die Pflicht, genügend Lehrstellen anzubieten.
Gemäss SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter ist der Fachkräftemangel in der Informatikbranche gross.

Timo und Tim bauten an ihrem ersten Campustag eine Kugelbahn.

Bild: Jakob Ineichen (Luzern, 26. Juni 2021)

Schon bald drohen Platzprobleme

Hat bereits an sechs Standorten einen ICT-Campus eröffnet: Rolf Schaub.

Hat bereits an sechs Standorten einen ICT-Campus eröffnet: Rolf Schaub.

Bild: Jakob Ineichen

Mit Luzern nimmt der Förderverein ICT Scouts & Campus bereits den sechsten Campus in der Schweiz in Betrieb. Geschäftsführer Rolf Schaub zeigt sich erfreut über den Start:

«Bei den Anmeldungen der Schulklassen verzeichnen wir in Luzern ein sehr grosses Interesse und auch die Teilnehmerzahl am ersten Campustag liegt im oberen Bereich im Vergleich mit anderen Standorten.»

Das Ziel sei es, dereinst in Luzern 100 bis 150 Talente pro Jahrgang zu fördern. Im aktuellen Raum, der durch die Hauptsponsorin CSS bereitgestellt wird, haben jedoch höchstens 80 Schülerinnen und Schüler Platz. Muss der Campus schon bald wieder zügeln? «Wir warten zuerst ab, wie sich die Nachfrage entwickelt und werden dann allenfalls nach Lösungen suchen», hält Schaub fest. «Wirtschaftlich würde es keinen Sinn machen, wenn wir schon mit der aktuellen Zahl an Talenten in einen riesigen Saal gehen.» Der Betrieb eines Campus kostet pro Jahr zwischen 150000 und 200000 Franken.

Indem Jugendliche für Berufe der Informations- und Kommunikationstechnologie begeistert werden, soll der Fachkräftemangel in der Branche entschärft werden. Eine aktuelle Studie des Verbands ICT-Berufsbildung Schweiz prognostiziert bis ins Jahr 2028 einen Mangel an 35800 Fachkräften. Davon ist auch die CSS als eine der grössten ICT-Arbeitgeber in der Zentralschweiz betroffen. Es sei wichtig, die Talentförderung aktiv zu unterstützen, erklärte CEO Philomena Colatrella in ihrer Eröffnungsrede. «Am Projekt gefällt mir besonders, dass man nicht wartet, bis die Jugendlichen eine Lehre antreten, sondern dass man sie vorher abholt.» Zudem sei es wichtig, dass Buben und Mädchen gleichermassen gefördert würden.

Holte den ICT-Campus nach Luzern: David Tassi.

Holte den ICT-Campus nach Luzern: David Tassi.

Bild: Jakob Ineichen

Die Rekrutierung von Nachwuchstalenten kann das Problem des Fachkräftemangels aber nicht alleine lösen. Im Kanton Luzern verläuft die Schaffung neuer Lehrstellen in der Informatikbranche eher schleppend, obwohl die Nachfrage vorhanden wäre. «Wir müssen die Unternehmen überzeugen, dass sie mehr Lehrstellen anbieten», bestätigt David Tassi von ICT-Berufsbildung Zentralschweiz. Der Campus könne diesbezüglich eine wichtige Rolle einnehmen:

«Wenn die Betriebe sehen, dass ein Pool von motivierten und begabten Talenten vorhanden ist, sind sie eher bereit Lehrlinge auszubilden.»

Campusleiter will Mensch und Maschine verbinden

Geleitet wird der Campus in Luzern von Mike Schaffner, der diese Aufgabe bereits an den Standorten Muttenz und Bern wahrgenommen hatte. Er werde nun in erster Linie das Team einarbeiten, welches die Talente bei ihren Projekten unterstützt. «Mein Ziel ist es, den Kindern aufzuzeigen, dass die Welt ein Spielplatz ist, den man erkunden kann», erklärt Schaffner seine Philosophie. Er bezeichnet sich selbst als Transhumanisten – als eine Person, welche die begrenzten Möglichkeiten des Menschen durch Technik erweitern will.

«Mich interessiert die Verbindung von Mensch und Maschine, weil ich überzeugt bin, dass die Grenze des technisch Machbaren noch nicht erreicht ist.»