Mit dem ICT-Campus sollen in Luzern jährlich bis zu 150 Kinder für die Informatik und andere technische Berufe begeistert werden. Damit alleine wird der Fachkräftemangel aber nicht verschwinden.
Am Samstag freiwillig in die Schule gehen? Bei dieser Vorstellung dürften viele Kinder abwinken. 23 Schülerinnen und Schüler der ersten Sekundarstufe haben dieses Wochenende jedoch den Weg an den CSS-Hauptsitz in der Luzerner Rösslimatte gefunden, wo der ICT-Campus eröffnet wurde. Dieser will Talente im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie finden und fördern. Am Samstag hatten die Teilnehmenden die Aufgabe, eine Kugelbahn zu bauen und zu verkabeln, sodass ein Computerprogramm Geräusche erzeugt, wenn die Kugel bestimmte Punkte passiert. «Mir gefiel, dass wir kreativ sein und erste Erfahrungen im Programmieren gewinnen konnten», sagte Timo, der später Informatiker werden will.
Eigentlich einen anderen Berufswunsch hat Elea, die gerne im Gesundheitsbereich arbeiten möchte. Als jedoch ein ICT-Scout in ihre Schulklasse gekommen sei und ihnen einen halben Tag lang das Programmieren näher gebracht habe, sei ihr Interesse für die Informatik geweckt worden. Bisher wurde in 17 Luzerner Schulklassen ein solches Scouting durchgeführt. Qualifizierte Lehrpersonen halten dabei nach Talenten Ausschau und laden sie dazu ein, jeden zweiten Samstag bis zum Ende ihrer obligatorischen Schulzeit kostenlos den Campus zu besuchen.
Die besten Impressionen vom ersten Campustag und der Eröffnungsfeier sehen Sie hier:
Mit Luzern nimmt der Förderverein ICT Scouts & Campus bereits den sechsten Campus in der Schweiz in Betrieb. Geschäftsführer Rolf Schaub zeigt sich erfreut über den Start:
«Bei den Anmeldungen der Schulklassen verzeichnen wir in Luzern ein sehr grosses Interesse und auch die Teilnehmerzahl am ersten Campustag liegt im oberen Bereich im Vergleich mit anderen Standorten.»
Das Ziel sei es, dereinst in Luzern 100 bis 150 Talente pro Jahrgang zu fördern. Im aktuellen Raum, der durch die Hauptsponsorin CSS bereitgestellt wird, haben jedoch höchstens 80 Schülerinnen und Schüler Platz. Muss der Campus schon bald wieder zügeln? «Wir warten zuerst ab, wie sich die Nachfrage entwickelt und werden dann allenfalls nach Lösungen suchen», hält Schaub fest. «Wirtschaftlich würde es keinen Sinn machen, wenn wir schon mit der aktuellen Zahl an Talenten in einen riesigen Saal gehen.» Der Betrieb eines Campus kostet pro Jahr zwischen 150’000 und 200’000 Franken.
Indem Jugendliche für Berufe der Informations- und Kommunikationstechnologie begeistert werden, soll der Fachkräftemangel in der Branche entschärft werden. Eine aktuelle Studie des Verbands ICT-Berufsbildung Schweiz prognostiziert bis ins Jahr 2028 einen Mangel an 35’800 Fachkräften. Davon ist auch die CSS als eine der grössten ICT-Arbeitgeber in der Zentralschweiz betroffen. Es sei wichtig, die Talentförderung aktiv zu unterstützen, erklärte CEO Philomena Colatrella in ihrer Eröffnungsrede. «Am Projekt gefällt mir besonders, dass man nicht wartet, bis die Jugendlichen eine Lehre antreten, sondern dass man sie vorher abholt.» Zudem sei es wichtig, dass Buben und Mädchen gleichermassen gefördert würden.
Die Rekrutierung von Nachwuchstalenten kann das Problem des Fachkräftemangels aber nicht alleine lösen. Im Kanton Luzern verläuft die Schaffung neuer Lehrstellen in der Informatikbranche eher schleppend, obwohl die Nachfrage vorhanden wäre. «Wir müssen die Unternehmen überzeugen, dass sie mehr Lehrstellen anbieten», bestätigt David Tassi von ICT-Berufsbildung Zentralschweiz. Der Campus könne diesbezüglich eine wichtige Rolle einnehmen:
«Wenn die Betriebe sehen, dass ein Pool von motivierten und begabten Talenten vorhanden ist, sind sie eher bereit Lehrlinge auszubilden.»
Campusleiter will Mensch und Maschine verbinden
Geleitet wird der Campus in Luzern von Mike Schaffner, der diese Aufgabe bereits an den Standorten Muttenz und Bern wahrgenommen hatte. Er werde nun in erster Linie das Team einarbeiten, welches die Talente bei ihren Projekten unterstützt. «Mein Ziel ist es, den Kindern aufzuzeigen, dass die Welt ein Spielplatz ist, den man erkunden kann», erklärt Schaffner seine Philosophie. Er bezeichnet sich selbst als Transhumanisten – als eine Person, welche die begrenzten Möglichkeiten des Menschen durch Technik erweitern will.
«Mich interessiert die Verbindung von Mensch und Maschine, weil ich überzeugt bin, dass die Grenze des technisch Machbaren noch nicht erreicht ist.»