BEZIRKSGERICHT: Wilde Verfolgungsjagd auf der Luzerner Autobahn

Ein Autofahrer lieferte sich in Luzern eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei. Der Mann wurde nun vom Bezirksgericht Kriens zu 720 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

Lena Berger
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Symbolbild: Ein Blaulicht. (Bild: Friso Gentsch/DPA)

Symbolbild: Ein Blaulicht. (Bild: Friso Gentsch/DPA)

Es ist eine Februarnacht, er fährt auf der Autobahn in Kriens in Richtung Norden. Die Temperatur liegt nur ein paar Grad über null. Trotzdem hat er Schweiss auf der Stirn, als vor ihm ein Polizeiauto auftaucht.

Er ist ohne Autobahnvignette unterwegs und – was noch schlimmer ist – auch ohne Fahrausweis. Es ist knapp ein Jahr her, dass sie ihm diesen entzogen haben, aber erst ein paar Tage, dass er zuletzt beim Fahren erwischt worden ist.

Er geht gedanklich alle Möglichkeiten durch, während er das Auto verlangsamt und wie angewiesen Richtung Pannenstreifen lenkt. Seine Gedanken rasen. Was soll er tun? Er fällt eine folgenschwere Entscheidung – und drückt das Gaspedal voll durch. Der Wagen heult auf und prescht davon.

Die Polizei nimmt mit Blaulicht die Verfolgung auf. Der 31-Jährige beschleunigt noch mehr. Mit massiv übersetzter Geschwindigkeit rast er durch den Sonnenbergtunnel. Im Reussporttunnel fährt er trotz grossem Verkehrsaufkommen diagonal über den Normalstreifen und die Autobahneinfahrt Luzern Zentrum hinweg. Er überquert die Sicherheitslinie und eine Sperrfläche, überholt einen Wagen rechts und fährt mitten durchs Fahrverbot auf die Dienstausfahrt Lochhof zu.

Während dieses gefährlichen Manövers löst er den Sicherheitsgurt. Die Frau neben ihm erhebt sich vom Beifahrersitz, setzt sich auf seinen Oberschenkel und übernimmt bei voller Fahrt das Steuer. Erst im Bereich der Autobahnausfahrt Emmen-Süd gelingt es der Polizei, das Fluchtfahrzeug anzuhalten.

Die Ermittlungen bringen zu Tage, dass der Mann aus dem Kanton Tessin schon so ziemlich gegen alles verstossen hat, was das Strassenverkehrsgesetz verbietet. Er fuhr zu schnell, ohne Fahrausweis und teils auch ohne gültige Nummernschilder. Er soll Kokain konsumiert und sich trotzdem hinters Steuer gesetzt haben. Meist dabei: Seine fast zehn Jahre jüngere Freundin.

Ein Mann und eine Frau gemeinsam gegen den Rest der Welt. Die beiden führten sich auf, wie Bonnie und Clyde im Kleinformat. Wenn ihnen der Sprit ausging, montierten sie die Nummernschilder ab, hielten auf die nächste Tankstelle zu, bezogen Benzin und flüchteten, ohne zu bezahlen.

Für all seine Verfehlungen soll der Mann zehn Monate ins Gefängnis, fordert die Staats­anwaltschaft. Es ist auffällig ruhig in dem Verhandlungssaal des Bezirksgerichts Kriens, wo über den Fall entschieden werden soll. Der Beschuldigte ist zum dritten Mal in Folge nicht aufgetaucht. Ihn polizeilich vom Tessin zuzuführen, ist nicht gelungen. Deshalb findet der Prozess jetzt ohne ihn statt.

Sein Verteidiger gibt sich alle Mühe, den schlechten Eindruck auszubügeln, den die Abwesenheit seines Mandanten hinterlässt. Zu den Verstössen sei es gekommen, weil der Tessiner den Ansprüchen seiner Freundin habe gerecht werden wollen. «Er wollte ihr etwas bieten und liess sich missbrauchen, weil er ihr absolut verfallen war.» Er habe sich in einer Abwärtsspirale befunden und habe keinen Job gehabt. Die Frau sei das einzige Positive in seinem Leben gewesen. Deshalb habe er die Straf­taten begangen. «Er wurde das Opfer seiner Lebensumstände», so der Verteidiger. Doch inzwischen sei die Beziehung aus und vorbei. Alles, was sein Mandant jetzt wolle, sei, sich zu bewähren und den Einstieg ins Berufs­leben wiederzufinden.

Das Bezirksgericht Kriens spricht den Mann einer Reihe von Verkehrsdelikten schuldig, nicht aber des Kokainkonsums. Dies, weil die Urin- und die Blutprobe seinerzeit durch die Tessiner Polizei statt die Staatsanwaltschaft angeordnet wurden. Die Ergebnisse seien daher nicht verwertbar. Der Mann muss 720 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und eine Busse von 900 Franken bezahlen.

Lena Berger

lena.berger@luzernerzeitung.ch