Die Situation für den spielsüchtigen Ex-Pfarrer von Küssnacht spitzt sich zu: Weil er sich bei Pfarreigeldern bedient haben soll, reicht das Bistum Chur eine Anzeige gegen Werner Fleischmann ein. Zudem dürfte der Schuldenbetrag weiter steigen.
18 Zeilen lang ist die Medienmitteilung, die das Bistum Chur am Dienstagnachmittag verschickt hat. Den grössten Zündstoff birgt der letzte Satz: «Da mutmasslich auch Pfarreigelder betroffen sind, erfolgt eine Strafanzeige.»
Damit ist die Geschichte um den ehemaligen Pfarrer von Küssnacht um ein Kapitel reicher. Bekanntermassen hat Werner Fleischmann einen gewaltigen Schuldenberg angehäuft: 58 Gläubiger sind bis jetzt bekannt, 2,16 Millionen Franken schuldet ihnen der Gottesmann, dem die Spielsucht zum Verhängnis geworden ist.
Jetzt hat er sich also nicht nur von Privaten Geld geliehen, sondern dem Verdacht nach auch von der Kirchenkasse.
Was genau vorgefallen ist, lässt die Mitteilung aus Chur offen. Unsere Zeitung weiss aber: Es soll Unstimmigkeiten in der Buchhaltung gegeben haben, Spendengelder sollen nicht korrekt abgerechnet worden sein.
Auf konkrete Fragen unserer Zeitung verweist Bistums-Sprecher Giuseppe Gracia auf die Medienmitteilung, weitere Informationen gibt er keine preis.
Mit der angedrohten Anzeige ist es aber noch nicht getan. Wie das Bistum schreibt, schafft es eine Anlaufstelle für weitere Betroffene des Schuldenfalls: «Wir gehen davon aus, dass sich noch mehr Gläubiger melden werden», sagt Gracia. Zuständig für die Stelle ist der Luzerner Notar und Rechtsanwalt Robert Bühler.
Das Bistum ruft allfällige weitere Geschädigte auf, sich bei ihm zu melden, und ihre Ansprüche geltend zu machen. Wie hoch diese am Ende sein werden, sei noch nicht abzuschätzen, so Gracia.
Robert Bühler selber glaubt, dass die Schuldensumme nicht mehr stark steigen wird: «Ich gehe davon aus, dass sich nur noch wenige zusätzliche Personen melden werden, da der Fall doch weit herum bekannt ist.»
Wie hoch die ausstehenden Beträge auch sein mögen – das Bistum Chur wird aktiv. Doch der Zeitpunkt wirft Fragen auf.
Denn Fleischmann hat im Juni dieses Jahres demissioniert und wurde von Bischof Vitus Huonder auf eigenen Wunsch von seinem Amt entbunden. Wieso entscheidet sich Chur erst jetzt, über drei Monate später, die Anlaufstelle ins Leben zu rufen? Gracia: «Wir haben bemerkt, dass wir keine solide Informationsbasis haben.»
Darauf lässt unter anderem die Tatsache schliessen, dass die Schuldensumme in der Vergangenheit kontinuierlich nach oben korrigiert worden ist: Anfangs war noch die Rede von einigen Hunderttausend Franken und gut 50 Betroffenen, später wurde der Schuldenberg mit 1,4 Millionen Franken beziffert, dann mit 2,1, Millionen, jetzt sind es nochmals 60 000 Franken mehr.
Man wolle sich einen vollständigen Überblick verschaffen, so Gracia. «Bis jetzt ist der Eindruck vermittelt worden, wir seien über die Schuldenhöhe im Bild. Das stimmt offensichtlich nicht.» Es gehe darum, den Betroffenen zu signalisieren, dass man an einer umfassenden Klärung der Verhältnisse interessiert sei.
Das ist aber nicht der einzige Grund, Robert Bühler mit der Sammlung ausstehender Forderungen zu betrauen: Bis anhin hat Werner Fleischmanns Rechtsvertreter, der Berner Anwalt Andrea Janggen, diese zusammengetragen. «Wenn der Rechtsvertreter für die Sammlung zuständig ist, ist der Interessenkonflikt augenscheinlich. Deshalb haben wir uns zu diesem Schritt entschieden», so Gracia. Mit der Schaffung der externen Stelle habe man eine «saubere Lösung» gefunden.
Der Küssnachter Kirchenratspräsident Hanstoni Gamma kann diesen Schritt nachvollziehen: «Durch die Anzeige ist es nur sinnvoll, richtig und zwingend, dass man diese Aufteilung macht.»
Zu den mutmasslich betroffenen Pfarreigeldern nimmt Gamma keine Stellung. Dies sei Sache des Bistums. Jedoch teilt der Kirchenrat mit, dass eine Rückkehr Fleischmanns nach Küssnacht ausgeschlossen sei: «Zu schwer wiegen die Vorkommnisse; zu wichtig ist, dass er sich vorbehaltslos der Aufarbeitung widmet.»
Werner Fleischmann befindet sich nach wie vor in stationärer therapeutischer Behandlung und wird dies voraussichtlich bis Ende September bleiben. Das weitere Vorgehen ist gemäss dem Bistum noch offen.
Neben der Anzeige, die das Bistum demnächst einreichen dürfte, hat die Schwyzer Staatsanwaltschaft eine Untersuchung eingeleitet, zudem wurde eine Betreibung gegen Fleischmann eingereicht. Im Zusammenhang mit Schulden von rund 280'000 Euro aus Immobiliengeschäften in Süddeutschland läuft ebenfalls ein Verfahren gegen Fleischmann.
Für eine Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen war Andrea Janggen bis jetzt noch nicht zu erreichen. Werner Fleischmanns Anwalt ist derzeit in den Ferien.
Jedoch hat er sich am Montag mit einem Brief an die Gläubiger Fleischmanns gewandt, der unserer Zeitung vorliegt.
Darin heisst es, Fleischmann verfüge über keinerlei Vermögen und sei daher nicht in der Lage, den Forderungen nachzukommen. Weiter sei es für die Zeit nach der stationären Therapie wichtig, dass Fleischmann eng begleitet werde: «So soll er nach der Entlassung die Möglichkeit erhalten, in einem Kloster bis Ende dieses Jahres eine Auszeit zu nehmen und von dort aus die ambulante Therapie weiterzuführen.»