Nach fünf Jahren ist es wieder so weit: Weggis feiert seine Sennenchilbi. Der Freudenanlass hat seine Wurzeln in einem der schwersten Abschnitte in der Geschichte der Seegemeinde.
Es war halt eine andere Zeit. Aber es gab sie, die Zeit, bevor Weggis wegen seines angenehmen Klimas und der Besuche durch «Promi-Touristen» wie Mark Twain zur «Riviera der Zentralschweiz» erkoren wurde. Noch bevor die Hotels, Kurhäuser und Pensionen das Bild der Gemeinde dominierten, prägten die Sennen und Älpler das Leben der Gemeinde am Fusse der Rigi entscheidend mit.
Dann kam das Jahr 1686. Ein Schlüsseljahr, das das alte Weggis – das der Sennen – mit dem Weggis von heute verbindet. Laut den Überlieferungen wütete damals eine besonders heftige Maul- und Klauenseuche. Der grosse Viehverlust trieb viele Bauernfamilien an den Rand ihrer Existenz. Das gemeinsame Leid brachte die Menschen der Gemeinde aber auch zusammen. Es ist das Jahr, in dem die Sennengesellschaft gegründet wurde. Der Zweck bis heute: Man steht einander bei – insbesondere im Gebet. Die Sennen hielten Fürbitte zu Gott. Bei Fürbittengebeten teilt jeweils ein Hilfesuchender sein Gebetsanliegen einem oder mehreren Betern mit, die dann in seinem Beisein für ihn beten und ihn segnen. Das Gelübde, in schlechten Zeiten zusammenzustehen, wird bis heute jährlich an der Lorenzfeier wiederholt.
Es kamen andere Zeiten, andere Menschen, anderes Gewerbe, doch die Sennengesellschaft blieb bestehen. Heute zählt man rund 300 Aktivmitglieder. Selbstredend gehören längst nicht mehr alle Mitglieder dem Bauernstand an. Dies widerspiegelt sich beispielsweise beim Motto der diesjährigen Sennenchilbi: «Tourismus, Gwärb und Landwirtschaft mit Nostalgie und Muskelkraft.» Die Sennenchilbi findet nur alle fünf Jahre statt. Heuer von heute bis und mit nächstem Montag. Bei seiner letzten Austragung 2011 zählten die Organisatoren über 15 000 Besucher. Herzstück ist jeweils der Umzug am Sonntag. Der Tag beginnt dann um 6 Uhr morgens mit mehreren Böllerschüssen. Festbesucher erwartet danach ein dichtes Programm (siehe Kasten).
Wer genau hinschaut, kann zwischen Kirche, Umzug und Festbetrieb den einen oder anderen eigentümlichen Charakter der Weggiser Sennenchilbi erspähen: Da wären beispielsweise die Tschämeler. Sie verkörpern die mythischen Figuren der wilden Frau und des wilden Mannes vom Chilewald. Die beiden waldgrünen Gestalten haben die Aufgabe, den Sennenammann, aktuell Mischa Hasler, zu beschützen und mit viel Narrenfreiheit für Unterhaltung zu sorgen. Wer dem sonntäglichen Festgottesdienstes beiwohnt oder bei anderer Gelegenheit einen Blick in die Pfarrkirche wirft, erhascht möglicherweise einen Blick auf die zwei Kerzen der Sennengesellschaft, welche den Altarraum zieren und durch Bilder des heiligen Laurentius und heiligen Wendelin erkennbar sind. Für sie zuständig ist der Kerzenvogt Michael Hofmann. Und ohne sie wäre eine Sennenchilbi undenkbar: die Statue des heiligen St. Wendelin – des Schutzpatrons der Hirten, der Landleute, Bauern, Tagelöhner und Landarbeiter. In der Hoffnung auf Spenden in die Vereinskasse wird die Statue vom Wendelinsträger Franz Camenzind durch die Strassen getragen.
Unverzichtbar ist auch Kafichef Sepp Imgrüth. Gemäss dessen Angaben gilt für den Chilbi-Kaffee: Er soll so dünn sein, dass man durch ihn die Zeitung lesen kann. Das Aroma vom Träsch müsse den Gaumen dennoch richtig verwöhnen.
Ismail Osman