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Luzern
Wegen des Shutdowns hoffen viele Gastronomen zwecks Überleben auf Mietreduktionen. Eine Luzerner Anwaltskanzlei hat für einen Mandanten den Fall durchgespielt – ein Lösungsansatz vielleicht auch für andere.
4500 Franken bezahlt ein Luzerner Gastronom für sein kleines Lokal pro Monat – bei Normalbetrieb kein Problem. Doch was ist schon normal in diesen Tagen. Seit dem 17. März ist das Restaurant geschlossen, nur noch Take-away erlaubt, und das zu beschränkten Zeiten. Trotz Kurzarbeit und Überbrückungskredit hat der Mann bald ein Problem – ohne Mietzinsreduktion drohen ihm grosse finanzielle Problem, wenn nicht sogar der Konkurs. Beispiele wie diese gibt es Hunderte im Kanton Luzern. Betroffen sind längst nicht nur Restaurants, sondern auch zig Läden.
In einer gemeinsamen Mitteilung appellierten Gastro Suisse und der Schweizer Tourismus-Verband Ende vergangene Woche an die Vermieter: Das Gastgewerbe und der Tourismus seien auf eine Herabsetzung des Mietzinses angewiesen: «Wenn die Politik die Rechtssituation nicht klärt, werden die Gerichte übermässig viele Streitfälle bewältigen müssen.» Denn das ist das Problem: Die rechtliche Situation ist vage. Etliche Vermieter zeigten sich ungeachtet des Klärungsbedarfs zwar solidarisch, heisst es in der Mitteilung, «nicht wenige aber verweigern das Gespräch.»
Beim erwähnten Gastronom trifft zumindest Letzteres nicht zu. «Der Vermieter und der Pächter haben ein gutes Einvernehmen, doch unklar war für die beiden, was unter einer fairen Reduktion zu verstehen ist, deshalb wandte sich der Gastronom, den wir persönlich kennen, an uns», sagt der Luzerner Rechtsanwalt Mario Schenkel. Dessen Kanzlei Schenkel und Serrago Rechtsanwälte AG spielte den Fall anhand eines Schiedsspruchs durch und hiess den vom Mieter gestellten Antrag um Mietzinsherabsetzung teilweise gut. Demnach ist der Pächter dazu berechtigt, für die gesamte Dauer des Shutdowns statt 4500 nur noch 1781 Franken Miete zu bezahlen – also 60 Prozent weniger. Am meisten Reduktion berechneten die Anwälte erwartungsgemäss für das eigentliche Restaurant, die Küche und die Nasszelle; für Lager und Büro hingegen bleiben die Kosten gleich. Der Mieter hatte eigentlich eine Reduktion um 90 Prozent beantragt – der Vermieter dagegen verlangte, sämtliche Anträge abzuweisen.
Als Begründung für die Herabsetzung heisst es im Entscheid, dass ein Mangel an der Mietsache vorliegt. Denn der Mieter könne die Räume nicht mehr als Restaurant nutzen, wie im Vertrag vereinbart ist. Schuld daran ist allerdings weder die eine noch die andere Partei, sondern ein Beschluss des Bundesrats aufgrund von höherer Gewalt. Nun gibt es Juristen, die den Mangel an der Mietsache als nicht erstellt sehen. Schenkel sagt dazu: «Selbst wenn man diesen verneinen würde, müsste man die Fragestellung über die clausula rebus sic stantibus lösen.» Beide Parteien hätten bei Vertragsschluss nicht daran gedacht, dass es je möglich wäre, dass der Bundesrat wegen einer Pandemie den Gebrauch des Mietobjekts verbietet. «Also muss der Richter sich fragen, was hätten die Parteien vereinbart, wenn dieses Szenario einbezogen worden wäre?»
Doch wie rechtlich verbindlich ist das Ganze? «Mit der Eröffnung hat der Schiedsspruch die Wirkung eines rechtskräftigen und vollstreckbaren gerichtlichen Entscheids», sagt Schenkel und ergänzt:
«Man kann in einer Schiedsvereinbarung ziemlich frei vereinbaren, wie ein solches Schiedsverfahren ablaufen soll.»
Da Schlichtungsbehörden und Gerichte coronabedingt zurzeit keine Verhandlungen durchführen, sei dies ein möglicher Weg, um rasch und fair zu Rechtssicherheit zu gelangen. Schenkel: «Denn den Zins wegen Mangels bei der Schlichtungsbehörde zu hinterlegen ist im vorliegenden Fall nicht erlaubt und wer die Miete nicht mehr bezahlt, riskiert die Kündigung.» Der Schiedsspruch kann beim Kantonsgericht angefochten werden, sofern die Parteien dies in der Schiedsvereinbarung entsprechend vermerken.
Gastro-Luzern-Präsident Ruedi Stöckli hält die Schiedsvereinbarung für« sehr interessant», weil sie alles ins Detail durchleuchte: «Für mich wäre das ein gangbarer Weg, denn dieser Shutdown ist uns von höchster Stelle verordnet worden.» Gastro Luzern empfiehlt den Mitgliedern, dass sie vorerst mit dem Vermieter das Gespräch suchen und dann nach einer Lösung suchen, also Mietzinsreduktion oder gar Stundung. «Denn die Tauglichkeit der Sache zum vorausgesetzten Gebrauch ist stark beeinträchtigt, vermindert oder sogar unmöglich», so Stöckli. Er verstehe aber auch den Vermieter, der ebenfalls nicht schuld an der Situation sei und dafür sorgen müsse, dass er die Amortisationen bezahlen könne. Stöckli sagt:
«Deshalb wäre es nichts anderes als fair und richtig, wenn der Bund, der Vermieter und der Mieter die Kosten einer Mietzinsreduktion zu gleichen Teilen tragen würden.»
Dieser Lösungsvorschlag müsse vom Bundesrat via Notrecht angeordnet werden, «nur so ist er verbindlich.»
Hinweis: Der Entscheid ist auf der Webseite von Schenkel und Serrago Rechtsanwälte AG einsehbar.