Darum ist die Wahl von Ivo Egger zum Buchrainer Gemeindepräsidenten besonders

Er ist der erste linke und auch der erste blinde Gemeindepräsident in der Geschichte von Buchrain: Ivo Egger. Dabei wollte der bisherige Bildungsvorsteher das Ressort eigentlich gar nicht wechseln.

Roman Hodel
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Ivo Egger im Sitzungszimmer des Gemeinderats.

Ivo Egger im Sitzungszimmer des Gemeinderats.

Bild: Jakob Ineichen (Buchrain, 31. März 2020)

Im nüchternen Sitzungszimmer des Buchrainer Gemeinderats steht ein lang gezogener Tisch. Hier tagt die Exekutive donnerstags. Am oberen Ende nimmt jeweils die noch amtierende Gemeindepräsidentin Käthy Ruckli (CVP) Platz. Ihr Nachfolger Ivo Egger (SP) stutzt beim Fototermin mit unserer Zeitung kurz, dann sagt er schmunzelnd: «Ich setze mich an die Längsseite, so wie immer.»

Diese Szene hat durchaus Symbolcharakter. Zum einen ist Egger noch bis Ende August Bildungsvorsteher und erst danach Gemeindepräsident, zum anderen wartet er nicht ungeduldig auf das Amt. Im Gegenteil: «Ich wollte gar nicht wechseln, aber weil die CVP niemanden gefunden hat, stellte ich mich fürs Präsidium zur Verfügung und freue mich nun über die Wahl.» 905 Buchrainer gaben ihm am Sonntag die Stimme (wir berichteten).

In der Bildung geblieben wäre er gerne, weil ihn die Neuausrichtung der Schulleitung zuletzt stark forderte. Nach mehreren Abgängen benötigte das Besetzen der Vakanzen mehr Zeit. «Ich merkte, dass die Aufbauphase noch andauert.» Doch ausgerechnet das Coronavirus zeigt auf, dass die neue Schulleitung bestens funktioniert. Innert Kürze waren die Lehrpersonen instruiert und nach wenigen Tagen war der digitale Fernunterricht organisiert. «Dafür erhielten wir super Feedback von den Eltern.» Dass Buchrain beim Coronavirus blitzschnell reagiert hat, liegt nicht zuletzt an der Sensibilisierung für das Thema. Egger sagt:

«Unser Abteilungsleiter Bildung hat eine ähnliche Situation als Schulleiter in Singapur schon erlebt und mein Arbeitgeber Schindler war von Corona betroffen, als dies hierzulande noch kein Thema war.»

Egger arbeitet seit über 30 Jahren für den Weltkonzern, kümmert sich um Analysen und Konzepte. Dabei kommt ihm gelegen, dass man beim Aufzughersteller seit Jahrzehnten papierlos unterwegs ist. Denn Egger ist aufgrund einer Netzhautdegeneration vor 16 Jahren erblindet. «Als ich 2008 als Gemeinderat angefangen habe, musste ich alle Akten zunächst noch einscannen», sagt er. Seit gut acht Jahren ist auf der Gemeindeverwaltung ebenfalls alles digitalisiert.

Dass ein Blinder in den Gemeinderat gewählt wurde, hatte 2008 noch landesweit für Schlagzeilen gesorgt. Im aktuellen Wahlkampf war dies hingegen kein Thema mehr. «Zum Glück, ich will keine Spezialbehandlung – das ist meine Lebensphilosophie», sagt Egger. Fragt man ihn, ob er als Gemeinderat jemals in eine Situation geraten sei, die er aufgrund seiner Blindheit nicht habe meistern können, sagt er sofort:

«Keine Einzige!»

Als Gemeindepräsident wird Egger zwar mehr repräsentative Aufgaben wahrnehmen als vorher. Doch er sagt: «Auch als Bildungsvorsteher halte ich Reden an Schulschlussfeiern oder überbringe Grussworte.» Jemand, der ihn in fremder Umgebung etwa zum Rednerpult führt, finde sich immer. «Ich habe wenig Berührungsängste und frage einfach fremde Leute, ob sie mir schnell helfen können.»

Von wegen Grussworten: Egger will die Kommunikation mit der Bevölkerung weiter optimieren. Und ihm schwebt mehr Partizipation vor. «Damit sich bei Projekten nicht immer nur Kritiker, sondern auch Befürworter einbringen.» Vieles werde jedoch weitergeführt und nicht alles umgekrempelt, auch wenn erstmals ein Linker Präsident ist. «Wir sind schliesslich ein kollegiales Gremium.» Dazu zählt auch Sozialvorsteher Stephan Betschen, der mit seinen späten Präsidentenambitionen viele – auch Egger selber – vor den Kopf gestossen hatte. Egger sagt:

«Diese Sache ist für mich gegessen.»

Viel lieber schaut er vorwärts – etwa auf das Generationenprojekt, das ihn als Präsident viel beschäftigen wird. Dessen Realisierung dürfte er aber kaum im Amt erleben. «Ich werde 2024 nicht nochmals antreten – 16 Jahre Gemeinderat sind genug», lautet seine klare Ansage. Beruflich will der 58-Jährige Vater von zwei erwachsenen Söhnen bereits dieses Jahr etwas kürzer treten. Und Egger weiss auch, wozu er die gewonnene Zeit nutzen will: «Mit meiner Frau Lisbeth öfter in die Berge fahren!»