Drei Beromünster Kulturhäuser feiern den ersten datierten Buchdruck der Schweiz mit einer Jubiläumsausstellung

Das historische Ereignis jährt sich zum 550. Mal. In Beromünster haben sich das Schlossmuseum, das Stift Sankt Michael und das Haus zum Dolder zusammengetan und eine gemeinsame Ausstellung auf die Beine gestellt.

Stephan Santschi
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Paris, Rom, Beromünster. Auf der Karte der ersten Buchdruckereien im 15. Jahrhundert ist die Luzerner Gemeinde in prominenter Gesellschaft. Der damalige Chorherr Helias Helye veröffentlichte im Jahr 1470 den ersten datierten Druck der Schweiz mit dem Namen «Mammotrectus», wobei es sich um ein Handbuch mit inhaltlichen und sprachlichen Erläuterungen zur Bibel handelte. Einige Jahre davor hatte der Mainzer Johannes Gutenberg die Technik des Buchdrucks erfunden.

Da sich dieses historische Ereignis nun zum 550. Mal jährt, haben sich mit dem Schlossmuseum, dem Stift Sankt Michael und dem Haus zum Dolder drei Kulturinstitutionen aus Beromünster zusammengetan und eine gemeinsame Ausstellung sowie eine 110-seitige Publikation auf die Beine gestellt.

Die rekonstruierte Druckerstube.

Die rekonstruierte Druckerstube.

Bild: Pius Amrein (Beromünster, 28. August 2020)

«550 Jahre schwarze Kunst», so lautet ihr Name; am letzten Freitag fand die Vernissage statt. Doch wer war Helias Helye? Wo hatte er seine Werkstatt? Welche Rolle hatten Lumpensammlerinnen? Wie entstand Papier? Wie liefen die Fertigungsprozesse in einer Druckerei ab? Diese und viele weitere Fragen werden bei einem Rundgang durch die drei Kulturhäuser beantwortet. «Die Erfindung des Buchdrucks ist eine von fünf Medienrevolutionen», betont Peter Kamber, einer der Gestalter der Ausstellung. Davor waren die Sprache und die Handschrift entstanden, später folgten die audio-visuellen Kommunikationsträger (Radio, TV) und die Digitalisierung.

Wie der Buchdruck die Gesellschaft verändert hat

Gastreferent an der Vernissage vor einer Hundertschaft Zuhörern im Stiftstheater von Beromünster war der Publizist Ludwig Hasler. In seinem Vortrag erläuterte der gebürtige Beromünsterer die epochale Bedeutung des Buchdrucks. «Davor verlief die Kommunikation von oben nach unten. Staat und Kirche verkündeten ihre Botschaften durch einen Herold, das Volk hörte zu und war hörig.» Durch den Buchdruck und die schnelle Vervielfältigungsmöglichkeit wurden Schriften für alle zugänglich. Das Volk war nicht mehr nur Empfänger, vielmehr verlegte sich die gesellschaftliche Verständigung auf eine horizontale Plattform. «Der Mensch war kein Mündel der Obrigkeit mehr, sondern wurde mündig und sollte den Mut haben, sich des eigenen Verstandes zu bedienen», erzählt Hasler, merkt indes aber vielsagend an, «dass Menschen auch heute noch zur Hörigkeit tendieren, wenn sie immer das Gleiche zu hören bekommen».

Bild: Pius Amrein (Beromünster, 28. August 2020)

Der Weg zur Aufklärung, zu Menschenrechten und zu liberalen Staatsformen sei durch den Buchdruck geebnet worden. «Wer schreibt, beschäftigt sich mit sich selbst. Und wer liest, der erfährt, was ihm noch fehlt. Auf diese Weise bilden wir den Verstand, die Vernunft und klären unser Verhältnis zur Emotionalität», so Hasler. Wer schreibe, sei gezwungen, seine eigene Argumentation zu überprüfen, dies könne einen unheimlich heilsamen Effekt haben. «Das Denken ist am ehesten in der Schrift zu Hause. So werden neue Ideen, zum Beispiel für mehr Recht oder Freiheit, gebildet.»

Leute sollen nicht erschreckt werden

Bemerkenswert ist, dass jede mediale Revolution zunächst auf grosse Skepsis traf. So wird die Redewendung «lügen wie gedruckt» auf das Misstrauen gegenüber dem Wahrheitsgehalt des schriftlich fixierten Wortes im 15. Jahrhundert zurückgeführt. «Um die Leute nicht zu erschrecken, wurden die Neuerungen stets sanft etabliert», erklärt Peter Kamber. Das zeigt sich etwa in frühen Druckerzeugnissen, welche Handschriften ähneln. Oder in der Bezeichnung von Produkten im Zeitalter der Digitalisierung, wo von E-Books, Notebooks oder Facebook die Rede ist, obwohl diese Innovationen keine eigentlichen Bücher mehr sind.

Hinweis: Öffnungszeiten: sonntags (14 bis 16.30 Uhr), vereinzelt samstags und donnerstags. – Finissage: 8. November, 17 Uhr (Stiftskirche).