So könnte das neue Luzerner Theater aussehen: Zwei Vorschläge im Vergleich

Theaterplatz mitten im Gebäude, 9-Meter-Glasfoyer: Für die Erneuerung des 179-jährigen Luzerner Theaters gibt es grosse Visionen.

Hugo Bischof
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Die Stadt Luzern präsentierte vor kurzem die Ergebnisse einer Testplanung zur baulichen Erneuerung des Luzerner Theaters. Fazit: Ein Neubau am heutigen Standort ist möglich, aber auch eine Erweiterung des heutigen Theatergebäudes. Welche Variante die bessere ist, lässt der 70-seitige Bericht offen (Artikel vom 11. September).

Bei der Testplanung ging es nicht um die Erarbeitung von Architekturprojekten, sondern um die Prüfung der generellen Machbarkeit einer neuen Theaterinfrastruktur am bestehenden Ort und das Ausloten verschiedener Lösungsansätze. Drei Teams waren eingeladen, in einem ersten Schritt beide Varianten (Neubau, Umbau mit Erweiterung) zu prüfen. Für die Weiterbearbeitung erhielt in einem zweiten Schritt jedes Team eine bestimmte Aufgabe.

Wir stellen nachfolgend die Vorschläge von zwei der drei Teams etwas näher vor, ausgehend von zwei Seitenschnitten. Die Bosshard & Luchsinger Architekten, Luzern, testeten die Neubau-Variante. Das Team der HHF Architekten (und Thomas Keller, Geschäftsführer Kaserne Basel), prüfte die Erweiterungsvariante. Wir zeigen Ähnlichkeiten und Unterschiede auf:

Grafik: Oliver Marx

Grafik: Oliver Marx

Bühnenanordnungen

HHF Architekten (Erweiterung):

Grafik: Oliver Marx

Grafik: Oliver Marx

In der Standard-Anordnung (Guckkastenbühne) bietet die Bühne 520 Sitzplätze. Bei den anderen Bühnenanordnungen geben die HHF Architekten im Gegensatz zu Bosshard & Luchsinger bei der Auslastung Stehplatzzahlen an.
Bei der Anordnung 2 (flexibel, etwa Globe-Theater) sind es maximal 2750 Stehplätze. Das könnte 680 Sitzplätzen entsprechen, sagen die Verfasser auf Nachfrage.
Bei den Anordnungen 3 und 4 werden Bühne und Zuschauerraum ins heutige Theatergebäude hinein verlängert. Hier wird mit maximal 4460 Stehplätzen gerechnet. Die Stehplatz-Zahlen seien ein «Orientierungswert», sagen die HHF Architekten; sie gelten bei Sonderveranstaltungen (Theaterfest, Grosskonzert). In der Situation «offenes» EG liesse sich die gesamte Fläche auch für Veranstaltungen nutzen, «die nicht auf einer klassischen Theateraufführung basieren – etwa an der Fasnacht oder an ähnlichen Festlichkeiten». Der «alte» Theaterraum im bestehenden Theatergebäude ist als eigenständiger Raum nutzbar.

Bosshard & Luchsinger (Neubau):

Grafik: Oliver Marx

Grafik: Oliver Marx

Die Hauptbühne ist sehr variabel. Sie kann als konventionelle Guckkastenbühne ohne Orchester (736 Sitzplätze) oder mit Orchester (636 Sitzplätze) genutzt werden. Sie kann mit wenig technischem Aufwand, aber auch in andere Bühnenkonfigurationen transformiert werden.
Die Hinterbühne ist der zweite Aufführungsraum. Sie kann mit der Hauptbühne verbunden werden, was weitere Theaterformen in verschieden grossen Räumen mit unterschiedlichen Zuschauerzahlen ermöglicht.
Die Seitenbühnen können bei Bedarf ebenfalls mit einbezogen werden. Die Arenabühne, allseitig, ermöglicht die maximale Zuschauerkapazität (1126 Sitzplätze). Ein dritter, kleinerer Aufführungsraum öffnet sich unter der Hinterbühne zur Jesuitenkirche hin.
Die Aufführungsräume können unabhängig voneinander gleichzeitig bespielt werden.

HHF Architekten (Erweiterung):

Bosshard & Luchsinger (Neubau):

Theater

HHF Architekten (Erweiterung): Auffälligstes Merkmal des Vorschlags der Basler HHF Architekten ist das lang gezogene, von diversen Seiten zugängliche Foyer im Erdgeschoss. Es reicht von der Jesuitenkirche im Westen bis weit ins heutige Theatergebäude hinein. Auf den ersten Blick wirkt dies utopisch, technisch kaum machbar. Die HHF Architekten zeigen aber eine machbare Lösung: Die Theaterränge im Neubau sind in der Höhe verstellbar, dadurch «docken» sie auf der jeweiligen Geschosshöhe des heutigen Theaters an. Im EG ist die Verbindung bis zur Kasse möglich, im 1. OG wird die Vorderwand des bestehenden Theaterraumes durch eine flexible Schiebewand ersetzt. «Der Theaterraum verbindet sich mit dem öffentlichen Raum auf eine eindrückliche Weise», heisst es dazu im Schlussbericht der Testplanung: «Das Architektenteam zeigt, dass der Altbau umstrukturiert werden kann, ohne nur noch bloss Hülle zu sein.» Durch die möglichen Fassadenöffnungen der Seitenbühne im 2. OG und des Trainingsraumes für Tanz im Erdgeschoss entstehe zudem «eine Art Schaufenster zur Reuss hin – so kann von weit her ein lebendiges Bild des Treibens im Theater ausgestellt werden».

Bosshard & Luchsinger (Neubau): Ein prägendes Element des Neubau-Vorschlags der Luzerner Bosshard & Luchsinger Architekten ist das spektakuläre, insgesamt neun Meter hohe Glasfoyer im ersten Obergeschoss an der nordöstlichen Front. Es ermöglicht einen ungehinderten Blick auf die Kapellbrücke und die Altstadt. Der Vorschlag zeige, «dass an diesem Ort ein Neubau denkbar ist, der allen Ansprüchen an das heute übliche Theater gerecht wird», steht im Schlussbericht der Testplanung. «Der neue Theaterbau ist sehr klar organisiert. Im Inneren einer durchgehenden, zumeist durchlässigen Hülle finden alle Nutzungen ihren sinnvollen Platz.» Positiv vermerkt wird auch, dass das Erdgeschoss sehr offen zum Aussenraum ist: Auch die Theaterkantine im Erdgeschoss nehme Bezug zum öffentlichen Raum. «Attraktiv ist das Erdgeschoss, das sich auf alle vier Seiten öffnet.»

Theaterplatz

HHF Architekten (Erweiterung): Der Vorschlag ist bestechend einfach: Der Theaterplatz wird einfach den neu formierten Gebäudekomplex (bestehendes Theater und Erweiterungsbau) integriert; der öffentliche Raum wird sozusagen im Inneren des Theaters weitergeführt. Entsprechend wird der Raum im Erdgeschoss flexibel und transparent gestaltet. «Innen- und Aussenraum, Theater und Stadt, werden miteinander verzahnt und somit der Bedeutung des Luzerner Theaters als einer der Öffentlichkeit dienenden kulturellen Einrichtung Ausdruck verliehen», heisst es dazu im Schlussbericht.

Bosshard & Luchsinger (Neubau): Hier ist die Lösung eine andere: Die Theaterstrasse wird grosszügig ausgeweitet. Dadurch entsteht an der östlichen Stirnfront des Neubaus ein völlig neuer Theaterplatz. Hier ist auch der neue Eingangsbereich. Überdeckt wird dieser durch die grosse Glasfoyer im ersten OG (siehe Abschnitt «Theater»). Im Norden zur Bahnhofstrasse hin gibt es ein öffentliches Restaurant sowie den Zugang zur Rooftop-Bar.

Freiraum

HHF Architekten (Erweiterung): Trotz grosses Bauvolumens lässt das Projekt Freiraumqualitäten erkennen. Schlussbericht: «Vielversprechend wirken insbesondere die Beziehungen zwischen Aussen- und Innenraum, welche durch transparente und flexibel bespielbare Räume im Theater entstehen.» Zudem könne das temporär öffentliche Erdgeschoss «eine relevante Attraktion für die Promenade der Bahnhofstrasse sein».

Bosshard & Luchsinger (Neubau): Die Situierung des Baukörpers zeige eine Möglichkeit auf, «wie der allfällig überbaute Raum des Theaterplatzes kompensiert werden könnte, ohne die Promenade der Bahnhofstrasse zu bedrängen», so der Schlussbericht. Positiv vermerkt wird, dass das vorgesehene Theatercafé an der Nordseite die Idee der an der Bahnhofstrasse geplanten Buvette vorwegnehme. Das Personalrestaurant aktiviere mit seiner Aussenbestuhlung den Hirschengraben, «der bis an den Theaterneubau herangeführt wird».

Erschliessung

HHF Architekten (Erweiterung): Durch die offene Situation des Erdgeschosses entsteht eine attraktive kurze Verbindung für Fussgänger zwischen Rathaussteg und Buobenmatt. Die Anlieferungssituation ist gut gelöst, südlich und östlich des alten Theaters aber etwas beengt. Durch den zurückversetzten Haupteingang an der Nordfassade können «die Konflikte mit der nationalen Veloroute entlang der Bahnhofstrasse etwas entschärft werden» (Schlussbericht).

Bosshard & Luchsinger (Neubau): Durch die Verschiebung des Theaterplatzes und des Haupteingangs Richtung Ostfassade entsteht eine grosszügige Theatervorzone. Auch hier wird die Fussgängerverbindung Buobenmatt-Rathaussteg verbessert. Die Aufweitung der Theaterstrasse sowie die 4,5 Meter hohe Auskragung (Glasfoyer) ermöglicht zudem eine einfachere Erschliessungssituation für grössere Fahrzeuge.

Offene Fragen/Kritik

HHF Architekten (Erweiterung): Kritisch angemerkt wird im Schlussbericht die fehlende Hinterbühne. Zudem müsse man sich fragen, inwiefern sich der technische Aufwand rechtfertigen lässt, «um absolute Flexibilität zu erzielen».

Bosshard & Luchsinger (Neubau): An der Bahnhofstrasse könnte eine etwas beengte Situation für den Fuss- und Veloverkehr entlang des neuen Theaters entstehen. Zudem beurteilt die Denkmalpflege die Länge der Fassade und die Höhenentwicklung des Volumens als «eher kritisch».

Leserbriefe zum Luzerner Theater: