Der Luzerner Polizeisprecher Kurt Graf tritt ab – und plaudert zum Abschied aus dem Nähkästchen

Von der Kripo über die Sondereinheit Luchs bis hin zum Sprachrohr der Luzerner Polizei. Kurt Graf stand fast 40 Jahre im Dienst der Luzerner Polizei. Zuletzt in der Funktion als Chef des Kommunikationsdienstes – Ende Jahr geht er in Pension.

Yasmin Kunz
Drucken
Hat bald wieder mehr Zeit für die Fotografie: Kurt Graf in seinem Büro. (Bild: Philipp Schmidli, Luzern, 4. September 2018)

Hat bald wieder mehr Zeit für die Fotografie: Kurt Graf in seinem Büro. (Bild: Philipp Schmidli, Luzern, 4. September 2018)

Büros sind langweilig. Trotzdem trifft man abtretende Chefs meist dort. Dort, wo sie jahrelang tagein, tagaus ihrer Arbeit nachgegangen sind. So sind wir auch mit Kurt Graf, Chef Kommunikation bei der Luzerner Polizei, in seinem Büro verabredet. Dieses allerdings bildet eine Ausnahme. Man könnte es -etwas zugespitzt formuliert – als Mini-Museum bezeichnen.

An der Wand hängen Schwarz-Weiss-Fotografien von Unfällen und Tötungsdelikten. Fotos, die Graf vor vielen Jahren mit einer Mittelformat-(Rollei) und Kleinbildkamera (Nikon F4), selber gemacht hat. Jedes Bild erzählt eine Geschichte. So etwa jene von der aufgedunsenen Leiche im Sessel oder von einem zerquetschten Auto auf dem Bahngleis. In einer Vitrine hebt Graf zahlreiche Kameras, alte und noch ältere Modelle, auf.

«Der Fälscher war eigentlich froh über die Festnahme. Er wurde von seinen Auftraggebern so unter Druck gesetzt, dass er schon fast an einem Burnout litt.»



Kurt Graf

Über dem runden Tisch hängt ein Bild. Eines, das nur Graf haben kann. Es zeigt US-Dollarnoten. Gefälschte. Vom ersten bis zum letzten Produktionsschritt, der doch sehr gelungenen Kopie von richtigen US-Dollarnoten. Der Fälscher konnte in den neunziger Jahren geschnappt werden. «Er war eigentlich froh über die Festnahme», erinnert sich Graf. «Dieser Mann wurde von seinen Auftraggebern so unter Druck gesetzt, dass er schon fast an einem Burnout litt.»

Kriminaltechnik: «Es dürfen keine Fehler passieren»

Der Krienser Kurt Graf (62) geht Ende Jahr nach einer fast 40-jährige Laufbahn bei der Luzerner Polizei in Pension. Die meisten kennen ihn als Polizeisprecher. Seit 2012 ist er Chef des Kommunikationsdienstes bei der Luzerner Polizei. Nur über diese Zeit zu berichten, wäre allerdings zu kurz gegriffen, denn Graf hatte während seiner Polizeikarriere diverse Funktionen inne.

Nach der Polizeiausbildung in den Jahren 1980/81 hat er auf dem Polizeiposten in Emmen gearbeitet. Nur zwei Jahre später wechselte er zur Kriminalpolizei. «Ich liebäugelte schon bald mit dem kriminaltechnischen Dienst», sagt er. Seine Aufgabe umfasste das Sicherstellen, Lesen und Auswerten von Spuren. Dabei ist äusserste Sorgfalt geboten, denn diese Auswertungen dienen letztlich als Sachbeweise in einem Strafverfahren. «Es dürfen keine Fehler gemacht werden», sagt Graf, Vater von zwei erwachsenen Kindern.

Nicht nur geistig ist der Polizeisprecher fit. Auch körperlich. Jahrelang war er Mitglied der Sondereinheit Luchs. Geistige und körperliche Fitness sind dabei Voraussetzung. Die «Lüchse» werden bei schwierigen Einsätzen hinzugerufen. Als Luchs haben Graf und das Team viele diffizile und gefährliche Situationen erlebt. Die Truppe gab in den schwierigen Momenten Halt. «Die Kameradschaft ist bei den Lüchsen von besonderer Bedeutung. Man muss einander zu 100 Prozent vertrauen können.»

Von den Dutzenden von Einsätzen ist ihm einer in besonderer Erinnerung geblieben. Wer jetzt denkt, es sei der gefährlichste gewesen, der irrt. «Wir hatten die Aufgabe, den König Baudouin von Belgien zu beschützen als er 1989 in der Zentralschweiz weilte. Wir waren quasi den ganzen Tag mit dem Heli unterwegs.»

Apropos fliegen: Kurt Graf begleitete auch Linienflüge der damaligen Swissair. Diese Einheit, Tiger genannt, sorgt für die Sicherheit der Crew und Passagiere und ist verdeckt auf dem Flug dabei. 1996 wurde er Dienstchef der Kriminaltechnik und im Jahr 2000 stellvertretender Chef der Kriminalpolizei.

Polizist ist zum Traumberuf geworden

Luchs, Tiger, Kripo. Da erscheint die jetzige Funktion geradezu langweilig. «Nein», meint Graf, der schon oft mit dieser Annahme konfrontiert wurde. «Mit dem Wechsel zum Mediendienst hat sich mein Horizont bezüglich Polizeiaufgaben erweitert. Heute habe ich Einblick in alle Abteilungen und nicht nur in die Kripo.» Generell schätzt Graf die grosse Palette an Möglichkeiten, die die Polizei biete. «Vom Verkehrspolizisten bis zum Abteilungschef – es stehen einem ganz viele Wege offen.» Und Kurt Graf ist seinen gegangen und Polizist sei zu seinem Traumberuf geworden, wie er sagt.

«Belastbarkeit ist eine wichtige Eigenschaft als Polizist.»


Kurt Graf

Allerdings sei es auch eine belastende Arbeit, da man vielfach mit traurigen Ereignissen konfrontiert sei. Unfälle mit Todesfolge, Suizide, häusliche Gewalt um ein paar Beispiele zu nennen. Graf hat vieles gesehen. «Belastbarkeit ist eine wichtige Eigenschaft als Polizist.» Man müsse die Arbeit im Büro lassen können. Abschalten. Ihm ist das über all die Jahre hinweg gelungen. «Familie, Freunde und Sport haben mir dabei geholfen.» Auch hätten schöne Erlebnisse vieles wieder wettgemacht. So etwa ein Kleinkind, welches dank seiner schnellen Reaktion überlebt hat. Oder die erfolgreiche Verhinderung eines geplanten Raubüberfalls. Zudem sei das Kollegium eine wichtige Stütze in schwierigen Situationen. Das ist auch das, was der Polizeisprecher in seiner Pension vermissen wird. Den täglichen Austausch mit Arbeitskollegen (siehe Kasten).

Zweimal wurde der Polizeisprecher angezeigt

Was Graf fast noch mehr zu schaffen gemacht hat als schwierige Einsätze, waren Strafverfahren, die gegen ihn eingereicht wurden. Zweimal hat er das in seiner Karriere erlebt. Einmal, da wurde er zu einer nächtlichen Auseinandersetzung in einer Wohnung gerufen. Bereits das Treppenhaus war blutverschmiert. Die Türe zum Tatort war jedoch verschlossen. Weil man davon ausgehen musste, dass Verletzte in der Wohnung sind, ging man rein. Das Opfer wurde mit Schnittwunden ins Spital gebracht. Als Dank folgte eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch. «Diese war unbegründet und wurde letztlich eingestellt.»

Gemäss Graf sehen sich Polizisten mit Anzeigen konfrontiert. «Es ist ein Phänomen, welches sich in den letzten Jahren häufiger zeigt – in den meisten Fällen sind die Anzeigen jedoch unbegründet.»

«Plappert man zu viel aus, kann das die Strafuntersuchung beeinflussen und das darf nicht passieren.»

Kurt Graf

Um nochmals auf seine letzte Funktion zurückzukommen: Graf war das Sprachrohr das ganze Korps der Luzerner Polizei, also rund 900 Personen. Diverse Ereignisse hat er kommuniziert. Noch mehr musste er wohl geheim halten: Berufsgeheimnis oder Persönlichkeitsschutz. «Oft steht man im Clinch. Man könnte mehr sagen, darf aber nicht.» Es sei wichtig, sich genau an die Regeln zu halten. «Plappert man zu viel aus, kann das die Strafuntersuchung beeinflussen und das darf nicht passieren.»

Schnell Kontakt zur Basis knüpfen

Im neuen Jahr tritt Christian Bertschi die Nachfolge von Kurt Graf an. Welche Tipps würde er ihm auf den Weg geben? «Schnell Kontakte zu Polizisten knüpfen. Ein gutes Verhältnis zu denen, die an der Front stehen, erleichtert die Arbeit wesentlich.» Das gleiche gelte für Partner wie etwa die Feuerwehr oder für Journalisten.

Damit er auch in seiner Pension geistig fit bleibt, ist gesorgt. Gemeinsame Reisen mit seiner Frau in den Norden sind seine Leidenschaft. Immer mit dabei: Die Kamera. Kein altes Modell von der Vitrine, sondern ein neues. Er, der auch Fotokurse an der Polizeischule geleitet hat, will sein Wissen weiter ausbauen. Statt Tatorte wird Graf nun den Sternenhimmel ablichten.

Das sagen seine Weggefährten über Kurt Graf

Humorvoll - eine Eigenschaft, die alle angefragten Wegbegleiter Kurt Graf zuschreiben. Zudem sei er besonnen, belastbar und schlagfertig. Urs Wigger, Sprecher der Luzerner Polizei und Kurt Graf kennen sich schon weit länger als nur während der Zeit im Kommunikationsdienst. Wigger war ebenfalls bei der Kripo, als Graf stellvertretender Chef war. Sein Weggang sei ein grosser Verlust, so Wigger. «Fachlich und menschlich. Ich werde das hohe Polizeiwissen vermissen wie auch seine Hilfsbereitschaft und seinen Humor.» Kurt habe stets ein offenes Ohr gehabt. Während ihrer gemeinsamen Zeit bei der Luzerner Polizei haben sie schwierige und erfreuliche Momente erlebt: «Einer Mutter zu sagen, dass ihr Sohn sich das Leben genommen hat, prägt einen, schweisst einen zusammen, zumal wir beide auch Väter sind», erklärt er.

Doch auch schöne Momente hätten sie erlebt und erzählt von jenem Schmutzigen Donnerstag während seiner Polizeischule anno 1992 in einer Ausbildungswoche. Am Abend hätten Graf und einige Kollegen, verkleidet und maskiert, alle Auszubildenden überrascht. «Ein riesen Gaudi», erinnert sich Wigger.

Gleich geht es Pius Ludin, heute Chef der Sicherheits- und Verkehrspolizei. Ludin war gemeinsam mit Graf in der Sondereinheit Luchs wie auch bei der Kripo. Er erinnert sich vor allem daran, dass «Kuck» wie ihn alle nennen, stets ein verlässlicher Partner gewesen sei. «Mir wird die fachkompetente und kameradschaftliche Unterstützung sowie sein Humor und Schalk fehlen», sagt Ludin und fügt an: «Auch den Mittagssport mit ihm werde ich vermissen.» Klar ist, die Freundschaften halten auch über das Arbeitsleben hinaus. Ludin: «Kurt ist ein begabter Handwerker und als Frühpensionär braucht er Aufgaben. Ich habe für ihn einige Projekte parat.»

Polizeikommandant Adi Achermann schätzte insbesondere seine ruhige und pragmatische Art. «Diese Eigenschaften sind als Mediensprecher sehr wichtig.»