Beim Spiel Schweiz-Costa Rica fiebert das Luzerner Stadtoriginal Markus Petrig (61) ganz besonders mit. Obwohl er eigentlich gar nichts von Fussball versteht.
Markus Petrig fällt auf. Glatze, futuristische Sonnenbrille, ein Bart, auf den der Teufel neidisch wäre. Der 61-Jährige kommt über die Strasse im Sternmatt-Quartier marschiert, trägt zum weissen Hemd einen dunklen Anzug und Lackschuhe, die aussehen wie eine blaue Bowlingkugel. Ja, Petrig fällt auf: In Luzern, wo er als Stadtoriginal bei der Güüggali Zunft bekannt ist – aber auch in seiner zweiten Heimat: Jedes Jahr verbringt er den Winter in Costa Rica, wo auch seine Frau lebt.
Petrig sitzt in der Gartenwirtschaft der Quartierbeiz, bestellt einen Kaffee. Und lacht. «Fussball, ihr wollt mit mir wirklich über Fussball reden? Mich interessiert doch das gar nicht.»
Anlass des Gesprächs mit dem Luzerner Stadtoriginal ist aber nun einmal das dritte WM-Gruppenspiel der Schweizer Nationalmannschaft. Am Freitag um 20 Uhr trifft sie auf die Ticos, wie die Nationalspieler Costa Ricas genannt werden. Auch wenn Petrig sagt, nichts von Fussball zu verstehen, erhält man einen anderen Eindruck. Zugegeben, er flüchte nicht vor der Weltmeisterschaft, schaue die Spiele, wenn es möglich sei. Heute wird er Costa Rica die Daumen drücken. Weil er es mag, wenn die Kleinen gewinnen. Besonders wünsche er sich aber eine spannende Affiche: «Ich glaube, es wird ein ausgeglichenes Spiel. Die Schweizer, aber auch die Ticos haben eine sehr starke Defensive. Goalie Keylor Navas ist der wichtigste Trumpf.» Sowieso sei er eine der grössten Figuren im Land mit 5 Millionen Einwohnern, das zwischen Panama und Nicaragua liegt. «Er ist bescheiden, sozial engagiert, macht viel für die Jugend.»
Navas’ Eltern führen ein Restaurant in Limon, einem Nachbardorf von Cahuita, wo Petrig und seine Frau ein Tourismus-Resort führen. König Fussball regiert auf der ganzen Welt. An der «reichen Küste» ist das nicht anders: «Meine Frau hat am Telefon erzählt, dass die Stimmung ähnlich ist wie in der Schweiz. Überall gibt es Public Viewings, die Leute sitzen zusammen, feiern und freuen sich.» Costa Rica gilt als die Schweiz Mittelamerikas. Es gebe Landzüge, die gleich aussehen wie in der Schweiz. Zudem funktionieren Rechtsstaat und Demokratie – obwohl das Land keine Armee hat. Unterschiede gibt es aber schon. Wie das Motto der Ticos, «pura vida», volles Leben also: «Das ist nicht nur ein Spruch, die Leute stehen wirklich dahinter» In Costa Rica lebe man nicht, um zu arbeiten. Sondern umgekehrt: «Die Costa-Ricaner sind sehr freundlich, kommunikativ und sie wissen, wie man lebt», sagt Petrig und lächelt. Diese Einstellung gefällt dem Lebenskünstler. In Erinnerung ist er vielen als gut-gelaunter Buschauffeur bei den VBL, heute arbeitet er als Carfahrer für Reiseunternehmen. Freischaffend. So ist er weniger gebunden. Petrig braucht diesen Freiraum, um sich wohl zu fühlen.
Nach Hause zieht es ihn vor allem der Familie wegen, die er den Winter über vermisst. Ist er hier, fehlen ihm seine Frau, die Natur, die Tiere im Garten seines Hotels. Im Winter wird es wieder nach Zentralamerika zurückgehen. Wie oft das noch geschieht, kann Petrig nicht sagen: «Wir wissen nicht, ob wir bis an unser Lebensende in Costa Rica bleiben möchten. Es gibt noch andere interessante Orte wie Neuseeland oder Alaska.» Immer spontan bleiben, das sei sein Motto. Markus Petrig hat für sich herausgefunden, wie man lebt.