Die grosse Wahlumfrage in Luzern: SVP verliert, Grüne gewinnen

In drei Wochen wird in der Schweiz gewählt. Eine Exklusiv-Umfrage unserer Zeitung zeigt: Die grüne Welle rollt weiter – und die Mitte-Parteien können aufatmen.

Robert Knobel
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Wer sich dieser Tage bei bürgerlichen Politikern in Luzern umhört, spürt eine grosse Nervosität. Wird die «grüne Welle» am 20. Oktober auch auf Luzern zurollen? Wird das dominierende Thema dieses Jahres, der Klimawandel, den linken und grünen Parteien zum Sieg verhelfen?

Das Zürcher Meinungsforschungsinstitut Sotomo hat im Auftrag unserer Zeitung über 2000 Stimmberechtigte über ihre Wahlabsichten befragt. Die repräsentative Umfrage bestätigt denn auch, dass die ökologischen Parteien tatsächlich im Aufwind sind. Am stärksten die Grünen: Sie kamen in der Umfrage auf einen Wähleranteil von 11,4 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Nationalratswahlen 2015 erzielten die Grünen in Luzern bloss 7,1 Prozent. Auch die GLP kann deutlich zulegen, während die SP ihren Wähleranteil nur marginal ausbauen kann:

Federn lassen muss gemäss der Sotomo-Umfrage vor allem die SVP. Sie verliert 3,5 Prozentpunkte und kommt noch auf einen Wähleranteil von 25 Prozent. Damit ist sie zwar immer noch die stärkste Luzerner Partei – doch der Vorsprung auf die CVP (22,3 Prozent) schwindet. Die bürgerlichen Mitteparteien verlieren zwar ebenfalls Wähleranteile, allerdings nicht in dramatischem Ausmass. Bemerkenswert: Zählt man die GLP zur politischen Mitte, so kommt diese auf den exakt gleichen Wähleranteil wie vor vier Jahren – Verschiebungen gibt es nur von der SVP zu Links-grün:

Damit steht insbesondere die Luzerner CVP deutlich besser da als in anderen Kantonen. «In Luzern ist die CVP stabil, während beispielsweise im Wallis sehr grosse Verluste drohen», sagt Bruno Wüest vom Institut Sotomo. Auch die FDP kann sich vergleichsweise gut halten. Wüest führt dies unter anderem darauf zurück, dass die Partei noch rechtzeitig erkannt habe, wie wichtig das Thema Umwelt bei den diesjährigen Wahlen wird. Allerdings spielt das Thema bei den FDP-Anhängern selber eine eher untergeordnete Rolle.

Diese Probleme beschäftigen:

Das zeigt die Analyse von Sotomo, welche die Umfrageteilnehmer auch zu den grössten aktuellen Problemen/Herausforderungen befragte. Bei jenen, die sich am ehesten der FDP nahe fühlen, steht der Klimawandel bloss an fünfter Stelle der grössten Herausforderungen. Deutlich wichtiger sind die Beziehungen zur EU und die Reform der Altersvorsorge:

Ganz anders bei den Anhängern der linken und grünen Parteien: Hier ist der Klimawandel das Thema, wie die Umfrage zeigt:

Was bedeutet dies nun für die Frage, welche Kandidaten und Parteien künftig den Kanton Luzern im Nationalrat vertreten werden? Eine Prognose der konkreten Sitzverteilung ist gemäss Bruno Wüest schwierig, da die Umfrage wichtige Nebeneffekte wie Listenverbindungen und Mobilisierungskraft nicht berücksichtigt. Sicher ist einzig, dass eine Partei einen ihrer Sitze verlieren wird, da der Kanton Luzern dieses Jahr aufgrund der Bevölkerungsentwicklung einen Nationalratssitz weniger erhält (9 statt 10). Aktuell lautet die Sitzverteilung wie folgt: 3 SVP, 3 CVP, 2 FDP, 1 SP, 1 Grüne. Bruno Wüest sagt: «Aufgrund der Umfrageresultate können sich die beiden grünen Parteien Hoffnung machen, während SVP und CVP Mühe haben werden, alle ihre Sitze zu halten.»

SVP hat Pech mit ihren Themen

Doch weshalb droht die SVP so stark zu verlieren? «Parteien sind auch abhängig von der Themenkonjunktur», sagt Bruno Wüest. Das bedeutet: Manchmal haben sie Glück mit ihren Themen – weil sie dem aktuellen Zeitgeist entsprechen – und manchmal eben nicht. Tatsächlich sind die traditionellen SVP-Themen Migration und EU im Gegensatz zu 2015 in der öffentlichen Debatte in den Hintergrund getreten. Einzig für die SVP-Anhänger selber stehen sie noch zuoberst auf der Prioritätenliste:

Bei den CVP-Anhängern hingegen erscheint das Thema Ausländer nicht einmal in der Top-6-Liste:

Über alle befragten Wählerinnen und Wähler gesehen, sind der Klimawandel und die Krankenkassenprämien die drängendsten Probleme, wie die Gesamtauswertung zeigt:

Ständerat Damian Müller in der Pole-Position

Die CVP wird gemäss der Umfrage ihren Ständeratssitz halten können. Ihre Kandidatin Andrea Gmür (neu) würde das Rennen machen – allerdings ziemlich knapp vor Franz Grüter (SVP). Unangefochten ist hingegen der bisherige FDP-Ständerat Damian Müller. Er kommt in der Umfrage auf knapp 50 Prozent und kann somit sogar hoffen, bereits im 1. Wahlgang gewählt zu werden:

Beim Ständerat ist von einer grünen Welle nichts zu spüren – die linken Kandidaten bleiben in der Umfrage chancenlos. «Um eine Chance zu haben, müsste ein linker Kandidat bis weit in die Mitte hinein Stimmen holen. Das gelingt am ehesten jemandem, der sich klar linksliberal zur Mitte hin positioniert. Doch bei David Roth und Monique Frey ist dies wohl nicht der Fall», sagt Bruno Wüest. Tatsächlich tendiert die bürgerliche Unterstützung von Roth und Frey gegen Null.

Umgekehrt darf Andrea Gmür (CVP) durchaus mit linken Stimmen rechnen, und Damian Müller ist (FDP) zumindest bei der GLP relativ hoch im Kurs. Bemerkenswert ist, dass die linken Kandidaten selbst im eigenen politischen Lager auf weniger Unterstützung zählen können als die Bürgerlichen: Während die Sympathisanten von FDP, CVP und SVP geschlossen hinter ihren eigenen Kandidaten stehen, würden nur 89 Prozent der SP-Anhänger David Roth wählen. Monique Frey (Grüne) kommt sogar nur auf 80 Prozent Unterstützung bei der eigenen Parteibasis:

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So wurden die Wählerinnen und Wähler befragt

Die Umfrage zu den nationalen Wahlen machte das Meinungsforschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Luzerner Zeitung. Das Institut wird von Politologe Michael Hermann geführt. Zwischen dem 9. und 24. September wurden über unser Webportal www.luzernerzeitung.ch Personen gezielt angesprochen. Allerdings konnten diese selber entscheiden, ob sie mitmachen wollten oder nicht. Deshalb war das Resultat in einem ersten Schritt noch nicht wirklich repräsentativ – so würden bei politischen Umfragen typischerweise mehr Männer als Frauen teilnehmen, schreibt Sotomo in seinem Bericht.

Um ein repräsentatives Bild zu erhalten, wurden die Antworten nach einem speziellen statistischen Verfahren unterschiedlich gewichtet. Das vorliegende Endresultat sei gleich repräsentativ wie bei einer Umfrage mit zufällig ausgewählten Teilnehmern, schreibt Sotomo. Das bedeutet: Der Fehlerbereich liegt bei +/- 2,1 Prozentpunkten. Verwendet wurden die Angaben von insgesamt 2045 Stimmberechtigten.