Nicht nur Fahnen werden am 1. August geschwungen, sondern auch Reden. Folgende Auswahl zeigt zwar nicht das vollständige rhetorische Feuerwerk – dafür aber die Vielfalt der Vorträge.
«Die Frauenkraft und unser Wir-Gefühl dürfen wir weit über die Gemeindegrenze von Sempach heraustragen. Die wichtigen Themen der Gleichstellung, die in unserer Schweiz immer noch Lösungen brauchen, sollen zu einem Entscheid gelangen. Es braucht Frauen, die hinstehen und laut sagen, was sie denken. Und es braucht Männer, die hinstehen, um ein Miteinander zu ermöglichen. Wenn wir Frauen und Männer zusammen stark sind, um die vielen Aufgaben, die wir in der Schweiz noch haben, offen anzusprechen, bin ich überzeugt, dass es sich gelohnt hat, Frauenpower zu zeigen und zu leben. Frauen und Männer sind zusammen produktiv. Setzen wir den Fokus auf unsere Ziele. Ich wünsche Ihnen den Mut hinzustehen, die Kraft, etwas zu bewegen, und Freude an Ihrem Wirken.»
«Ich darf hier in Sicherheit leben. Mit all den Vorzügen, die dieses Land bietet. Ich darf hier sein, wie ich bin, ohne Angst zu haben oder mich unsicher zu fühlen. Ich habe Glück! Kürzlich auf dem Weg von Italien zurück in die Schweiz, beim Überqueren der Grenze, sind mir diese Gefühle und Gedanken wieder bewusst geworden. Ich bin glücklich, eine Schweizerin zu sein. Mir sind aber auch die Menschen in den Sinn gekommen, die nicht so viel Glück haben wie ich. Die sich nicht in Sicherheit fühlen, wenn sie in ihrem Land sind. Die Menschen, die sich nicht frei bewegen können wie wir in der Schweiz. Beim Feiern des heutigen Geburtstages der Schweiz fände ich es schön, wenn Sie vielleicht auch einmal kurz daran denken könnten, dass es Menschen gibt, die nicht unser Glück haben.»
«Wir Schweizerinnen und Schweizer tendieren dazu, in jeder Suppe ein Haar zu suchen. Finden wir dann doch keines, schielen wir argwöhnisch auf den Teller des Nachbarn, um zu prüfen, ob seine Portion vielleicht ein bisschen grösser ausgefallen sei. Wir jammern auch immer wieder auf einem unglaublich hohen Niveau. Dabei wäre es zwingend notwendig, dass wir uns tagtäglich und immer wieder von Neuem all unserer Errungenschaften, unseres Wohlstandes, unserer Freiheit und unserer Unabhängigkeit bewusst werden und dazu Sorge tragen. Das bedeutet nicht, sicherzustellen, dass sich nichts ändert und alles für immer und ewig beim Alten bleibt. Mitnichten. Ob wir wollen oder nicht, die Welt entwickelt sich, bewegt sich, und wir müssen uns den neuen Gegebenheiten anpassen.»
«Traditionen sind kein warmes Nest, wohin wir uns verkriechen können, wenn es draussen in der Welt ein bisschen frostiger zu und her geht. Traditionen sind auch kein Freipass, damit wir das Rad der Zeit zurückdrehen können, weil wir lieber die Augen vor der Zukunft verschliessen, als uns den Herausforderungen der Zeit zu stellen und anzupacken und umzusetzen. Wir können die Zeit nicht anhalten und auch die Entwicklung nicht. Denn nichts ist konstanter als der Wandel. Unsere Aufgabe ist es, unsere traditionellen Werte an unsere Kinder weiterzugeben, nicht die leblose Asche, sondern das Feuer, das diese Werte lebendig erhält. Unsere Jungen sollen mit Stolz auf unsere Generation zurückblicken und sagen können, unsere Väter und Mütter haben uns das richtige Feuer mit auf den Weg gegeben.»
«Das ist eigentlich die grösste Gefahr für die Schweiz: Dass wir vergessen, was die Einzigartigkeit der Schweiz ausmacht – nämlich die direkte Demokratie, also die Volkssouveränität. Die Schweiz ist einzigartig, weil jedem einzelnen Bürger ein tiefes Verantwortungsbewusstsein für das Ganze innewohnt – deshalb haben wir auch ein sehr stark ausgeprägtes Miliz- und Vereinswesen. Die Schweiz ist einzigartig, weil wir uns als unabhängiger Kleinstaat für die bewaffnete Neutralität entschieden haben. Wir mischen uns nicht ein in fremde Händel, sind aber mit allen befreundet. Und die Schweiz ist einzigartig, weil wir Bürgerinnen und Bürger uns von niemandem von aussen vorschreiben lassen, wie wir unser Leben zu gestalten haben. Wir wollen frei sein und selbst über uns bestimmen.»