Kürzlich hat Stefan Metzger die Leitung der neu geschaffenen städtischen Dienstabteilung Digitales übernommen. Der Start war wegen der Coronakrise alles andere als gemütlich.
Es war ein steiler Einstieg für Stefan Metzger (41). Anfang März hatte er bei der Stadt Luzern seinen Arbeitsbeginn als Leiter der neu geschaffenen Dienstabteilung Digitales. Zwei Wochen später verhängte der Bundesrat wegen des Coronavirus die ausserordentliche Lage und die Stadtverwaltung stellte – wie auch viele andere Betriebe – grösstenteils auf Homeoffice um. Über Nacht wurde die neue Dienstabteilung zur wichtigen Anlaufstelle für neue digitale Lösungen, um bestmöglich auf diese Herausforderung zu reagieren. Metzger sagt:
«Grundsätzlich war die Stadt verhältnismässig gut vorbereitet.»
So seien bereits viele Verwaltungsangestellte mit einem Laptop ausgerüstet gewesen, die Telefonie lief via Skype. Weiter hatten Schüler und Lehrpersonen auf Sekundarstufe bereits das Kommunikationsprogramm Teams im Einsatz. «Dadurch konnte der Fernunterricht sehr schnell organisiert werden.» Hier hätten die zentralen Informatikdienste bereits in der Vergangenheit tolle Arbeit geleistet. Allerdings gibt es Abteilungen, deren Mitarbeiter über keinen digitalen Infokanal verfügen – etwa die Stadtgärtnerei oder das Strasseninspektorat. «Wir sind mit Hochdruck daran, das zu ändern», sagt Metzger. Einfach via Whatsapp zu kommunizieren, sei wegen der ungenügenden Datensicherheit zu heikel.
«Die Krise wird ein riesiger Treiber sein für die digitale Transformation», ist Metzger, der zuvor bei der Swisscom als Head of Smart City tätig war, überzeugt. «Wir überspringen dadurch etwa die Entwicklung von zwei bis drei Jahren.» Er fügt an:
«Die Digitalisierung ist nun nicht mehr bloss ein Trendthema, sondern eine absolute Notwendigkeit.»
Gewisse Arbeitsprozesse dürften sich nun dauerhaft verändern. «Viele Leute realisieren nun, dass es nicht zwingend ist, an jeder Sitzung physisch anwesend zu sein und dafür teils lange Anreisewege in Kauf zu nehmen.»
Dass Homeoffice nun flächendeckend fix eingeführt wird, glaubt Metzger hingegen nicht. «Viele Leute schätzen es, für die Arbeit die Wohnung verlassen zu können und die Arbeitskollegen persönlich zu treffen. Aber es wird eine Flexibilisierung geben – etwa, dass man einen Halbtag von Zuhause aus arbeitet oder etwas später ins Büro kommt, um den Verkehr zu den Hauptzeiten zu entlasten.»
Weiter dürfte die Akzeptanz für E-Voting oder digitale Signaturen steigen. «Oftmals ist es noch so, dass gewisse Dokumente von mehreren Personen von Hand unterzeichnet werden müssen, was bei Homeoffice enorm mühsam ist.» Unterlagen würden nun vermehrt virtuell abgelegt, damit mehrere Personen darauf zugreifen können. Auch die Kommunikation der Stadt werde sich verändern. «Wir überlegen uns derzeit, beispielsweise Videobotschaften und Webcasts als ergänzende Kommunikationskanäle zu nutzen.» So wandte sich am vergangenen Freitag Stadtpräsident Beat Züsli (SP) erstmals in einer Videobotschaft an die Bevölkerung. «Zudem zeigen sich Facebook und Twitter als zunehmend wichtig, gerade um auch jüngere Generationen zu erreichen.»
Es gebe aber auch Grenzen der Digitalisierung. «Längere Workshops sind via Skype schwierig. Generell hat ein direkter persönlicher Austausch immer noch eine andere Qualität.» Damit sich das Team in aktuellen Situation nicht aus den Augen verliere, führe die neue Dienstabteilung Digital nun wenigstens gemeinsame Kaffeepausen per Videokonferenzen durch.
Der Aufbau der Dienstabteilung wurde letztes Jahr vom Stadtparlament bewilligt. Sie ist Teil der Digitalstrategie mit dem Ziel, in diesem Bereich als Stadt in der Schweiz wegweisend zu werden. Die Abteilung umfasst derzeit fünf Personen. Sie befindet sich noch im Aufbau, Ende Jahr sollen es sieben sein. Als deren Leiter ist Metzger der Rektorin der Volksschulen oder dem Chef des Tiefbauamts gleichgestellt. «Luzern ist die einzige Schweizer Stadt, in der das Digitale so viel Gewicht hat», sagt er.
Derzeit ist die Abteilung wie erwähnt stark mit der Coronakrise beschäftigt. Mittelfristig hat sie die Aufgabe, eine Smart-City-Strategie zu erarbeiten, die 2021 vorliegen dürfte. Weiter soll sie mit Firmen und Hochschulen zusammenarbeiten, um Digitalisierungsprojekte umzusetzen. «Das Ziel ist, Ressourcen zu schonen, die Lebensqualität zu erhöhen und die Standortattraktivität für Firmen zu steigern», sagt Metzger.
Bereits umgesetzt wurden die öffentlichen digitalen Infostelen mit integrierten Stadtplänen. Metzger nennt als weiteres Beispiel das Projekt eines Pollensensor-Messsystems eines jungen Spin-Offs der Hochschule Luzern. Die Stadt stelle dabei nicht nur ihr Partnernetzwerk und ihre Infrastruktur zur Verfügung, sondern könne auch finanziell unterstützen. Dank der Sensoren erhalten Allergiker in Echtzeit Informationen über Pollenflüge. «Und wir senden damit ein Signal an Unternehmen und Start Ups aus, dass die Stadt innovative Ideen fördert.» Weiter sollen Bewohner einfacher mit der Stadtverwaltung in Kontakt treten könne, etwa mittels Videochats und eines ausgebauten Onlineportals.
Ausserdem hat die Abteilung die Aufgabe, sämtliche Projekte mit Digital-bezug innerhalb der Stadtverwaltung zu koordinieren und Synergien auszuloten. «Wenn die Kommunikationsabteilung beispielsweise Medienkonferenzen mittels Videoübertragung organisieren will, können wir schauen, dass die Technologie auch innerhalb der Stadtverwaltung angewendet wird», erklärt Metzger. Seine Abteilung müsse den Finger dort draufhalten, wo Prozesse dank digitaler Mittel effizienter gestaltet werden können. Damit könnte er auch Widerstände auslösen:
«Menschen haben nicht gerne Veränderungen, das verstehe ich auch. Es bestehen Ängste, dass Stellen verloren gehen.»
Man müsse daher aufzeigen, welche konkreten Auswirkungen die Digitalisierung auf einen Angestellten habe und welche neuen Perspektiven und Chancen diese mit sich bringen können. «Wir müssen das Personal auf diese Reise mitnehmen, sonst wird die Transformation nicht gelingen», so Metzger. Er habe aber bereits oft erlebt, dass nach anfänglicher Skepsis die Leute Freude an den neuen Möglichkeiten gewonnen hätten. Die Coronakrise trage zudem dazu bei, die Akzeptanz für digitale Projekte zu erhöhen.
Speziell an seiner neuen Stelle werde auch sein, dass er politischen Interessen gerecht werden muss, so Metzger weiter. «Die Diskussion um die Smart City wird nicht einfach.» So werde es Gruppen geben, die grosse Skepsis gegenüber dem digitalen Fortschritt an den Tag legen und andere, die die Möglichkeiten ausschöpfen wollen. «Wir müssen einen Mittelweg finden, der auf möglichst breite Unterstützung stösst. Allen werden wir es aber nicht recht machen können.»