EBIKON: 1a Hunkeler – Greencard für das Bruchquartier

Eigentlich wäre das 160-Jahre-Jubiläum des Familienunternehmens 1a Hunkeler jetzt fällig gewesen. Doch dann stellte sich heraus, dass die Firmengeschichte viel weiter zurückreicht. Hunkeler-Zimmerleute arbeiteten schon im 18. Jahrhundert in Luzern.

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Rolf und Irene Hunkeler im Firmenarchiv in Ebikon. (Bild: Nadia Schärli (Ebikon, 5. Dezember 2017))

Rolf und Irene Hunkeler im Firmenarchiv in Ebikon. (Bild: Nadia Schärli (Ebikon, 5. Dezember 2017))

Rainer Rickenbach

Etwas erschrocken sind Irene und Rolf Hunkeler schon, als ihnen der Historiker Jürg Stadelmann eröffnete, die Geschichte ihres Fenster- und Holzbau­betriebes reiche 243 Jahre zurück. «Wir hatten geplant, heuer zu unserem 160- Jahre-Jubiläum eine Broschüre herauszugeben. Nun werden wir noch sieben Jahre warten und 250 Jahre feiern», sagt Irene Hunkeler. Sie gehört zusammen mit ihrem Mann Rolf Hunkeler der Geschäftsleitung des Familienunternehmens 1a Hunkeler an und ist für Marketing sowie Verkauf zuständig.

Die Hunkelers hatten den Gymnasiallehrer Stadelmann beauftragt, die Firmengeschichte aufzuarbeiten. Seine Mitarbeiterin Giulia Schiess stiess im Staatsarchiv auf ein Dokument, aus dem hervorgeht, dass die «gnädigen Herren» der Luzerner Stadtregierung einem Zimmermann namens Johann Jost Hunkeler aus Ettiswil «auf Wohlverhalten hin» das Gastrecht für zwölf Jahre einräumten. Datiert ist die historische Greencard mit dem 14. Januar 1774. Der Stand Luzern stand damals unter der Herrschaft von Patriziern und Berufszünftlern. Niederlassungsbewilligungen in der Stadt waren ein Akt der Gnade. Anspruch darauf hatten auch Zuzüger aus andern Luzerner Ortschaften nicht.

Ich-AG mit wechselnden Mitarbeitern

In diesem Ratsprotokoll findet der Familienname der Holzbau-Familie zum ersten Mal amtliche Erwähnung. Stadelmann schloss nach dieser Entdeckung mit weiteren Dokumenten und alten Firmenakten den Kreis zur heutigen 1a Hunkeler Fenster und Holzbau AG in Ebikon. «Wahrscheinlich ist die Firmengeschichte sogar noch älter, da Jost Hunkeler und seine Vorfahren wohl bereits in Ettiswil einen Zimmereibetrieb führten. Doch dafür fanden sich keine Belege», sagt Stadelmann. Wobei die Bezeichnung Firma für das Gewerbe im 18. und 19. Jahrhundert irreführend ist. Denn in dieser Zeit vergaben Behörden und private Bauherren Aufträge an einzelne Berufsleute. Der Auftragnehmer scharte dann Berufskollegen um sich, bis die Arbeit vollendet war. Danach ging man wieder getrennte Wege. Eine Form der lockeren Zusammenarbeit, wie sie heute mit den neuen Technologien ihr Comeback feiert.

«Wir verkaufen kein einziges Fenster mehr, nur weil wir auf eine ungewöhnlich lange Firmengeschichte zurückblicken können», sagt Irene Hunkeler. «Doch sie erfüllt uns schon mit einem gewissen Stolz.» Sie und ihr Mann leiten die Geschicke des Familienunternehmens in achter Generation. 2019 tritt Sohn Manuel in das Unternehmen ein.

Jost Hunkeler war im 18. Jahrhundert ausserhalb der Stadttore im Bruchquartier tätig. Einer der grossen Aufträge, mit denen die Behörden seine Nachfahren betrauten, führte ins Entlebuch. Ende der 1830er-Jahre bauten sie eine Holzbrücke über die Widigschlucht zwischen Romoos und Doppleschwand. Noch 75 Jahre später schaffte es ein ­Modell dieser Brücke als Beleg aussergewöhnlicher Handwerkskunst an die Landesausstellung in Bern.

1867 zogen die Hunkelers auf den Schlossberg. Stadelmann: «Am alten wie am neuen Standort scheinen sie clever erfasst zu haben, dass die Eisenbahn eine neue Zeit brachte. Denn die Gleise wurden im Bruchquartier über ihr Land gezogen, und ursprünglich sollte der Luzerner Bahnhof neben ihrer Parzelle im Maihofquartier zu stehen kommen.» Auf dem Schlossberg waren die Hunkelers zudem nahe bei den Baustellen der neu entstehenden Hotels und dem damals sumpfigen Weyquartier, wo auf Holzpfählen gebaut wurde. Der Bau mit der prägnanten Rundung gegen die ­Zürichstrasse hin entstand erst in den 1930er-Jahren, nachdem die alte Zimmerei am Schlossberg bis auf die Grundmauern abgebrannt war. Das Gebäude nahm auf dem Reissbrett des Luzerner Architekten Armin Meili Formen an, der unter anderem das alte Kunst- und Kongresshaus und die Kaserne Allmend geplant hatte. Der markante Bau auf dem Schlossberg fiel 2004 der Abrissbirne zum Opfer. Der Meili-Gewerbebau fiel in eine Zeit der Firmengeschichte, in der eine Frau bei Hunkeler das Sagen hatte. Maria Hunkeler-Trucco (1894 bis 1992) stand nach dem frühen Tod ihres Mannes und ihres Schwagers ab den frühen 1930er-Jahren fast vierzig Jahre lang an der Spitze des Holzbaubetriebes. «Meine Grossmutter war sehr klar und sehr bestimmt. Sie wusste, was sie wollte», erinnert sich Rolf Hunkeler.

Durchsetzungsvermögen hatte sie auch nötig. Denn Frauen, die Unternehmen führten, waren damals Ausnahmeerscheinungen und längst nicht von allen Kunden und Gewerblern akzeptiert. Der Zugang zu den wichtigen Netzwerken in der Politik blieb ihr Jahrzehnte vor Einführung des Frauenstimmrechts verwehrt, und auch bei den Verbindungen, die Männer im Militärdienst oder in Zunftgesellschaften knüpften, blieb sie aussen vor. Hunkeler: «Grossmutter machte diesen Nachteil mit grossen ­gesellschaftlichen Anlässen bei sich zu Hause wett. Dort pflegte und knüpfte sie Geschäftskontakte.»

40 Meter hoher Holzturm für die Fotografie-Weltausstellung

Mit Erfolg: In den wirtschaftlich schwierigen 1930er-Jahren und der anschliessenden Kriegszeit gelang es dem weiblichen Familienoberhaupt, mit Militäraufträgen und Projekten im subventionierten Wohnungsbau den Betrieb über Wasser zu halten. Auf den Baustellen machte sich Maria Hunkeler-Trucco einen Namen, weil sie mit extravaganten Autos vorfuhr.

Auch heute spielt mit Irene Hunkeler eine Frau in der Unternehmensführung eine zentrale Rolle. «Sie lässt sich aber nicht mit früher vergleichen. Heute pflegen wir einen partnerschaftlichen Führungsstil», sagt sie. Die Veränderung gehe indes über den Wandel der Frauen-Rolle hinaus, ist der Historiker Stadelmann überzeugt. «Die erste Hälfte des zurückliegenden Jahrhunderts war durch autoritäre Führungsfiguren geprägt. Das galt für die Politik genauso wie für die Wirtschaft und fand auch Niederschlag in der Hunkeler-Firmengeschichte. Heute gilt das als antiquiert. Die Entscheide sind breiter abgestützt», so Stadelmann.

Das spektakulärste Bauwerk aus der Werkstatt von Maria Hunkeler-Trucco war der 40 Meter hohe hölzerne Turm an der Fotografie-Weltausstellung in Luzern im Jahre 1952. In dieser Zeit wirkte der Sohn der Chefin, Jules Hunkeler, bereits in der Firmenführung mit. Im Unterschied zu seiner Mutter standen ihm die Türen zu den Netzwerken offen: Er gehörte 14 Jahre lang für die Liberalen dem Stadtparlament an und amtete 1975 als Fritschivater der Safran-Zunft.