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Hätten die Wähler die SVP-Liste öfter mit dem Namen Brahim Aakti (SP) statt Patrick Schnellmann (CVP) ergänzt, wäre Felix Müri (SVP) wohl gewählt worden. Doch in Emmen geben nach dem überraschenden Wahlausgang noch ganz andere Dinge zu reden.
Wunden lecken am Tag nach der überraschend verpassten Wahl von SVP-Nationalrat Felix Müri in den Emmer Gemeinderat - in einer Mitteilung schreibt die SVP: «Mit Patrick Schnellmann (CVP) und Brahim Aakti (SP) erlebt die Gemeinde Emmen einen Linksrutsch.» Was wohl leicht übertrieben ist, wenn man bedenkt, dass sich Schnellmann politisch am rechten Rand der CVP verortet. Eine zweite Feststellung in der Mitteilung trifft es da schon eher: «Unserer Partei gelang es nicht, die Wähler zu mobilisieren.» Vor allem hätte man sie besser instruieren müssen.
Denn so zeigt beispielsweise ein Blick auf die 350 veränderten SVP-Wahllisten, dass dort auch 250 Mal der Name «Patrick Schnellmann» notiert wurde, aber nur 55 Mal «Brahim Aakti». Klar, SVP-Wähler tendieren weniger dazu, linke Kandidaten aufzuschreiben. Hätten sie es aber im Sinne der Konkordanz getan und stattdessen weniger oft Schnellmann geschrieben, wäre Felix Müri vermutlich gewählt worden. «Ja, wir hätten viel mehr mit Wahlempfehlungen arbeiten müssen», sagt SVP-Fraktionschef Markus Schumacher. Er habe zwar Verständnis dafür, dass SVP-Wähler auch andere Kandidaten wählen würden, etwa weil sie sie kennen - «in diesem Fall jedoch war es kontraproduktiv.» Dann schiebt er nach: «Wir waren einfach zu siegessicher.» Zu sehr sei man davon ausgegangen, dass mit einem politischen Schwergewicht wie Felix Müri nichts anbrennen könne.
Ebenfalls ein paar Stimmen gekostet haben dürfte Felix Müri laut Schumacher seine lange nicht klare Haltung zum allfälligen Doppelmandat Gemeinde- und Nationalrat. Erst kurz vor dem zweiten Wahlgang gab er bekannt, bei einer erfolgreichen Wahl in Emmen als Nationalrat auf Ende der Legislatur 2019 zurückzutreten: «Hätte er dies vor dem ersten Wahlgang gesagt, wäre er wohl schon im ersten Wahlgang mit absolutem Mehr gewählt worden», ist Schumacher überzeugt. Selbstverständlich habe die Partei diesbezüglich mit ihm gesprochen. «Ich habe letztlich Verständnis für sein Vorgehen - an seiner Stelle würde ich genauso handeln.»
Es sei eben schon so, dass die SVP immer dann in die Opposition müsse, wenn es schwierig werde. «Wir akzeptieren das», sagt Schumacher und dreht das Ganze ins Positive: «Nun müssen wir nicht mehr auf unseren Gemeinderat Rücksicht nehmen.» Etwas, was der Partei nicht immer leicht gefallen sei. Vor allem, da Urs Dickerhof ausgerechnet Finanzdirektor war. Was heisst denn nun Opposition: Möglichst alles torpedieren? «Nein», sagt Schumacher. «Aber wir werden genau hinschauen und vermehrt mit Vorstössen Einfluss nehmen.»
Und: Für die nächsten Gesamterneuerungswahlen im Jahr 2020 werde die Partei geeignete Kandidaten aufbauen. Namen will Schumacher keine nennen. Nur soviel: «Wir hatten bereits bei der Nomination für die verlorene Ersatzwahl mehrere Interessenten.» Klar ist bereits jetzt: Mit der Konkordanz müsse der SVP dann niemand mehr kommen. «Die wurde von der CVP mit Füssen getreten.» Dazu muss man wissen: Im Parlament hält die SVP elf Sitze, die FDP zehn, die CVP neun und die Linke zehn (wobei die SP mit sechs und die Grünen mit vier Sitzen je eigene Fraktionen bilden). Die CVP ist damit nicht - wie am Sonntag fälschlicherweise geschrieben - die kleinste Fraktion. Tatsache ist aber: Die CVP ist mit zwei Sitzen eher übervertreten. Laut Schumacher stünde dies, wenn schon, der SVP als grösste Fraktion zu.
Er hält aber gleichzeitig fest, dass «selbstverständlich» jeder das politische Recht habe, Kandidaten zu portieren. «Was nicht heisst, dass wir dies gut finden müssen.» Bei all den Diskussionen darf man gemäss Schumacher eines nicht vergessen: «Diesen Wahlausgang hat niemand erwartet - nicht mal unsere Gegner.»
Das kann man wohl sagen: «Die Wahl von Brahim Aakti ist eine kleine Sensation - wir sind im absoluten Hoch», sagt SP-Fraktionschefin Barbara Fas. Die SP sei im Vorfeld der Wahlen oft auf der Strasse gewesen, habe viel mit den Leuten gesprochen. «Dabei erhielten wir zwar zunehmend ein positives Gefühl, dennoch schienen Müri und Schnellmann in den Köpfen vieler als so gut wie gewählt.» Die Linke konnte laut Fas ihre Wähler besser mobilisieren. «Wir waren präsenter als die SVP.»
Allerdings ist auch Fas klar, dass es statt Müri ebenso gut Aakti hätte treffen können - bloss 57 Stimmen trennten die beiden. «Letztlich hat die CVP die Suppe versalzen», sagt sie. Gewiss sei es legitim, zu einer Ersatzwahl anzutreten. «Trotzdem fänden wir es im Sinne der Ausgewogenheit besser, wenn die SVP als wählerstärkste Partei ebenfalls in der Exekutive vertreten wäre.»
Kein Verständnis für die Konkordanz-Keule von rechts und links hat CVP-Fraktionschef Christian Blunschi: «Letztlich entscheidet die Bevölkerung, wen sie im Gemeinderat haben möchte, und sie wollte Patrick Schnellmann - er erzielte notabene das beste Resultat.» Die SVP sei aus wahltaktischen Gründen zu sehr auf «Kuschelkurs» mit den Linken gegangen. «Diese Strategie ist nicht aufgegangen.» Abgesehen davon: Im Parlament seien alle Parteien vertreten und könnten Einfluss nehmen. Blunschi: «Aber natürlich ist es sehr wichtig, dass die Anliegen von rechtsbürgerlicher Seite auch künftig im Gemeinderat aufgenommen werden.»
Die Wahl in den Emmer Gemeinderat hat Felix Müri zwar knapp verpasst, doch der 60-Jährige bleibt dem Politbetrieb erhalten – in Bern. «Ich werde 2019 bestimmt zur Wiederwahl als Nationalrat antreten», sagte er am Sonntag kurz nach Bekanntgabe des Resultats. Müri gehört dem Bundesparlament seit 2003 an. Wird er nächstes Jahr wiedergewählt, wäre es bereits seine fünfte Legislatur. Das Wort «Sesselkleber» hat Angela Lüthold, Präsidentin der SVP Kanton Luzern, jedoch überhört: «Bei uns gibt es im Gegensatz zu anderen Parteien keine Amtszeitbeschränkung und wenn Felix Müri nochmals antreten möchte, dann soll er das. Gerne.» Sie glaubt auch nicht, dass ihm nun das Verlierer-Image anhaftet. «Felix Müri wurde immer mit sehr guten Resultaten wiedergewählt und er leistet im Nationalrat sehr gute Arbeit.»
Dass Felix Müri 2019 nochmals antritt, ist für die SVP aber noch aus einem anderen Grund wichtig: Der Kanton Luzern wird einen seiner zehn Nationalratssitze abgeben müssen (wir berichteten). Grund: Die Sitzverteilung unter den Kantonen wurde aufgrund der ständigen Wohnbevölkerung neu berechnet. Darum: Wer mit langjährigen und bekannten Nationalräten zur Wiederwahl antritt, hat bessere Chancen, seine Sitze zu verteidigen. Wäre Müri in Emmen gewählt worden, hätte sich die Ausgangslage für die SVP verändert. Trotzdem hätte Angela Lüthold Müri die Wahl in den Emmer Gemeinderat gegönnt: «Natürlich, dadurch hätten wir den Sitz in der Exekutive verteidigen können.»
Lüthold geht – Stand jetzt – auch davon aus, dass die Nationalräte Yvette Estermann und Franz Grüter 2019 ebenfalls zur Wiederwahl antreten werden: «Prioritär sind wir jetzt an den Kantonsratswahlen und das Prozedere für die Nationalratswahlen folgt später.»