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Luzern
Der Wiener Robert Danhel arbeitet bei der grössten Attraktion der Luzerner Määs: Dem 80 Meter hohen «Spintower». Sein Job: Die Leute mit flotten Sprüchen unterhalten – und ihren Nervenkitzel auf die Spitze zu treiben.
Robert Danhels Stimme ist an der Määs nicht zu überhören, sein Arbeitsplatz nicht zu übersehen. Hoch oben über den Köpfen der Besucher sitzt er beim «Spintower» in einem kleinen Kabäuschen. Mit dem Schaltpult vor ihm bedient er den 80 Meter hohen Turm, von dem sich Wagemutige in die Tiefe stürzen lassen. Über ein Mikrophon und einer grossen Musikanlage spricht er zu den Herbstmessebesuchern, dazwischen dröhnt ein Mix aus Schlager und Techno aus den Boxen. Danhels Stimme hallt laut durch die Luzerner Määs. «Rabimmel, Rabammel, Rabumm, jetzt hängts dort oben in der Höhe rum», sagt er zu den Fahrgästen, die zuoberst auf ihren freien Fall warten, bevor es mit 100 Stundenkilometern in die Tiefe geht.
Danhels, 46 Jahre alt, geboren in Wien, ist ein sogenannter Rekommandeur. Seine Aufgabe ist es – neben dem Bedienen und Warten der Anlage – die Leute zu ihr zu locken. «Ein guter Rekommandeur beobachtet sein Umfeld genau, er weiss, welche Altersgruppe und welches Publikum gerade an der Määs ist und passt die Sprüche und die Musik an.» Ist ein potenzieller Fahrgast hin und hergerissen, ob er auf die Anlage soll, könne ein guter Rekommandeur seine Entscheidung mit dem richtigen Spruch beeinflussen.
Seit über 20 Jahren arbeitet der Österreicher in der Schaustellerei. Begonnen hat alles am legendären Wiener Prater, der eine Mischung aus Freizeitpark und «Chilbi» ist. Seine Liebe für Kirmesbahnen entdeckte Danhel schon früh. Als Bub habe er gerne aus Legos Karussells nachgebaut, die sich gar drehen liessen. Nach einem Elektrotechnik-Studium erfüllte er sich aber zuerst einen anderen Bubentraum: Er wurde Feuerwehrmann bei der Wiener Berufsfeuerwehr. Wann immer er frei hatte, half er allerdings beim Vater eines Schulkollegen aus, der am Prater Schausteller war. 16 Jahre ging das so, dann verliess Danhel die Feuerwehr. «Irgendwann konnte ich die vielen Toten und das Leid nicht mehr sehen.»
Danhel ist Angestellter der österreichischen Firma Funtime. Seit drei Jahren ist er unter anderem für den «Spintower» zuständig, den der Schweizer Schausteller Hanspeter Maier erwarb. Danhel reist mit dem «Spintower» und anderen Fahrgeschäften durch Europa. Bevor er nach Luzern kam, war er am Münchner Oktoberfest. Im Dezember wird er an einem Weihnachtsmarkt in England sein, bevor er zum Stammplatz am Prater zurückkehrt.
In Luzern ist Danhel gerne. «Hier zu arbeiten ist das Paradies. Von der Kabine sehe ich direkt auf den See. Und im Gegensatz zu anderen Orten können an der Määs die meisten noch aufrecht gehen.» Weniger Betrunkene bedeutet für den Rekommandeur weniger Stress. «Ich bin für die Sicherheit der Fahrgäste zuständig. Betrunkene machen mir das Leben schwer.» Doch nicht nur Betrunkene kommen auf dumme Ideen. Einmal wollte ein Vater mit einem einjährigen Säugling auf eine Anlage für Erwachsene. Danhel liess ihn mit dem Kind einsteigen, schloss die Bügel und rief die Polizei und das Jugendamt.
Für Sicherheit sorgt der technische Leiter auch bei der Anlage selbst. Jeden Morgen überprüft er den Tower. «Er gehört zu den sichersten Geschäften überhaupt. Wenn Albert Einstein nicht ein kompletter Vollidiot war, wird die Fahrerkabine des ‹Spintowers› nie ungebremst auf dem Boden aufschlagen.» Denn als Bremse dienen starke und grosse Magneten, die ganz ohne Strom durch reine Physik die Kabine bremsen.
Hat Danhel die Anlage überprüft, sitzt er von 10 Uhr morgens bis 22 Uhr Abends, an Wochenende bis 23 Uhr, in seiner Rekommandeur-Kabine. Wer ihm bei der Arbeit eine Weile zuschaut und zuhört, der erkennt in Danhels Sprüchen einen spitzfindigen Humor. Ab und zu macht er den Fahrgästen ein bisschen Angst: «Der Technik könnt ihr blind vertrauen», lässt er die Besucher wissen, die auf dem Turm auf den Fall warten. «Seht ihr die schönen Schiffe auf Vierwaldstättersee? Die sind riesig und schwimmen dank der Technik trotzdem auf dem Wasser. Nur manchmal saufen sie ab. Wie die Titanic.» Manchmal nimmt er den Fahrgästen aber auch die Angst. «Erkenne ich bei jemanden nach dem Einsteigen Panik im Gesicht, dann rede ich ihm gut zu.» Hilft das nicht, kann Danhel einen Notschalter betätigen, der den Tower langsam runterfahren lässt.
Was Danhel nie macht, ist, Leute bloss zu stellen. Ab und zu komme es zum Beispiel vor, dass jemand zu korpulent ist, damit der Sicherheitsbügel geschlossen werden kann. Dann muss die Person vor den Augen der anderen aussteigen. Danhel versuche dann, die etwas peinliche Situation mit einem guten Spruch zu entschärfen. «Ach, du versäumst eh nichts, die anderen müssen leiden und du kannst unten zuschauen und das geniessen», sage er. In einer Woche zieht der Wiener weiter an die Basler Herbstmesse. Auch dort wird es für die Fahrgäste heissen: «Jetzt lassen wir es knallen beim falleeen!»