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Luzern
Ein deutscher Lastwagenfahrer wird zu 62 Monaten Haft verurteilt. Die Verteidigung fordert einen Freispruch in allen Punkten.
So verschieden wie die Anträge waren auch die Aussagen an der Verhandlung vor dem Luzerner Kriminalgericht. Doch auch der Aufmarsch gleich mehrerer Familienmitglieder des Beklagten vermochte das Bild «eines liebenden Vaters» nicht zu zementieren. Die Vorwürfe gegen den deutschen Lastwagenfahrer und die Beweislast sind zu erdrückend. Bereits im mündlichen Urteil liess das Gericht keinen Zweifel daran, dass der heute 48-Jährige seine damals 13-jährige Stieftochter über Jahre sexuell missbraucht hat. Im nun vorliegenden 93-seitigen begründeten Urteil wird der Mann vom Luzerner Kriminalgericht zu 62 Monaten Haft unter anderem wegen Vergewaltigung verurteilt, zudem wurde eine Psychotherapie angeordnet und ein Landesverweis von 10 Jahren ausgesprochen. Die Verfahrenskosten von bisher über 80000 Franken muss der Verurteilte tragen.
Gegen dieses Urteil wurde seitens der Verteidigung Berufung eingelegt. Die Verteidigung fordert einen Freispruch in allen Punkten und will für ihren Mandanten eine Genugtuung von 200 Franken pro Tag, plus eine angemessene Entschädigung für den während seiner Haft erlittenen Erwerbsausfall. Die Kosten sollen zu Lasten des Staates gehen.
Vor Gericht sagte die Tochter aus, nicht der Stiefvater, sondern ihre damals beste Freundin hätte sie sexuell missbraucht. Zwischen ihr und dem Beschuldigten sei nichts geschehen, so die Stieftochter. Doch in vorherigen Aussagen gab sie an, dass der Beschuldigte im Zeitraum vom Sommer 2015 bis November 2017 mehrmals versucht habe, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben. Insgesamt wurde die Stieftochter viermal befragt.
Das Gericht beurteilt die Aussagen der Stieftochter vom November 2017 und April 2018 als glaubhaft an. Dass sie an der Hauptverhandlung vom Oktober 2019 ihre Aussagen änderte, sei auf Druck der Familie geschehen, sie habe sich in einem Loyalitätskonflikt befunden. Denn die Stieftochter wurde zwar von der Kesb fremdplatziert, hielt sich aber trotzdem mehrere Wochen bei der Mutter auf und widerruf nach diesem Aufenthalt ihre vorherigen Aussagen. Das Verhältnis von Mutter und Tochter wurde als «symbiotisch und von Loyalitätskonflikten geprägt» und als besonders verletzlich beschrieben. Gegen die Mutter wurde aufgrund der Ermittlungsergebnisse ein Strafverfahren wegen Verdachts der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht eröffnet, insbesondere seit der Kenntnis der Missbrauchsvorwürfe im Jahr 2015. Das Verfahren gegen die Mutter ist noch hängig.
Der Mann hatte auch mit der damaligen besten Freundin sexuellen Kontakt, was zwischen den beiden Mädchen zu einer Konkurrenzsituation führte. Die Stieftochter sah die Aufmerksamkeit und Gunst durch den Stiefvater gefährdet, hält das Gericht fest. Die beste Freundin indes glaubte, dass sie der Mann später einmal heiraten werde. Der Angeklagte behauptet, mit keinem der Mädchen intim gewesen zu sein. Doch auch die Aussagen der besten Freundin würdigt das Gericht als schlüssig und nachvollziehbar. Ein Falschbelastungsmotiv sieht das Gericht nicht. Gemäss Gericht vergriff sich der Beschuldigte im Zeitraum vom Juli 2013 bis November 2017 insgesamt 26 Mal an der Stieftochter. Er habe wissentlich und willentlich gehandelt und sich deshalb der sexuellen Handlung mit einem Kind und der Vergewaltigung strafbar gemacht. Da er die Stieftochter mit einer Geschlechtskrankheit ansteckte, schädigte er ihre Gesundheit und erfüllte den Straftatbestand der einfachen Körperverletzung. Der Mann sitzt seit November 2017 in Sicherheitshaft. Das Urteil wird vom Verteidiger ans Kantonsgericht weitergezogen.