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An der Fasnacht herrscht Narrenfreiheit. Eigentlich. Denn auch wenn die Grenzen des guten Geschmacks für einmal unterschritten werden dürfen, gibt es ungeschriebene und geschriebene Gesetze.
Urs-Ueli Schorno
ursueli.schorno@luzernerzeitung.ch
Der deutsche Komiker Guido Cantz tritt in der SRF-Sendung «Happy Day» bei Moderator Röbi Koller als vermeintlicher Vater der Tessinerin Francesca auf. Er tut dies mit schwarz angemaltem Gesicht, wohl um das Absurde am geplanten Streich gegen den Fernsehmoderator hervorzuheben. Was folgt, ist aber eine öffentliche Debatte zum sogenannten Black-Facing; also wenn Menschen weisser Hautfarbe sich schwarz schminken, um eine dunkelhäutige Person zu mimen. Diese Debatte wirft die Grundsatzfrage auf: Dürfen sich Fasnächtler heute noch als Buschmänner, Juden, Dschihadisten oder als Indianermädchen verkleiden?
«Wäre die Idee mit der umstrittenen Sendung als Nummer angemeldet worden, hätten wir wohl mit der Fasnachtsgruppe Kontakt aufgenommen», sagt Daniel Abächerli, Chef der beiden Umzüge am Schmutzigen Donnerstag und am Güdismontag. «Wir haben ja gesehen, was eine solche Nummer auslösen kann.» Generell sieht er dann Handlungsbedarf, wenn ein Sujet mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten droht. «Rassistische und kriegstreiberische Inhalte wollen wir nicht an der Fasnacht.» Bei der Auswahl der Wagen für den Umzug sei er jedoch mit der komfortablen Situation konfrontiert, es mit mehr Anmeldungen als Startnummern zu tun zu haben. Ein zweifelhaftes Motto fällt so rasch aus den Traktanden. «In den dreieinhalb Jahren, in denen ich für die Umzüge mitverantwortlich bin, mussten wir noch nie Wagen wegen anstössiger Themen abweisen.»
Abächerli findet, in der Tendenz seien die Luzerner Wagenbauer sogar ein bisschen zu brav. «Ich wünschte mir durchaus mehr bissige politische Sujets.» Dass aktuelle Themenbezüge am Umzug teilweise etwas zu kurz kommen, liege wohl auch am Anspruch der Wagenbauer, die perfekte Nummer abzuliefern. «Die Bauarbeiten beginnen jeweils schon im Sommer, da ist weniger Platz für spontane Aktualitätsbezüge.
Unbestritten ist, dass an der Fasnacht seit jeher die Grenzen des guten und des schlechten Geschmacks ausgelotet werden, ja ausgelotet werden sollen. Ausserhalb des Umzuges, an der «wilden Fasnacht», sind die Einflussmöglichkeiten der Organisatoren eingeschränkt. Patrick Hauser, Präsident des Lozärner Fasnachtskomitees, will den Verkleidungslustigen aber nicht vorschreiben, was man an der Fasnacht darf und was nicht: «Wir führen keine schwarze Liste», sagt er ganz generell dazu. «Es ist das Ziel der Fasnacht, eine gewisse Leichtigkeit und Lustigkeit auch bei heiklen Themen zu erreichen.» Da vertrage es oft auch eine Portion Sarkasmus. Wichtig sei aber, wie man an das Thema herangehe.
Vergangenes Jahr habe etwa einmal mehr die Maskenliebhaber-Gesellschaft mit ihrem Kasperlitheater gezeigt, dass politische Unkorrektheiten auch stilvoll umgesetzt werden können. Mit «Im Zauberer Borgula sis Strasse-Zauberwäldli» sei seiner Ansicht nach die städtische und kantonale Politik gekonnt durch den Kakao gezogen worden.
Es ist also ein schmaler Grat zwischen Originalität und Geschmacklosigkeit. Auch wenn Hauser den Fasnächtlern nicht vorneweg ein Sujet ausreden will, gibt es für ihn aber Grenzen, die gesetzlich zwar nicht gezogen sind, die Themen aber dennoch nicht für die Fasnacht taugen. «Ich sehe etwa nicht, wie man das Thema Terrorismus lustig umsetzen will.» Einen Ombudsmann gibt es an der Luzerner Fasnacht nicht. Bei Daniel Abächerli sind in den vergangenen Jahren kaum Beschwerden wegen anstössiger Inhalte eingegangen. «Es gab einen Fall, bei dem sich ein älterer Herr wegen der Darstellung älterer Menschen stark aufgeregt hat.» In einem anderen Fall betrieb vor zwei Jahren das überparteiliche Komitee «Herdschwand erhalten zum Nutzen aller» aus Emmen am Luzerner Fritschi-Umzug aktiven Abstimmungskampf. Das politische Komitee rechtfertigte seinen Auftritt danach als Parodie, während das Fasnachtskomitee klarstellte, dass an den Umzügen keine politische Werbung erlaubt ist.
Wo das viel zitierte «Recht auf Fasnacht» unter der Fahne der Meinungsfreiheit seine gesetzlichen Grenzen hat, zeigt ein Bundesgerichtsurteil von 1997. In der Fasnachtszeitung einer Basler Gemeinde erschien ein Schnitzelbankvers, der Bezug nahm auf die Rückzahlungen von Schweizer Banken an Holocaust-Opfer. Dabei ist laut Gericht angedeutet worden, dass jeder Jude nun gemäss Klischee ein Anrecht auf das «Nazigold» erhebe. Die Schnitzelbänkler wurden zu einer Geldbusse verurteilt.
Offen ist der Ausgang im Fall der ehemaligen Zuger Grünen-Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin gegen die Fasnachtszeitung «Feuerhorn» der Styger Feuerwehr. Jolanda Spiess-Hegglin hatte Anzeige wegen Ehrverletzung erstattet. Unter anderem war sie – in gezeichneter Form – nackt und in Windeln dargestellt worden.