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Der Donnerknall erfolgte im Hinterland wie immer um sechs. Aber sonst war an der Tagwache in Willisau einiges anders als in anderen Jahren.
Es ist dunkel, es ist kühl, es ist früh. Aber es ist auch Fasnacht. Um 5.15 Uhr ist in Willisau noch keine Menschenseele auf der Gasse. Wo sind die rüüdigen Hinterländer? Haben die Willisauer nach ihrer Städtlifasnacht vom Sonntag etwa schon genug?
Das kann nicht sein. Zunftmeister Stephan Kneubühler von der Karnöffelzunft hat doch am Mittwoch etwas von einer Wagenburg erzählt, die beim Obertor aufgebaut wird. Hingehen! Und schau an, tatsächlich stehen dort einige Wagen: Ein gelbes «Prostauto», ein zu einer Bar umgebauter VW-Bus und andere fahrbare Lokale. Aber Fasnächtler? Fehlanzeige.
Moment, der Zunftmeister sagte doch noch etwas von einer Street-Art-Bar beim Rössligässli. Sofort begeben wir uns dorthin. Et voilà, da sitzt die Bande. Beziehungsweise Stephan mit Gemahlin Madeleine – und den Enzilochmanne! Was machen die denn hier, sollten sie nicht vom Napf her via Obertor ins Städtli einfallen? «Nein, wir stärken uns mit einem Zmorge und kommen dann mit Tannengrotzli und Getöse vom Untertor herein», erklärt Oberenzilochma Marco, der eigentlich ein Zürcher ist, aber allen angibt, er sei von Luthern.
So weit, so gut. Punkt sechs Uhr chlöpft's dann auch in Willisau. 14 Enzilochmanne fegen durchs Untertor hindurch zum Kirchplatz hoch. Und eben dort, beim Obertor, wo die Wagenburg aufgestellt ist, treten auch die Guuggenmusigen auf. Sie haben auf der Treppe vor der Kirche eine prima Plattform. Hier kommen sie viel besser zur Geltung, als in anderen Jahren, wo sie mitten im Städtli spielten. Um gut dazustehen, braucht's ja nicht unbedingt eine Rathaustreppe – wend weisch, weni meine.
Die Einheimischen Letsfetz schränzen als erste Formation, kommt gut. Publikum hat's übrigens plötzlich auch. Schöne und gfürchige Gestalten haben den Weg gefunden. Seline und Daniela gehören zu ersteren. Sie kommen als Puppen daher, genauer als Marionetten. «Wir hatten in unseren Ferien in Australien die Idee, so anzutanzen», erklärt Daniela, die nicht mehr genau weiss, warum sie auf dieses Sujet gekommen sind.
Ein glattes Duo bilden auch Till, der mit einer Matratze unterwegs ist, und sein Kumpel Martin, der wie Norman Bates Mama aus «Psycho» ausschaut. «Es war uns heute nicht ums Schaffen, darum haben wir uns zur Tagwache aufgemacht», sagt Till. Die Matratze habe er dabei, weil er an der Wigger wohne. Falls er nicht mehr gut zu Fuss sein sollte im Laufe des Tages, könne er auf dem Wasserweg nach Hause, blagiert er.
Ans Heimgehen denkt zu der Zeit aber noch niemand. Der Isbär der Ringligüüsser Willisau und Lea aus Zell schon gar nicht. Die zwei schauen sich vor der Kirchentreppe tief in die Augen, dabei kennen sie sich gar nicht so richtig. «Doch, wir haben uns am Mittwochabend in Luthern an der Föifliberparty gesehen, die Blicke gekreuzt und jetzt haben wir Freude», sagt Lea, die bei den Fröschlochruuggern spielt. Isbär grinst schelmisch – oder verliebt, wer weiss.
Es zeigt sich: Fasnacht verbindet. Ob wir ihnen nächstes Jahr zur selben Zeit am selben Ort wieder begegnen werden? Lassen wir die Fragerei – und der Liebe... ääh Fasnacht freien Lauf...