FINANZEN: «Das ist ein Turnaround»

Die Rechnung 2015 der Stadt Luzern schliesst um Millionen besser ab als erwartet. Finanzdirektor Stefan Roth (CVP) will trotzdem weiter sparen.

Interview Robert Knobel
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Stefan Roth will trotz guten Zahlen sparen. (Bild: Roger Gruetter / Neue LZ)

Stefan Roth will trotz guten Zahlen sparen. (Bild: Roger Gruetter / Neue LZ)

Stefan Roth, für 2015 budgetierten Sie einen kleinen Überschuss – nun sind es 19 Millionen. Können Sie sich erinnern, dass die Stadt jemals so gut abgeschlossen hat?

Stefan Roth: In den letzten Jahren jedenfalls nicht. 1999 schrieb die Stadt aber ein Plus von 27 Millionen Franken – anstelle eines Defizits von 4,5 Millionen.

Offenbar steht es um die Stadt­finanzen gar nicht so dramatisch, wie Sie immer behaupten. Finanz­direktoren budgetieren ja gerne pessimistisch, um danach gute Nachrichten verkünden zu können. War dies also auch Taktik?

Roth: Wir versuchen immer so realistisch wie möglich zu budgetieren. Man muss auch sehen: Die Rechnung 2015 entspricht einer Abweichung von 3 Prozent. Das ist immer noch eine hohe Genauigkeit.

Wie kam der positive Abschluss zu Stande?

Roth: Es sind im Wesentlichen vier unerwartete Faktoren, die dazu geführt ­haben: So haben wir deutlich mehr Grundstück- und Erbschaftssteuern eingenommen als erwartet. Auch bei den Gebühreneinnahmen liegen wir über Budget, insbesondere bei Gebühren im Bereich Stadtraum/Veranstaltungen, Baubewilligungen und beim Betreibungsamt. Weiter hat die Stadtverwaltung sehr sparsam gearbeitet – viele Dienstabteilungen haben ihre Budgets nicht ausgeschöpft. Und schliesslich resultiert aus der Auslagerung der Viva Luzern AG, unter Berücksichtigung der erstmaligen Bewertung der Beteiligung, ein Buchgewinn.

Gleichzeitig hat der Stadtrat ein 14-Millionen-Sparpaket geschnürt, das hoch umstritten ist. Sind diese Sparmassnahmen überhaupt noch gerechtfertigt?

Roth: Ja, auf jeden Fall. Die genannten Faktoren, die zum positiven Ergebnis 2015 geführt haben, sind mehrheitlich einmalige Effekte. Das Sparpaket zielt hingegen darauf, den städtischen Haushalt nachhaltig zu entlasten.

Dennoch: Die Stadt präsentiert nun zum zweiten Mal eine positive Rechnung – 2015 sogar extrem positiv. Das muss sich doch auch auf die kommenden Jahre positiv auswirken.

Roth: Tatsächlich ist das jetzige Ergebnis ein eigentlicher Turnaround. Die städtische Finanzlage war seit 2010 sehr angespannt. Wir haben harte Massnahmen ergriffen: Steuererhöhung, Sparpakete, Abbau von Eigenkapital. Jetzt zeigt sich, dass es gelungen ist, das strukturelle Defizit zu verringern. Das wird sich auch auf die kommenden Jahre positiv auswirken. Wir gehen davon aus, dass dank der Rechnung 2015 auch das Budget 2016 um rund 2 Millionen Franken entlastet wird.

2 Millionen für 2016 – das ist etwa so viel, wie die hoch umstrittenen Sparmassnahmen in der Volksschule einbringen sollen. Nun könnten Sie doch problemlos darauf verzichten.

Roth: Nein, das wäre zu kurzsichtig. Das Sparpaket «Haushalt im Gleichgewicht» ist nicht nur auf 2016 fokussiert, sondern soll vor allem für die Folgejahre nachhaltig wirken. Zudem hat auch das Parlament dem Stadtrat den Auftrag erteilt, mittelfristig ausgeglichene Rechnungen zu erzielen und sich nicht neu zu verschulden. Deshalb sind die Sparmassnahmen weiterhin notwendig. Aber das jüngste Ergebnis verschafft uns wieder mehr Handlungsspielraum – etwa für geplante Investitionen in Schulhäuser und den geplanten Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung im Schulalter.

Der Stadtrat hat kürzlich die Steuerprognosen nach unten korrigiert. Drängt sich nun eine Anpassung auf?

Roth: Dazu gibt es im Moment keinen Anlass. Wir haben zwar mehr Erbschafts- und Grundstücksteuern eingenommen. Aber bei den ordentlichen Steuern liegen wir auf Budgetkurs. Eine Prognose für die kommenden Jahre zu machen, ist anspruchsvoll, wenn man die aktuelle wirtschaftliche Situation anschaut. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind die kantonalen Sparpakete. Wir wissen nicht, ob da noch zusätzliche Belastungen auf die Gemeinden zukommen werden. Ich bin aber optimistisch, dass wir den Turnaround geschafft haben.

Wofür verwenden Sie nun den Überschuss von 19 Millionen Franken?

Roth: Der Überschuss dient dazu, Schulden abzubauen und das Eigenkapital zu stärken. So können wir vermehrt investieren, ohne uns neu zu verschulden.

Interview Robert Knobel

SP stellt Fragen zum Controlling

Reaktionen rk. Abgezeichnet hat es sich bereits im Herbst: Damals erklärte Finanzdirektor und Stadtpräsident Stefan Roth (CVP), die laufende Rechnung 2015 sei um rund 8,5 Millionen Franken besser unterwegs als erwartet. Budgetiert war für 2015 ein kleines Plus von 800 000 Franken. Die definitive Rechnung 2015 liess jedoch auf sich warten. Die linken Parteien witterten darin Abstimmungstaktik – am 28. Februar wird über das Budget 2016 mit den umstrittenen Sparmassnahmen abgestimmt. Der Vorwurf an den Stadtrat lautete deshalb, er halte den hervorragenden Abschluss 2015 absichtlich unter dem Deckel, weil er sonst das 14-Millionen-Sparpaket nicht mehr rechtfertigen könnte.

Linke: Sparpaket erübrigt sich

Jetzt, knapp eine Woche vor der Abstimmung, präsentiert der Stadtrat die Rechnung 2015 doch noch – allerdings ist diese noch provisorisch. «Es ist gut, dass der Stadtrat die Katze jetzt aus dem Sack lässt», sagt Grünen-Präsident Marco Müller. Für ihn ist klar, dass es jetzt erst recht keinen Grund mehr gibt, das Budget 2016 mit den Sparmassnahmen anzunehmen. «Die Angebote, die der Stadtrat abbauen wollte – etwa bei der Volksschule und der Quartierarbeit – kann sich die Stadt nun definitiv weiterhin leisen.»

Auch bei der SP nimmt man den positiven Abschluss «mit grossem Erstaunen» zur Kenntnis. SP-Grossstadtrat Simon Roth kritisiert den Zeitpunkt der Veröffentlichung so kurz vor der Abstimmung. «Für viele Stimmbürger ist es nun zu spät, sich noch umzuentscheiden, da sie ihre Abstimmungscouverts bereits eingeworfen haben.» Roth fragt sich, wie sich die Stadt derart verschätzen konnte. «Da stellen sich Fragen bezüglich dem Controlling und dem Budgetprozess an sich.»

Bürgerliche wollen weiter sparen

CVP-Fraktionschefin Franziska Bitzi Staub warnt vor der Schlussfolgerung, dass es keine Sparmassnahmen mehr brauche. Sie findet es aber «schwierig», der Bevölkerung zu erklären, weshalb die Stadt einerseits Millionengewinne macht und andererseits sparen soll. Für ein abschliessendes Urteil sei es noch zu früh – man müsse erst die Detailanalyse abwarten.
Fabian Reinhard, Präsident der städtischen FDP, sagt: «Der Abschluss 2015 ändert wenig an der Ausgangslage.» Da vor allem Sondereffekte zum positiven Ergebnis geführt hätten, seien die Sparmassnahmen weiterhin nötig.
SVP-Fraktionschef Marcel Lingg sieht das ähnlich: Er sei «erfreut über das gute Ergebnis.» Jetzt vom Sparkurs abzuschweifen, dafür sei es aber noch viel zu früh.

Kommentar

Neue Ausgangslage

Es ist ein Paukenschlag, den der Stadtrat zur Rechnung 2015 verkündet hat. Statt 0,8 Millionen beträgt der Überschuss sage und schreibe 19 Millionen Franken. Das ist ein Lichtblick in Zeiten von Sparplänen und drohendem Leistungsabbau. Viele Bürger werden sich nun fragen, ob die geplanten Sparmassnahmen noch gerechtfertigt sind. Völlig klar scheint: Das Ergebnis 2015 wird den Gegnern des Budgets 2016 Aufwind verschaffen – über das Budget und die zugehörigen Sparmassnahmen von 14 Millionen Franken wird am 28. Februar abgestimmt.

Der Finanzdirektor warnt indessen vor voreiliger Euphorie: Der Erfolg sei nur dank Sondereffekten zu Stande gekommen, die man so nicht voraussehen konnte. Es brauche weiterhin eine nachhaltige Entschlackung des Haushaltes. Tatsächlich gibt es immer unerwartete Faktoren, welche zu einer Budgetabweichung führen können – positiv wie auch negativ. Deshalb ist Stefan Roths Strategie, vorsichtig zu kalkulieren, grundsätzlich richtig. Denn so werden positive Überraschungen wahrscheinlicher als negative.

Dennoch sind die bisherigen Sparpläne nun noch stärker in Frage gestellt. Denn beim 14-Millionen-Paket gehts ans Lebendige. Den Leistungsabbau bei der Volksschule, aber beispielsweise auch bei der Strassenreinigung, werden die Bürger direkt zu spüren bekommen. Eine solche Verschlechterung der Attraktivität der Stadt ist nur dann in Ordnung, wenn es wirklich nicht anders geht. Und ob dies hier der Fall ist, das muss der Stadtrat jetzt ohne Scheuklappen neu beurteilen.
robert.knobel@luzernerzeitung.ch

Robert Knobel