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Luzern
Der Regierungsrat kommt von seinem Plan ab, die Steuererklärungen von Unternehmen mit zusätzlichen Experten genauer zu prüfen. Dem Kanton Luzern und den Gemeinden entgehen so jährlich mehrere Millionen Franken.
Wenn der Kanton Luzern spart, geht dies meist mit einem Abbau von Personal und Leistungen einher. Doch es gibt auch Fälle, in denen mit zusätzlichem Personal mehr herausgeholt werden kann. Das gilt beispielsweise für die Steuerverwaltung. Mit dem als Konsolidierungsprogramm 17 bezeichneten Sparpaket wollte die Regierung genau das tun: Vier zusätzliche Experten einstellen, welche die Steuererklärungen der Unternehmen durchleuchten – und Tricksereien aufdecken. Sie sollten Mehreinnahmen generieren, die ihren Lohn mehr als nur decken. Die Mehreinnahmen für Kanton und Gemeinden bezifferte die Regierung auf bis zu zu 4,1 Millionen Franken jährlich.
Doch jetzt zeigt sich: Obwohl die Regierung das Inspektorat bereits per 2017 aufbauen wollte, ist dieses bis heute nicht in Betrieb. Und nun soll es gänzlich gekippt werden. Dies ist dem Aufgaben- und Finanzplan 2019–2022 zu entnehmen, welcher Ende August veröffentlicht wurde. Darin heisst es konkret: Wie bereits länger bekannt ist, braucht es ab 2019 für den Bereich juristische Personen zwei zusätzliche Stellen, um das Wachstum bewältigen zu können. «Im Gegenzug werden im Planjahr 2019 zirka vier Personaleinheiten gestrichen und somit auf den Aufbau eines Inspektorats für juristische Personen verzichtet.»
Der Luzerner Kantonsrat und SP-Präsident David Roth ist auf diesen Satz aufmerksam geworden und hat am Mittwoch ein dringliches Postulat eingereicht. Darin pocht er darauf, dass die Regierung an ihren ursprünglichen Plänen festhält. Es sei «ein falsches Signal sowohl an die ehrlichen Unternehmen als auch an die Bevölkerung», wenn der Kanton freiwillig auf geschuldete Einnahmen verzichte. Der Kantonsrat muss nun an der Session vom 22. Oktober darüber entscheiden, ob der Vorstoss als dringlich behandelt wird. Ist dies der Fall, so wird das Postulat vom Parlament noch im Oktober behandelt.
«Die Regierung will offenbar nicht genauer hinschauen.»
David Roth, SP-Präsident und Kantonsrat
Roth sagt auf Anfrage, er erkenne nicht, was die Motivation sein soll, auf die Schaffung des Inspektorats zu verzichten. «Die Regierung will offenbar nicht genauer hinschauen. Sie unternimmt alles, um sich bei den Unternehmen nicht unbeliebt zu machen.» Möglich sei auch, dass sie die kurzfristigen Ausgaben scheue, welche für den Aufbau des Inspektorats nötig sind.
Weshalb der Regierungsrat auf die Schaffung eines Inspektorats verzichten will, ist nicht klar. Heinz Bösch, Sekretär des Finanzdepartements, nimmt aufgrund des hängigen Vorstosses «usanzgemäss keine Stellung».
Eine Erklärung hat hingegen Michèle Graber, Fraktionschefin der GLP im Luzerner Kantonsrat. Im 350-seitigen Aufgaben- und Finanzplan gebe es Hinweise darauf, dass der Regierungsrat auf Synergien mit Mehrwertsteuer- und AHV-Kontrollen des Bundes setze. Offenbar sei er zum Schluss gekommen, dass der Aufbau eines eigenen Inspektorats keinen Mehrwert ergebe. Doch die Udligenswiler Politikerin hat Vorbehalte: «Die von Schwerzmann bevorzugte Ausschöpfung von Synergien mit AHV- und Mehrwertsteuer-Kontrollen des Bundes überzeugt mich nicht.»
Aufgrund der klaren Mehrheitsverhältnisse im Kantonsrat ist fraglich, ob dieser den SP-Vorstoss für dringlich erklärt und überweist. SP und SVP sind sich einig, dass Vertrauen gut und Kontrolle besser ist. Ob es dazu aber ein Inspektorat braucht, da gehen die Meinungen auseinander. Für David Roth ist klar, dass die Budgetdebatte genau der richtige Ort ist, um über diese Frage zu diskutieren. Wenn das Parlament konsequent sei, müsse es dem Postulat zustimmen. «Die Fraktionen haben immer betont, dass alle Massnahmen aus dem Konsolidierungsprogramm umgesetzt werden. Das Inspektorat ist eine davon.»
Unterstützung erhält er von den Grünen. Es sei die Aufgabe des Staatswesens, genau hinzuschauen, ob das Geld korrekt versteuert wird, findet Fraktionschefin Monique Frey. Wenn nun auf das Inspektorat verzichtet werden soll, sei dies eine Bankrotterklärung: «Das ist ein weiterer Beweis für die finanziell schlechte Lage des Kantons. Er kann nicht einmal mehr Ausgaben tätigen, um potenzielle Mehreinnahmen zu generieren.» Die Grossen würden einmal mehr verschont.
Die grösste Fraktion im Kantonsrat, die CVP mit 38 Sitzen, dürfte dem Vorstoss kaum zustimmen. Darauf deuten die Aussagen von Fraktionschef Ludwig Peyer. Er findet, «die Fragen hätten auch in der Planungs- und Finanzkommission besprochen werden können. Dafür braucht es keinen Vorstoss». Die Regierung habe sicher ihre Gründe, auf die Stelle zu verzichten. Zudem widerspricht er Roth: Es seien nicht alle Massnahmen aus dem Konsolidierungsprogramm 17 umgesetzt worden.
Auch die Stellungnahme von FDP-Kantonsrätin Heidi Scherer klingt nicht nach Zustimmung. Das Steuersystem basiere auf Selbstdeklaration und Selbstverantwortung. Durch AHV- und Mehrwertsteuer-Revision würden Firmen schon überprüft. Die 25-köpfige Fraktion entscheidet nächste Woche, ob sie den Vorstoss für dringlich erklären will.
GLP-Fraktionschefin Graber glaubt nicht, dass der Vorstoss als dringlich erklärt wird. Sie kann sich aber vorstellen, entsprechende Anträge bei der Behandlung des Budgets und des Aufgaben- und Finanzplans zu unterstützen.