FUSSBALL: «Ich weiss es nicht, ich bin nicht der FCL»

Radiojournalist Sämi Deubelbeiss (34) ist seit 2003 Fussballreporter bei Radio Pilatus. Wenn die FCL-Profis nicht gut spielen, sagt er es jeweils live ins Mikrofon.

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Radiojournalist und Fussballreporter Sämi Deubelbeiss. (Bild Pius Amrein/LZ)

Radiojournalist und Fussballreporter Sämi Deubelbeiss. (Bild Pius Amrein/LZ)

Sämi Deubelbeiss, auf welchem Rang wird der FC Luzern am Ende dieser Saison stehen?

Nun, ich bin kein Hellseher. Aber der FCL hat das Potenzial, sich zwischen Rang 3 und Rang 5 zu klassieren. Basel, YB und Sion sind stärker als Luzern, es ist keine Schande, am Schluss hinter diesem Trio klassiert zu sein.

Sie sind mit allen FCL-Spielern per Du. Ein lässiges Gefühl oder gefährlich?

Früher war das cool für mich, denn ich bin ja als FCL-Fan sozusagen auf die andere Seite gewechselt. Nun ist es klar ein Job für mich. Ich habe auch mit keinem Spieler privaten Kontakt. Ausser mit Alain Wiss, der ja unterdessen beim FC St. Gallen spielt. Mit ihm war ich schon angeln gewesen. Jüngere FCL-Spieler reden mich in der Regel mit «Sie» an, ich sage ihnen dann jeweils: «Ich bin der Sämi.»

Sind Sie auch schon mit einem FCL-Profi aneinandergeraten?

Nein, nicht wirklich. Ich übe ja Kritik am Fachlichen, nicht am Menschlichen. Klar, die sogenannten Flash-Interviews nach dem Match sind heikel, weil die Spieler unmittelbar nach dem Schlusspfiff noch «unter Strom» stehen. Ich glaube, FCL-Captain Claudio Lustenberger hat mir nach einem schwierigen Spiel so was Ähnliches wie «nächstes Mal kannst du ja selber spielen» ins Mikrofon gesprochen. Gut, Ex-FCL-Trainer Carlos Bernegger hat mich nach einem kritischen Matchbericht auch schon zwei-, dreimal angerufen.

Was muss ein Fussball-Radioreporter können?

Das Wichtigste: Er muss vom Fussball eine Ahnung haben. Es geht nicht, dass einer, der nicht viel vom Fussball versteht, die Leistung der Spieler bewertet. Dann braucht es die Gabe, reden zu können, wenn man als Reporter live auf Sendung geschaltet wird.

Werden Sie wegen Ihres Berufs von Leuten auf der Strasse angesprochen?

Oft fragen mich die Leute: «Was läuft beim FCL?» Ich muss dann jeweils höflich, aber deutlich antworten: «Ich weiss es nicht! Ich bin nicht der FCL!»

Seit wann sehen Sie sich die Spiele des FC Luzern an?

Seit 1990 besuche ich die FCL-Spiele im Stadion. Leider habe ich den Meistertitel um eine Saison verpasst. Damals, als der FCL in der Heimpartie gegen Servette Meister wurde, habe ich das Spiel tatsächlich via Radio Pilatus mitverfolgt. Radio Pilatus berichtete nonstop, über die ganzen 90 Minuten, reportiert wurde das Spiel von Peter Hauser.

Warum macht Radio Pilatus heutzutage eigentlich nicht mehr und längere Einschaltungen während des FCL-Spiels?

Weil die Vorgabe ganz klar ist: Die Menschen schalten das Radio vor allem ein, um Musik zu hören. Aber wir berichten intensiv über den FCL, beispielsweise übertragen wir auch die Europacup-Auswärtsspiele live. Und wenn ein Tor fällt, gehen wir in jedem Spiel immer sofort auf Sendung.

Welche Musik hören denn Sie gern?

Mir gefallen die Rockgruppe Muse und der Sänger Robbie Williams sehr gut.

Welcher ist der beste FCL-Spieler, den Sie je erlebt haben?

Vor meiner Zeit als Reporter ist es für mich Semir Tuce. Seine Freistösse und seine Dribblings waren vom Feinsten. Seit ich als Reporter von den Spielen berichte, habe ich keinen besseren Fussballer als Hakan Yakin gesehen.

Wie erklären Sie es sich, dass der FCL hinter den Kulissen scheinbar nie zur Ruhe kommt?

Viele Köche verderben den Brei! Basels Präsident Bernhard Heusler hat mir einmal in einem Interview erzählt, seine Bedingung vor dem Amtsantritt sei gewesen, dass seine Vorgängerin Gigi Oeri alle Anteile abgeben solle. Auch beim FC Basel werden Fehler gemacht. Aber dort werden sie fein säuberlich aus der Welt geschafft, hier in Luzern werden sie von jedermann ausgeschlachtet. Wie Ex-Präsident Mike Hauser damals beim FCL gehen musste, das war richtig amateurhaft. Aber ich muss sagen: Es ist besser geworden, der FCL ist auf gutem Wege.

Ihr peinlichster Fehler live auf Sendung?

Das war bei meiner allerersten Einschaltung. Meine Kollegen von der Guuggenmusig nehmen mich deswegen heute noch hoch. Es war in der Rückrunde 2003, damals habe ich neben dem FCL auch noch die Spiele des SC Kriens reportiert. Ich war im Aarauer Brügglifeld, und als die Liveschaltung kam, sagte ich: «Ich melde mich live aus dem Aarauer Kleinfeld.» (Das Krienser Stadion heisst Kleinfeld, Anm. d. Red.) Im Übrigen gilt für mich live auf Sendung dasselbe wie für den Schiedsrichter auf dem Spielfeld, ob Penalty oder rote Karte, ich muss mich sofort entscheiden und habe keine Zeitlupe zur Verfügung.

Ihr schönstes Erlebnis mit dem FCL?

Was die Emotionen betrifft, war es der Cup-Halbfinal 2007 gegen den FC Zürich. Der FCL lag zweimal im Rückstand und siegte dank einem Prachtschuss von Paquito in der Nachspielzeit noch 3:2. Ich war live auf Sendung, diese Sequenz wurde auch noch Tage später bei uns auf dem Sender rauf- und runtergespielt.

Welcher ist Ihr Lieblingsfussballklub?

Ich verfolge die deutsche Bundesliga intensiv. Bei Borussia Dortmund beeindrucken mich immer wieder der Wille und der Einsatz. Dortmund zeigt, was im Fussball möglich ist. Das fehlt mir manchmal beim FCL, dieser unbändige Wille, etwas Aussergewöhnliches leisten zu wollen.

Ihr Radioreporter-Vorbild?

Daheim bei den Eltern hatten wir lange Zeit kein TV-Gerät. Ich habe viel Radio gehört, insbesondere Peter Hauser, einer meiner Vorgänger als FCL-Reporter. Er ist sicher einer der Gründe, warum ich schon als Kind Sportreporter werden wollte.

Gibt es für Sie auch ein Leben neben dem FCL?

Natürlich. Ich bin seit anderthalb Jahren mit Simone verheiratet, verbringe viel Zeit mit meiner Frau. Wir joggen oft am Rotsee oder um die Horwer Halbinsel und sind letzten März am New Yorker Halbmarathon gelaufen. Wir reisen gern, vor allem nach Amerika. Die letzte Reise ging an die Westküste. Auf dem Programm standen unter anderem Los Angeles, Las Vegas, San Francisco und die Canyons. Ich jasse auch ab und zu und war mehr als zwanzig Jahre Fasnächtler bei den Musegg-Geischtern.

Die letzte Frage kommt natürlich von Daniel Wyrsch, dem FCL-Reporter unserer Zeitung. Er sagt, Sie seien als emotionaler Radioreporter bekannt, und fragt, ob Sie nach den Spielen das Gefühl haben, zu impulsiv gewesen zu sein oder ob Emotionen einfach zum Job gehören.

Ausgerechnet Dani fragt mich das! Er ist ja selber sehr emotional. Nun, Emotionen sind das A und O. Der Fussball lebt davon, die Radioreportage lebt davon. Gerade deswegen geh ich gern zur Arbeit. Die Leute sagen mir, sie hätten mich gerade der Emotionen wegen gern. Wenn ich merke, dass ich dieses Feuer nicht mehr habe, höre ich auf.

Interview: Turi Bucherarthur.bucher@luzernerzeitung.ch